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Es gibt 8 Beiträge von Max.Renn

Shadow of the Vampire

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Söhne des Schattens

12.07.2001

Kinder des Schattens

Dass jeder Film neben seiner Geschichte auch von der Bedingung seiner Möglichkeit erzählt ? mal offensichtlich, mal zwischen den Bildern ? ist hinlänglich bekannt. So ist jedes Melodram gleichzeitig Stellvertreter und Vorreiter für sein Genre, genau wie jeder Western und natürlich auch jeder Horrorfilm.
Den Horrorfilm knüpfen darüber hinaus engere Bande an seinen materiellen Träger und damit an den Apparatus des Kinos als alle anderen Genres. Stellen doch Erzählung und Medium in ihm gleichzeitig ihre Substanz aus Licht und Schatten aus, die einander bedrohen und bei denen die Anwesenheit des einen die Abwesenheit des anderen bedeutet: Ein hell erleuchteter Kinosaal verunmöglicht die Projektion genau so wie ein überbelichteter Filmstreifen. Vampire, künstliche Menschen, Werwölfe ? auch sie sind Abhängig von der Dunkelheit und fürchten das Licht. Wo am hellen Tag Friede und heile Welt herrschen, verkehrt sich im Horrorfilm des Nachts alles in sein Gegenteil. Und nur derjenige, der "Licht ins Dunkel" bringt (sei?s nun substanziell mit Feuer und Sonnenlicht oder metaphorisch durch "Reinheit" oder christlichen Glauben) kann die Geschöpfe der Nacht, die "dunkle Magie" zu besiegen. So lautet das Leitmotiv des Horrorfilmes.
Diese "mediale" Verbindung zwischen dem Genre und dem Apparatus besteht seit den frühesten Tagen Filmgeschichte: Schon Frankensteins Monster wird eines Nachts durch eine kleine Luke im Dach des Laboratoriums "belichtet" und fällt später dem selben Licht (als Feuer) in einer Mühle wieder zum Opfer. Auch der Vampir existiert in dieser besonderen Nähe zum Medium Film und so erzählt der Vampirfilm seit fast 100 Jahren (angefangen mit VAMPIRES OF THE COAST von 1909) die Geschichte vom lichtscheuen Blutsauger.
E. Elias Merhiges SHADOW OF THE VAMPIRE stellt den jüngsten Beitrag und gleichzeitig so etwas wie eine Zusammenfassung des Vampirfilms dar: Erzählt wird von den Dreharbeiten zur wohl bekanntesten Dracula-Adaption NOSFERATU von Friedrich Wilhelm Murnau, entstanden 1922. Murnau - grandios verkörpert von John Malcovich - macht sich mit seiner Crew (zu der u. a. ?Andy-Warhols-Dracula? Udo Kier gehört, der den Produzenten Albin Grau, spielt) auf in die Kaparten, um am Originalschauplatz erstmals mit Max Schreck (Willem Dafoe) zusammenzutreffen und die Vampir-Szenen zu drehen. Schreck sei ein Schauspieler aus der Schauspielschule Stanislawsikis, der sich dort in den Kaparten voll in seine Vampirrolle aufgehend auf die Dreharbeiten vorbereitet, bereitet Murnau seine Crew auf das erste Zusammentreffen vor. Daher sei es unbedingt notwendig, nur Nachts zu drehen und den Schauspieler Schreck mit seinem Rollennamen ?Graf Orlok? anzusprechen. Der Crew kommt diese Vorgehensweise und erst recht die Erscheinung Schrecks zwar äußerst befremdlich vor, doch man stellt sich darauf ein ? Im Filmgeschäft begegnet man ja schließlich den skurrilsten Gestalten. Schreck selbst scheint so in seine Rolle aufzugehen, dass er sich wie ein Vampir benimmt: Er schrickt vor Kruzifixen zurück, verabscheut das Tageslicht und saugt Fledermäuse aus. Als er dann allerdings den Kameramann Wolfgang Müller (Ronan Vibert) am Set überfällt und beißt und Murnau flugs Ersatz aus Berlin beschaffen muss, wird klar: Schauspieler Schreck spielt nicht einen Vampir namens Graf Orlok, sondern der Vampir Graf Orlok spielt einen Schauspieler namens Max Schreck (der deswegen so gut einen Vampir namens Graf Orlok zu mimen versteht). Murnau hat ? um der Authentizität willen ? einen echten Vampir angeheuert und ihm als Gage das Blut der Hauptdarstellerin Greta (Cathrine McGormack) versprochen, die natürlich noch nichts davon ahnt. Dass Schreck jedoch bereits vorab bei der Crew nascht, bringt ihn in mehrfachen Konflikt zu Murnau, der dadurch seine Dreharbeiten in Gefahr geraten sieht. Man einigt sich schließlich durch allerlei Erpressungen und Drohungen und begibt sich zusammen ? nebst Vampir und angeschlagener Crew ? nach Wismar, um den Schluss des Filmes mit der Hauptdarstellerin und der Sterbeszene des Vampirs abzudrehen.
Doch dort überschlagen sich die Ereignisse. Während Murnau mit Grau und dem neuen Kameramann Fritz Arno Wagner (Cary Elwes) plant, den Vampir vor vollendeter Verspeisung seiner Gage zu "belichten" und damit dessen Sterbeszene besonders realistisch zu gestalten, kommt dieser der Falle rechtzeitig auf die Schliche und dezimiert kurzerhand während des Drehs die Crew soweit, dass nur noch Murnau übrig bleibt, der den Film nun allein fertig stellen muss.
Vordergründig bildet die Erzählung von SHADOW OF A VAMPIRE eine zwar interessante aber nicht ungewöhnliche Gruselkomödie ab: ein besessener Regisseur, ein echter Vampir, eine sich in Drogen und Starallüren ergießende Filmcrew. Doch schon bald blättern sich die weiteren Ebenen des Filmes auf und offenbaren ein vielschichtiges Meisterwerk: Parallelen von der "Blut saugenden Filmindustrie" zum Blutsaugergenre werden genauso en passant angestellt, wie Anspielungen auf den platonischen Idealismus, bei dessen Höhlengleichnis die Menschen ebenso vom "falschen" Schattenspiel fasziniert sind wie die Kinozuschauer und unter denen der Philosoph derjenige ist, der aus dem Loch heraus kriecht - so wie Schreck in seiner ersten NOSFERATU-Szene - und als erster Mensch ins Sonnenlicht sieht ? wovor sich Schreck tunlichst hüten würde. Der Platonische Philosoph stellt diesbezüglich einen echten Antagonisten zum Schreck-Vampir dar, welcher solche Vergleiche dann auch sofort als ?Sophismus? abtut. Durch solchen zahlreiche Anspielungen erhält SHADOW OF A VAMPIRE eine höchst selbst/referenzielle Struktur.
Besonders interessant sind dann auch die Momente, in denen der Vampir auf den Apparatus trifft: Wie hypnotisiert schaut er ? nach Drehschluss - mitten in die Linse eines Projektionsgerätes und erblickt das filmische Abbild eines Sonnenuntergangs, dass er durch Änderung der Kurbelrichtung in einen Sonnenaufgang verwandelt und sich damit einer mediale Simulation aussetzt, die er realiter nicht erleben könnte.
Und später, als das Finale zu Nosferatu gedreht werden soll und der Schreck-Vampir schon voller Ungeduld Greta anstarrt, entdeckt diese zufällig, dass er kein Spiegelbild hat, beginnt zu ahnen, was ihr bevorsteht und fängt wild an zu schreien und zu strampeln (was ihr allerdings nichts hilft, denn Murnau und Grau verabreichen ihr flugs eine Ladung Morphium und lähmen sie dadurch). Der Vampir indes läuft während der ganzen Prozedur wild vor dem Spiegel hin und her und es scheint fast so, als wolle er allein durch seine Bewegung den die filmische Realität schaffen, die seinem natürlichen Abbild (dem Spiegelbild) fehlt.
Schließlich gewinnt Murnau nach hohen Verlusten den Zweikampf gegen den Vampir, doch das Spiel ist damit noch nicht beendet. Wie hypnotisiert kurbelt er - als einzig Überlebender - nun selbst Meter um Meter Film durch die Kamera, filmt die ganze Szenerie, schwenkt zwischen den Leichen des Produzenten, des Kameramanns und der Hauptdarstellerin hin und her, ganz so als wolle er der Szene dadurch wieder Leben einhauchen. Erst als von Außen zustoßende Mitarbeiter ihm die Schlussklappe vor die Linse halten, kann er aufhören. Doch während seiner manischen Filmerei wechselt der Blick immer wieder von der Szenerie über das Bild des Okulars in das Gehäuse der Kamera hinein und zeigt, wohin all die Schatten geflohen sind und wo sie nun selbst als Tote echte Unsterblichkeit erfahren und damit zu ewigen Untoten, zu Schatten auf der Kinohöhlenwand geworden sind.

Shadow of a Vampire
USA 1999/2000
Regie: E. Elias Merhige; Kamera: Lou Bouge;
Drehbuch: Steven Katz; Musik: Dan Jones
Darst.: John Malkovich, Willem Dafoe, Udo Kier, Cahrerine McGormack uva.
Verleih: 20th Century Fox, Länge: 95 Min.

Stefan Höltgen
(stefan@hoeltgen.org)

The 6th Day

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Arni im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit

20.05.2001

Die Frage nach dem filmischen Original hatte Walter Benjamin bereits 1936 geklärt: In einer Maschinerie, wie der Medienproduktion, die von Vervielfältigung lebt und deren Produkt immer schon das "Negativ" ist, bleibt die Frage nach der Echtheit obsolet. Knapp 40 Jahre später griff Jean Baudrillard das Problem ein weiteres Mal auf, jedoch nun in Hinblick auf die medial überflutete Gesellschaft. Auch seine Frage nach dem "Original der Information"wurde negativ beantwortet und werfen darüber hinaus Zweifel am Begriff der "Wirklichkeit" auf. Das 20. Jahrhundert scheint also als eine Epoche der Fälschung, der Kopie, der Simulation entlarvt worden zu sein. Derlei Befunde können sich mittlerweile von den neuesten Errungenschaften der Biotechnik bzw. Gentechnik bestätigen lassen. Kopien lassen sich nicht mehr nur von Medien herstellen, sonder mittlerweile auch von "Individuen" - und zweifeln damit allein schon den Begriff des Individuellen in seiner ursprünglichen Bedeutung - der Unteilbarkeit - an.
In "The 6th Day" erfährt die gesamte Problematik nun ihre fiktionale Auswertung: Adam Gibson (Arni) ist ein unbescholtener Familienvater. Er arbeitet bei einer kleinen Charterfluggesellschaft und das höchste Glück der Erde liegt für ihn im Schoße seiner Familie. Er passt so gar nicht die diese Welt "der nahen Zukunft" (wie der Zwischentitel im Prolog angibt): Er hält nichts von geklonten Haustieren, rasiert sich immer noch mit Klingen und nicht mit Lasern und kann auch den Freuden des Cybersex nichts abgewinnen. Doch diese futurkonservative Haltung ist es schließlich, die ihm das Leben rettet, denn er hat während der 126 Minuten von "The 6th Day" alle Hände voll damit zu tun, die Übel der Zukunft nicht auf seine Weltsicht übergreifen zu lassen.
Als Adam eines Tages den Firmenmulti Michael Drucker, der sich auf das Klonen von menschlichen Organen versteht, zu dessen Skihütte fliegen soll, lässt er sich von einem Kollegen "vertreten", weil er seiner Tochter noch ein Geschenk besorgen möchte. Von diesem "Rollentausch" weiß allerdings die Firma des Kunden nichts und als bei einem Attentat eines Anti-Kloning-Fundamentalisten sowohl der Firmenmagnat als auch Adams Vertretung ermordet werden, klont man kurzerhand beide neu aus kurz vorher gewonnenen Bio- und Gedächtnisdaten. So kommt es dann, dass Adam am selben Abend vom Einkaufen nach Hause kommt und dort sein Pendant vorfindet: Man hat aufgrund des "Rollentausches" ihn geklont und nicht seine Vertretung. Weil das Klonen von Menschen nun aber selbst in der nahen Zukunft noch ein überaus verbotenes Geschäft ist, muss Adam als Beweis für die Straftat aus dem Weg geschafft werden. Ganz in Schwarzenegger-Manier ist der Film zwei Stunden damit beschäftigt genau dies zu verhindern.
"The 6th Day" scheint auf den ersten Blick ein typischer Hollywood-Kracher zum Jahrtausendwechsel (davon hatten wir ja bekanntlich zwei: einmal von 1999 nach 2000 - garniert mit Schwarzeneggers "End of Days" - und nun der Wechsel ins "rechnerische" 3. Jahrtausend - von "The 6th Day" begleitet). Ein moralisch brisantes Thema wird auf ein schwarzeneggergerechtes Drehbuch übertragen, mit ein wenig pointiertem Wortwitz unterlegt, dreieeinhalb Autoverflogungsjagden und zwei Dutzend Schießereien garniert: und schon haben wir den Action-Blockbuster.
Jedoch ist "The 6th Day" weit mehr: Das Team um Regisseur Roger Spottiswoode weiß es geschickt die Problematik der medialen, simulakren und genetischen Verdopplung abermals auf der filmischen Ebene anzuspielen. So wird das Bild häufig so stark ineinander verschoben und verzerrt, dass der Zuschauer im wahrsten Sinne des Wortes "doppelt" sieht. Die Thematik wird darüber hinaus auch auf anderen visuellen Ebenen ausgearbeitet - etwa wenn sich die Protagonisten in den glatt polierten Oberflächen der schönen neuen Welt spiegeln oder im Kaufhauscenter (in dem auch eine Haustierkloning-Firma angesiedelt ist) die Luft von Hologrammen als 3D-Werbetafeln gefüllt ist. Ja selbst die Montage trägt die Züge der Thematik bereits in sich. Ortswechsel werden nicht einfach aneinander geschnitten oder durch Schwarzblenden von einander getrennt, sondern durch eine sich in sich selbst ständig verschiebende nächtliche Luftaufnahme der Großstadt, in der die Handlung angesiedelt ist, separiert. Auch darin wird das Thema ein weiteres Mal changiert: Die Großstadt als ein System der Selbstproduktion und Reproduktion, in der sich - wie noch bei Edgar Allen Poe - der einzelne Mann nicht mehr einfach in der Menge verliert, sondern sich und seine Individualität in ihr auflöst.
Und so weiß man aufgrund geschickter Verquickungen der Erzählung bald nicht mehr, mit welchem Protagonisten man es eigentlich zu tun hat: Ist der Adam der Erzählung nun ein Klon oder das Original? Natürlich entwirren sich die Fäden zum Schluss hin und der Film findet sowohl eine dramaturgisches als auch eine moralisches Auflösung, wenn auch letztere auf den ersten Blick etwas reaktionär anmutet: Adam - nun durch die harte Schule der nahen Zukunft gegangen - besinnt sich auf seine Gegenwart und spielt das Spiel der Gesellschaft einfach mit: Er wird in Zukunft das verstorbenen Hündchen seiner Tochter immer und immer wieder klonen lassen, wird sich wohl fortan auch mit dem Laser rasieren und die Verlockungen des virtuellen Beischlafs auch nicht mehr kategorisch ablehnen. Bleibt nun zu fragen, ob diese politisch völlig unkorrekte Moral des Films tatsächlich ernst gemeint ist, oder ob "The 6th Day" damit ein weiteres Mal eine Realität simuliert, gegen die es Widerstand aufzubauen heißt.

(Stefan Höltgen)

Schmalspurganoven

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Allen anders

20.05.2001

Zu befürchten war ja eigentlich nie wirklich, dass Woody Allen nach "Harry außer sich" (1998) nun endgültig hinter die Kamera verschwunden ist, auch wenn Kenneth Brannagh in "Celebrety" (1999) einen durchaus passablen Nachfolgemimen abgegeben hatte. Aber Darstellar-Abstinenz hatte es bei dem mittlerweile 65-jährigen ja bereits öfter gegeben: von "September" (1987) bis "Eine andere Frau" (1988), sieht man von der Kurzgeschichte in "New York Stories" ab). Aber nun ist Allen wieder vor der Kamera und zeigt eine weitere Facette seiner Kunst.
Der Tellerwäscher Ray Winkler (Woody Allen) und seine Frau Maniküristin Frenchy (Tracey Ullman) haben die Nase voll von der Armut. Ray hat wegen schlecht geplanter Gaunereien bereits eine Gefängnisstrafe hinter sich und glaubt jedoch nun den ganz großen Coup landen zu können. Mit zwei Freunden, die - wie Ray auch selbst - nicht den allerhellsten Eindruck vermitteln, will er einen leer stehenden Laden in der Nachbarschaft einer Bank anmieten und im dortigen Keller einen Tunnel graben, der ihn an die Ersparnisse der Bank und dadurch in den wohlverdienten Lebensabend nach Florida gelangen lassen soll. Und während sich die drei beim Graben noch über die Himmelsrichtung, in die zu graben ist, streiten, verkauft Frenchy oben im Laden zur Tarnung selbst gebackene Kekse.
Doch dann kommt alles anders: Anstatt in der Bank landen die Tunnelgräber in einer Boutique und anstatt zu tarnen, wird Frenchys Keksverkauf zum New Yorker Erfolgsgeschäft Nummer eins. Blende: Ein Jahr später haben es Ray und Frenchy geschafft: Sie sind Mulitmillionäre und Amerikas absolute Keks-Barone. Doch von den Freuden des Reichtums findet sich keine Spur. Frenchy versucht verzweifelt in die besseren Kreise eingeführt zu werden, wozu Geld allein offensichtlich nicht ausreicht; Ray langweilt sich fürchterlich und will anstatt Trüffel lieber Pizza essen und mal wieder einen Coup planen. Das Ehepaar lebt sich also auf klassische Weise auseinander und gerät fast vollständig entzwei, als sich der Kunstfachmann David (Hugh Grant) an die reiche Mäzenin Frenchy anhängt, selbstverständlich nur, weil er "ihr bestes" will.
Auffällig vor allem ist die Rückbesinnung Woody Allens auf die Charaktere aus seiner filmischen Frühphase. So ähnelt die Figur des Ray in vielem dem Virgil Starkwell aus "Woody der Unglücksrabe" (1969): Auch Virgil ist ein durch und durch erfolgloser Kleinganove, der mental eher einfach bestückt und daher so ganz anders als die genervten, intellektuellen Zwangsnewyorker aus Allens Filmen vom "Stadtneurotiker" (1977) bis "Celebrity" (1998) ist. Mit dieser Rückbesinnung erreicht Allen nicht nur eine kritische Rückschau auf das eigene Werk, sondern vermag es ganz nebenher auch das Phänomen der Neureichen und der High Society gekonnt zu karikieren.
Sicherlich zerfällt "Schmalspurganoven" in zwei Teile, wie Stefan Lux im filmdienst moniert. Aber das ist wohl weniger Woody Allens Mangel, funktionierende Geschichten zu entwickeln zuzuschreiben, als vielmehr dem Phänomen des Umbruchs selbst: Wessen Leben würde durch einen unerwarteten mulitmillionen Dollar-Gewinn nicht in ein "vorher" und "nachher" zerfallen? Schmalspurganoven erreicht es vielmehr, den Reichtum der Protagonisten als Armut zu entlarven und bekommt gerade darin seine witzige Wende, wenn der mit Goldkettchen und sündhaft teuren Uhren behangene Ray versucht, auf einer Party der Gastgeberin ein Edelsteincollier aus dem Safe zu stehlen, das er eigentlich aus der Portokassen kaufen könnte - und dabei natürlich scheitert!

(Stefan Höltgen)

Bad Taste

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Am Anfang war der schlechte Geschmack

20.05.2001

In dem 70-Seelen-Kaff Kaihoro, irgendwo an der neuseeländischen Küste gelegen, haben Außerirdische ein komplettes Genozid veranstaltet. Eine Spezialeinheit des Ministeriums "Astro Untersuchungs- und Verteidigungsdienst" schickt ihre Elitetruppe "The Boys" nach Kaihoro, um die Invasion zu stoppen und einen gefangenen Spendensammler, der den Aliens in die Fänge geraten ist, zu befreien.
Zugegeben: Die Story von "Bad Taste" gewinnt keine Literaturwettbewerbe; doch ist Peter Jackson wohl auch kaum mit diesem Anspruch an sein Regiedebüt herangegangen. Der Film strahlt in jeder Einstellung die perverse Freude des Neuseeländers für blood & guts aus. Kaum eine Gelegenheit wird ausgelassen, um Aliens auszuweiden, Gehirne zu zerschießen und zu verspeisen oder Köpfe samt Wirbelsäule aus bis dahin noch recht gut funktionierenden Aliens herauszureißen.
Daneben leistet "Bad Taste" mit Leichtigkeit Hommagen und Persiflagen auf das Horrorgenre – eine Aufgabe, der sich Jackson auch bei seinen darauf folgenden Splatterfilmen "Meet the Feebles" (Nz 89) und "Braindead" (Nz 92) verschrieben hat. "Bad Taste" leistet gerade durch seine überbordende Gewalt, die allzu häufig in Slapstick ausartet ein Wesentliches zum Untergang des modernen Horrorfilms, den "Braindead" fünf Jahre darauf endgültig vollzog. Seither ist es nicht mehr möglich, Splatter- und Goreeffekte jenseits ihrer eigenen ironischen Brechung darzustellen und erst recht nicht, sie zu überbieten.
Bislang war der Film nur in einigen kleinen Kinos zu sehen gewesen und als Verleihkassette der Firma Astro, die "Bad Taste" Ende 2000 synchronisiert und den ja schon etwas betagten Kultklassiker auf den Markt gebracht hat. Dass bei der Synchronisation natürlich einiges vom Charme der originalsprachlichen Fassung (einschließlich zahlreicher Anspielungen, die sich gar nicht übersetzen lassen) und der in der hierzulande verbreiteten holländisch untertitelten Fassung („Lasst uns abhau’n!“ = „wegwezzen!“) verloren geht, muss man wohl hinnehmen. Auch wurde oftmals ein wenig zu viel des Guten getan, wenn etwa „intergalactical journey“ als „zwischengalaktische Reise“ eingedeutscht wurde. Doch man muss Astro, wie auch schon in der Vergangenheit, hoch anrechnen, dass sie den Film überhaupt zunächst in die deutschen Kinos und dann auf den deutschen Videomarkt gebracht haben. Die Zensoren werden sich wie immer über dieses Juwel des Splatterfilms hermachen, als wären sie selbst "The Boys", die in Astro und seinen Veröffentlichungen eine Invasion des "schlechten Geschmacks" befürchten und wenn wir Pech haben, werden sie den Film ähnlich verstümmeln, wie Derek von "Bad Taste" am Schluss den Anführer der Außerirdischen.

(Stefan Höltgen)

Titan A. E.

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Titan A.E.

20.05.2001

Wieder einmal ist die Erde von Außerirdischen zerstört und die Menschheit in die Weiten des Alls verstreut worden: Die Drej, eine Rasse reiner Energiewesen hat Angst vor dem explorativen Potenzial der Menschen und löscht diese kurzerhand aus. Doch kurz vor dem Zerbersten unseres geliebten Heimatplaneten kann die Titan - ein Raumschiff, dass in der Lage ist, einen bewohnbaren Planeten zu erschaffen - gerettet und in den Tiefen des Alls versteckt werden. Der Wissenschaftler, der das Raumschiff steuert, übergibt seinen kleinen Sohn in die Obhut von Freunden, die zusammen mit einigen anderen Menschen ebenfalls von der Erde flüchten können. 15 Jahre später ist der kleine Cale zu einem jungen Freibeuter herangewachsen, den das Schicksal der Menschheit nicht interessiert. Als er nun eines Tages vom Freund seines Vaters aufgesucht wird, um die Suche nach der Titan anzutreten, stimmt er nur zu, weil sich an Bord des Suchraumschiffs die schöne Akima befindet (im Original von Drew Barrymore gesprochen) und weil die Drej von dem Plan wissen und alle, die damit zu tun haben, vernichten wollen. So beginnt eine Verfolgungsjagd quer durch das All, die mit oftmals überraschenden Wendungen in der Erzählung schließlich doch zum Ziel führt. Titan A.E. ist schon deswegen ein Ausnahmefilm, weil es kaum ernstzunehmende Zeichentrick-Science-Fiction für Erwachsene gibt. Einzig Heavy Metal (USA 1981) und dessen jüngst veröffentlichtes Sequel Heavy Metal 2 F.A.K.K. (USA 2000) ließen sich nennen. Aber auch stilistisch kann sich Titan A.E. gegen seine Konkurrenz aus dem Zeichentrick behaupten: Gekonnt werden 2D-Zeichnungen mit 3D-CGI gemischt, um so einerseits Anknüpfungspunkte zur Zeichentrickfilmästhetik zu liefern und andererseits die Visionen z. B. der Zerstörung der Erde, der Energiewesen oder des intergalaktischen Eismeeres adäquat inszenieren zu können. Don Bluth, der 1979 bei Disney ausgestiegene Regisseur von Titan A.E., hat wieder einmal bewiesen, dass Infantilität und Kitsch nicht notwendige Zutaten für einen gelungenen Zeichentrickfilm sein müssen. Damit stellte er bereits im Voraus den Computeranimationsfilm Dinosaurier aus der Disneyschmiede in den Schatten. Störend bei Titan A.E. wirkt einzig der Soundtrack. Zu sehr am (offensichtlichen Inspirationsgeber) Heavy Metal orientiert, wird der Zuschauer kontinuierlich mit schwerem Gitarren- und Elektrorock bombardiert, als könnten damit die fulminanten Bilder noch entscheidend verstärkt werden. Das aber haben sie nicht nötig. Begibt man sich im Kinosaal an die richtige Stelle (möglichst weit vorn und in der Mitte der Sitzreihe), so donnern der Film und Graeme Revells Surroundsound mit brachialer Gewalt über einen hinweg. Kleine Schnitzer in der Plotlogik, wie sie der filmdienst moniert, lässt das ästhetische Erlebnis von Titan A.E. schnell vergessen.

(Stefan Höltgen)

Eraserhead

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Darkness falls ...

20.05.2001

Es geschieht einem wohl nicht oft, dass man behaupten kann, ein Film habe das eigene Leben verändert oder doch zumindest auf dessen weiteren Verlauf wesentlichen Einfluss genommen. Von David Lynchs „Eraserhead“ kann ich das jedoch ohne Weiteres Behaupten: Ich erinnere mich, dass ich das erste Mal auf diesen Titel 1987 in der damaligen Szene-Zeitschrift „Wiener“ gestoßen bin. Diese kürte „Eraserhead“ nämlich seinerzeit zu einem Vertreter der „100 strangest films ever made“. Gesehen habe ich ihn dann aber erst acht Jahre später, nämlich als er im Oktober 1995 einmal auf ARTE gezeigt wurde. Der Vorspann von ARTE verkündete zudem: „Der folgende Film könnte das moralische Empfinden einiger Zuschauer verletzen.“ Es schien also eine vielversprechende Anderhalbstunde zu werden.
Was im weiteren Verlauf des Abends mit mir geschehen ist, weiß ich heute nicht mehr genau. Nur noch, dass ich nach dem Sehen von „Eraserhead“ wie paralysiert dagesessen habe – und mich eigentlich bis heue nicht von dieser Erfahrung „erholt“ habe. „Eraserhead“ war meine erste Begegnung mit David Lynch und führt mit dazu, dass ich das Studienfach wechselte, mich später umfangreicher mit seinem Werk auseinander setzte, mehrere Seminararbeiten über Lynch (natürlich auch eine über „Eraserhead“) schrieb und schließlich sogar meine Abschlussarbeit über das postmoderne Kino David Lynchs anfertigte und als Buch veröffentlichte. Und angefangen hatte das mit „Eraserhead“.

Was passiert: Henry Spencer (John „Jack” Nance) lebt allein in einer Industriesiedlung. Sein Alltag ist grau und einzig seine Fats Weller-Platten verschaffen seiner trostlosen Existenz Abwechslung. Henry ist verlobt mit Mary X (Charlotte Stewart), doch die beiden haben sich schon länger nicht gesehen. Eines Tages erhält Henry von seiner Nachbarin eine Nachricht, in der er zum Abendessen bei Familie X eingeladen wird. Er folgt der Einladung und erlebt ein groteskes Schauspiel: Die synthetischen Hühnchen, die der Vater (Allen Joseph) auftischt, beginnen beim Tranchieren zu zappeln und zu bluten, Mary bekommt einen epileptischen Anfall und Mutter X (Jeanne Bates) fragt Hery, ob er Mary geschwängert habe, bevor sie den völlig verstörten Gast schließlich sexuell attackiert. Henry erfährt: Mary hatte eine Frühgeburt, von der man noch nicht genau weiß, ob es überhaupt ein Kind ist. Henry soll Mary heiraten. SCHNITT. Henry, Mary und das “Kind” leben zusammen in Henrys kleiner Wohnung. Der Nachwuchs erinnert tatsächlich mehr an einen Wurm mit dem Kopf eines gehäuteten Kaninchens als an ein Kind: Sein Körper hat keine Extremitäten und ist (außer dem Kopf) komplett mit Mullbinden bandagiert. Das scheinbar hilflose Wesen nervt seine Mutter, indem es konsequent die Nahrung verweigert und beständig wimmert. Mary verliert schließlich eines Nachts die Nerven, verlässt Henry und das „Kind“ und kehrt zu ihren Eltern zurück. Nun ist Henry mit dem Kind ganz allein und hat genau die selben Probleme mit ihm. Als der Sproß schließlich sogar krank wird und sich immer sonderbarer verhält, beschließt Henry mit einer Schere das Geheimnis seines Mullverbandes zu lüften ...

„Eraserhead“ ist der erste Langfilm David Lynchs, den er – frisch von der Universität gekommen – 1970 mit ein paar Freunden und minimalstem Budget auf dem Gelände des AFI (American Film Institut) in fast 7-jähriger Arbeit erstellt hat. Lynch war während der Produktion von „Eraserhead“ psychisch extrem instabil und oft davor, alles hinzuwerfen oder das Projekt komplett zu ändern, erreichte jedoch sein Ziel. „Eraserhead“ wurde sofort gebührend aufgenommen. Zwar stellte man den Film immer noch mit Lynchs surrealistischem Experimentalfrühwerk („The Alphabet“ und „The Grandmother“) in Verbindung, erkannte aber das „Spielfilm“-Potenzial. Und „Eraserhead“ war es dann schließlich, der Mel Brooks dazu bewegte, mit Lynch zusammen seinen „Oskar“-prämierten Durchbruchfilm „Der Elefantenmensch“ (1980) zu produzieren.

„Eraserhead“ hat selbst nach fast einem Vierteljahrhundert nichts von seiner visionären Kraft verloren. Der Film ist extrem dicht, und stellt ein undurchdringliches, hyperästetisiert-surrealistisches Manifest dar, das sowohl Referenzen zur Kunstgeschichte anstellt (Francis Bacon) als auch eine Fortführung des surrealistischen Kinos der 20er Jahre versucht (zahlreiche Vergleiche mit Bunuels/Dalis „Un Chien Andalou“ belegen dies). Und doch ist „Eraserhead“ genau wie jeder spätere Film Lynchs wesentlich mehr: Er konfrontiert den Betrachter mit zugleich bedeutungsschwangeren und inhaltsleeren Bildern und Tönen. Er lässt keine vollständig nachvollziehbare Interpretation zu, weil er selbst auf allen Ebenen zutiefst „irrational“ ist. Das macht ihn zu einem typischen Vertreter des Lynch’schen Oevres, auch wenn „Eraserhead“ keineswegs dem postmodernistischen Programm der späteren Werke Lynchs zurechenbar ist. „Eraserhead“ bilded „a Genre of One“, wie der Rezensent Ray Wolfe über ihn schrieb, ist aber auf jeden Fall ein Film, der durch seine Undurchdringlichkeit nichts an Interesse einbüßt. Dass „Eraserhead“ jetzt wieder im Kino zu sehen ist, ist ein großes Glück. Denn gerade im Dunkel des Kinosaals kommen die verstörenden Bilder voll zur Geltung. Und dort kann man sich von Henry Spencers Erlebnissen ebenfalls paralysieren lassen und erlebt – wenn man Glück hat und den Film noch nicht kennt – vielleicht das, was ich seit 1995 durchmache.

(Stefan Höltgen)

(Über „Eraserhead“ habe ich eine längere Online-Arbeit publiziert: http://www.hoeltgen.org/stefan/papers.html#uni)

Buena Vista Social Club

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Buena Vista Social Club

20.05.2001

Als einem der Popkultur abgewandten Liebhaber des guten alten "Neuen Deutschen Films" war mir natürlich nicht bekannt, welche Band seinerzeit beim Start von "Buena Vista Social Club" die Verkaufscharts des Plattenhandels anführt. So erschien mir Wim Wenders' aktueller Film denn auch nur ein weiteres interessantes Filmexperiment eines der letzten wirklich aktiven Filmemacher aus jener Zeit, in der Schlöndorff, Kluge, Herzog, Straub und Fassbinder noch gutes deutsches Kino boten.

Wenders hatte sich in vergangenen Jahren immer wieder als Apologet des postmodernen Films hervorgetan. Gerade in Filmen wie "Aufzeichnungen zu Kleidern und Städten" oder "Tokyo Ga" bewies er Gespür dafür, wie man als Dokumentarfilmer mit den Mitteln des Mediums Film (oft im Kontrast zum Medium Video) dessen Möglichkeiten darstellen kann, ohne wirklich in die Untiefen des Experimentalfilms abzurutschen. Und immer hatte ich dabei das Gefühl, dass die Arbeit mit 35mm für Wenders die bestimmende war. Machte er doch stets deutlich, wie vergänglich das Video war, wie unästhetisch, wenn es von den Monitoren fort auf die große Leinwand gezerrt wurde. In "Buena Vista Social Club" verwunderte mich deswegen am stärksten darüber, dass er ausschließlich mit Video (Sony Digital Camcorder) vorging. Die Bilder, die er von Kuba, New York und Amsterdam einfängt, bekommen daher etwas Urlaubsvideohaftes - gewollt oder nicht. Und in Einklang mit der Urlaubsvideoästhetik wird dann auch eine Geschichte von alten Menschen und ihrer Liebe zu Kuba und zur kubanischen Musik erzählt, die sich des Pittoresken eines Urlaubsfilms nicht zu erwehren vermag. In Fahrten die langen Straßen Havannas und New Yorks entlang, immer um das jeweils erzählende Bandmitglied herumwuselnd und nebenher mit einem flinken Blick die ökonomischen Missstände (in Form verbeulter Autos und verfallener Häuser) erhaschend, versucht Wenders, die Geschichten aus alten Tagen, die die Menschen der Kamera erzählen, zu bebildern. Er schreckt dabei nicht einmal vorm Schnulzigen zurück. So ist der Film natürlich durchsetzt mit den Musikclips der Soneros-Band, abwechselnd im Studio oder beim Live-Auftritt in New York. Der Schnitt, mit dem solche Szenen mit besagten Urlaubsvideos und Frontalen auf die Musiker verbunden werden, ist hinreichend bekannt aus den Star-buhlenden Dokumentarfilmen von MTV, RTL und anderen Sendern, die vorgeben, zu informieren, aber hinterrücks beweihräuchern. Dem kann sich wohl selbst ein Wim Wenders nicht entziehen.

Dabei ist das Objekt seiner Begierde - eben die Band - ja tatsächlich ein Kuriosum. Die Musiker schienen längst vergessen, als Ry Cooder (der heimliche Hauptdarsteller des Films, der für Wenders in zahlreichen Filmen den Soundtrack stellte) von einem New Yorker Produzenten die Idee bekam, eine Platte mit kubanischer Musik aufzunehmen. Der Film versucht nun, die Geschichte der mittlerweile superpopulären Band nachzuerzählen: Wie Cooder jeden einzelnen aufgespürt hat, wie die Musiker zu dieser Art der Musik gekommen sind, was sie mit ihren Instrumenten und miteinander verbindet. Und ganz nebenbei gefriert "Buena Vista Social Club" zum Geschichts-(erzählenden) Video, geeignet für den Einsatz im Musikunterricht. Wenders versucht zu verschweigen, dass er aus der Gegenwart heraus die Gegenwart filmt und eben nicht die Vergangenheit. Das zeigt sich selbst am Ausblenden des Politischen auf Kuba. Nur ganz am Anfang und am Ende werden wir mit den Namen Castro und Guevara konfrontiert und bekommen verblichene Slogans wie "Die Revolution wird ewig währen" auf Häuserwänden zu Gesicht. Bei mir hat das funktioniert, denn mir war die Band bis dahin unbekannt und ich wähnte mich tatsächlich in einem Entdecker-Video. Auch kannte ich bis dahin keiner der Songs und konnte mich daher unvoreingenommen auf die Musik einlassen.

Ob das hingegen auch bei Zuschauern funktioniert, die keine Pop-Dinos sind, ist fraglich. Alles in allem würde ich "Buena Vista Social Club" gern unterstellen, dass er kein Wenders-Film ist. Das so typische Intellektuelle im Umgang mit Sujet und Bildern fehlt völlig. Zu eindimensional bleibt das Gezeigte und kostet zu sehr den Effekt aus.

(Stefan Höltgen)

Der Exorzist

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Der Teufel im Detail

25.04.2001

Es ist schon bemerkenswert, dass ein Film fast 30 Jahre nach seinem Erscheinen und zahlreicher Video- und TV-Auswertung immer noch im Stande ist, Zuschauer ins Kino zu locken. Und gerade wenn es sich dabei um einen Horrorfilm handelt, muss dem modernen Publikum schon einiges geboten werden, damit es angesichts anderer blutrünstiger Streifen nicht ins Gähnen verfällt.

Bei "Der Exorzist" mag wohl zweierlei das Interesse geweckt haben: zunächst der "Mythos" um einen Film, der 1973 für großes Aufsehen gesorgt hat und den nicht wenige Zuschauer schlecht verkraftet haben (ich erinnere mich an zeitgenössische BILD-Meldungen von Suizidversuchen nach dem goutieren des Films!). Das dürfte diejenigen Zuschauer angelockt haben, die den Film noch nicht kennen. Daneben sollten aber vor allem die im Nebentitel "Director's Cut" suggerierten zusätzlichen Szenen den durch die Horrorfilmgeschichte exorzierten Fan noch einmal ins Kino locken. Und gerade diese Szenen, die in den Teasern Monate vorher schon blitzartig vorüber zuckten, füllten schließlich die zweite Hälfte des Kinosaals. Szenen sollten es sein, die man damals nicht hatte zeigen dürfen um der Pietet der 70er Jahre nicht zu viel zuzumuten. Szenen, die die Gesamtaussage des Filmes noch einmal vollständig umkrempeln sollten.

Die kleine Regan (Linda Blair) lebt mit ihrer Mutter Chris (Ellen Burstyn) und einer Haushälterin nahezu allein in einer Londoner Wohnung. Der Vater lässt sich nie blicken und ruft nicht einmal zum Geburtstag der Tochter an. Das Verhältnis von Tochter und Mutter ist jedoch ungetrübt und freundschaftlich. Doch ist die Mutter aufgrund ihres Berufs (Schauspielerin) oft gezwungen, Regan allein zu lassen. So nimmt sie zunächst kaum Kenntnis von Regans sich nach und nach änderndem Verhalten. Die Kleine frappiert ihre Umgebung mit Verbalinjurien und Taten, die ihre Mutter schließlich glauben machen, dass Regan ein ernstes psychisches Problem hat. Regan durchläuft daraufhin den schmerzhaften Weg der klinischen Diagnostik - jedoch ohne dass die Ärzte einen Anhaltspunkt für ihr immer sonderbareres Verhalten finden. Als Regan schließlich vollständig apathisch wird und zudem beginnt sich auch äußerlich zu verändern, sucht ihre verzweifelte Mutter letzte Hilfe bei Pater Damien (!) Karras (Jason Miller). Der mit seinem Glauben hadernde Geistliche zögert zunächst, überzeugt dann jedoch seine Kirche eine Exorzismus an Regan durchführen zu lassen. An der Seite von Pater Merrin (Max von Sydow) versucht er Regan von ihrem Dämon zu befreien. Eine schwere Prüfung für seinen Glauben, den er dadurch wiederzufinden hofft.

Was zunächst als recht oberflächlicher (und zudem stellenweise dramaturgisch inkonsequenter) Horrorfilm daherkommt, offenbart recht bald sein eigentliches Potenzial. Nicht zuletzt will "Der Exorzist" als Allegorie auf die sekularisierte Moderne verstanden werden: die Auflösung von Ehe und Familie, die Schwierigkeit - selbst für einen Geistlichen wie Pater Karras - zur Metaphysik zu stehen und "einfach zu glauben". Die fortschrittlichen Verhaltensweisen der modernen Gesellschaft stoßen in "Der Exorzist" auf das archaische Zerrbild des Bösen schlechthin, das darüber hinaus auch noch die Unschuld in Form des Kindes infiziert und damit die Frage nach dem "Warum?" noch stärker akzentuiert.

Sicherlich: Eine derart kulturkritische Auslegung dieses 30 Jahre alten Films verliert (zumindest für Kulturkritiker) nie ihre Aktualität: Was sich 1973 vielleicht als "böses Omen" ausnahm - die zerstörte Familie, die Agonie des Glaubens oder die Dekadenz der Gesellschaft - hat sich heute vielfach ausformuliert. Aber gerade diese "versöhnlichere" (filmdienst) Fassung des Exorzisten will sich der rein pessimistischen Auslegung entgegenstellen. Die 11 zusätzlichen Minuten präsentieren nämlich nicht allein Spezialeffekte, die damals tabuisiert waren, sondern formen die Erzählung von "Der Exorzist" auch geschickt um.

Technisch aufpoliert liefert uns "Der Exorzist"-Director's-Cut ein utopisches Bild aus den 70er Jahren und gleichzeitig einen Horrorfilm, der damals Maßstäbe gesetzt hat, den jedoch das Genre mit seinem Übertreffungswahn an "Thrill, Blood & Guts" selbst zu verschlingen drohte. Die Wiederveröffentlichung stellt sich dem Vergessen des Klassikers nicht nur erfolgreich entgegen, sondern könnte auch dazu führen, dass andere alte Filme, die vielleicht ebenfalls nicht das Prädikat "Kulturgut" für sich beanspruchen dürfen, restauriert, überarbeitet und ergänzt, auf jeden Fall aber wieder gesehen werden.

(Stefan Höltgen)

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