Eraserhead
USA 1976, Laufzeit: 90 Min.
Regie: David Lynch
Darsteller: John Nance, Charlotte Stewart, Allen Joseph, Jeanne Bates, Jack Fisk
Mein bester Alptraum
heine (6), 21.10.2004
Ich war gerade 17 als ich ihn das erste Mal sah. Das nächste Mal war ich 32 Jahre alt. Der Film hat nichts - aber auch gar nichts - an Intensität verloren in diesen Jahren. Er hinterläßt Dich genauso klein - wie Du Dich in Deinen schlimmsten Träumen fühlst. Die ganze Welt wird völlig absurd, und Du bist der Einzige, der es so empfindet.
Dieser Film ist so unbeschreibbar wie eben ein Traum, den Du den ganzen Tag mit Dir herumträgst: wenn Du versuchst, jemandem davon zu erzählen, fehlen Dir die Worte für die Stimmung in der er Dich hinterläßt.
Freud ist dagegen ein Schulmädchen.
tja, was soll ich jetzt noch schreiben...
yoerk (103), 28.09.2003
...alles was man wissen muss ist ja bereits sehr ausführlich weiter unten erklärt. und zwar von jemandem, der anscheinend etwas davon versteht. alle die den film gesehen haben, wissen, dass man ihn nicht "erklären" oder "interpretieren" kann. er ist was er ist und das auf eine geniale und einzigartige weise. da er heute im metropol läuft, empfehle ich jedem sich um 21.30 uhr dort einzufinden, um sich verstören zu lassen. zumindest diejenigen, die eraserhead noch nicht gesehen haben, sollten sich es nicht entgehen lassen, diesen film im kino sehen zu können.
Darkness falls ...
Max.Renn (8), 20.05.2001
Es geschieht einem wohl nicht oft, dass man behaupten kann, ein Film habe das eigene Leben verändert oder doch zumindest auf dessen weiteren Verlauf wesentlichen Einfluss genommen. Von David Lynchs „Eraserhead“ kann ich das jedoch ohne Weiteres Behaupten: Ich erinnere mich, dass ich das erste Mal auf diesen Titel 1987 in der damaligen Szene-Zeitschrift „Wiener“ gestoßen bin. Diese kürte „Eraserhead“ nämlich seinerzeit zu einem Vertreter der „100 strangest films ever made“. Gesehen habe ich ihn dann aber erst acht Jahre später, nämlich als er im Oktober 1995 einmal auf ARTE gezeigt wurde. Der Vorspann von ARTE verkündete zudem: „Der folgende Film könnte das moralische Empfinden einiger Zuschauer verletzen.“ Es schien also eine vielversprechende Anderhalbstunde zu werden.
Was im weiteren Verlauf des Abends mit mir geschehen ist, weiß ich heute nicht mehr genau. Nur noch, dass ich nach dem Sehen von „Eraserhead“ wie paralysiert dagesessen habe – und mich eigentlich bis heue nicht von dieser Erfahrung „erholt“ habe. „Eraserhead“ war meine erste Begegnung mit David Lynch und führt mit dazu, dass ich das Studienfach wechselte, mich später umfangreicher mit seinem Werk auseinander setzte, mehrere Seminararbeiten über Lynch (natürlich auch eine über „Eraserhead“) schrieb und schließlich sogar meine Abschlussarbeit über das postmoderne Kino David Lynchs anfertigte und als Buch veröffentlichte. Und angefangen hatte das mit „Eraserhead“.
Was passiert: Henry Spencer (John „Jack” Nance) lebt allein in einer Industriesiedlung. Sein Alltag ist grau und einzig seine Fats Weller-Platten verschaffen seiner trostlosen Existenz Abwechslung. Henry ist verlobt mit Mary X (Charlotte Stewart), doch die beiden haben sich schon länger nicht gesehen. Eines Tages erhält Henry von seiner Nachbarin eine Nachricht, in der er zum Abendessen bei Familie X eingeladen wird. Er folgt der Einladung und erlebt ein groteskes Schauspiel: Die synthetischen Hühnchen, die der Vater (Allen Joseph) auftischt, beginnen beim Tranchieren zu zappeln und zu bluten, Mary bekommt einen epileptischen Anfall und Mutter X (Jeanne Bates) fragt Hery, ob er Mary geschwängert habe, bevor sie den völlig verstörten Gast schließlich sexuell attackiert. Henry erfährt: Mary hatte eine Frühgeburt, von der man noch nicht genau weiß, ob es überhaupt ein Kind ist. Henry soll Mary heiraten. SCHNITT. Henry, Mary und das “Kind” leben zusammen in Henrys kleiner Wohnung. Der Nachwuchs erinnert tatsächlich mehr an einen Wurm mit dem Kopf eines gehäuteten Kaninchens als an ein Kind: Sein Körper hat keine Extremitäten und ist (außer dem Kopf) komplett mit Mullbinden bandagiert. Das scheinbar hilflose Wesen nervt seine Mutter, indem es konsequent die Nahrung verweigert und beständig wimmert. Mary verliert schließlich eines Nachts die Nerven, verlässt Henry und das „Kind“ und kehrt zu ihren Eltern zurück. Nun ist Henry mit dem Kind ganz allein und hat genau die selben Probleme mit ihm. Als der Sproß schließlich sogar krank wird und sich immer sonderbarer verhält, beschließt Henry mit einer Schere das Geheimnis seines Mullverbandes zu lüften ...
„Eraserhead“ ist der erste Langfilm David Lynchs, den er – frisch von der Universität gekommen – 1970 mit ein paar Freunden und minimalstem Budget auf dem Gelände des AFI (American Film Institut) in fast 7-jähriger Arbeit erstellt hat. Lynch war während der Produktion von „Eraserhead“ psychisch extrem instabil und oft davor, alles hinzuwerfen oder das Projekt komplett zu ändern, erreichte jedoch sein Ziel. „Eraserhead“ wurde sofort gebührend aufgenommen. Zwar stellte man den Film immer noch mit Lynchs surrealistischem Experimentalfrühwerk („The Alphabet“ und „The Grandmother“) in Verbindung, erkannte aber das „Spielfilm“-Potenzial. Und „Eraserhead“ war es dann schließlich, der Mel Brooks dazu bewegte, mit Lynch zusammen seinen „Oskar“-prämierten Durchbruchfilm „Der Elefantenmensch“ (1980) zu produzieren.
„Eraserhead“ hat selbst nach fast einem Vierteljahrhundert nichts von seiner visionären Kraft verloren. Der Film ist extrem dicht, und stellt ein undurchdringliches, hyperästetisiert-surrealistisches Manifest dar, das sowohl Referenzen zur Kunstgeschichte anstellt (Francis Bacon) als auch eine Fortführung des surrealistischen Kinos der 20er Jahre versucht (zahlreiche Vergleiche mit Bunuels/Dalis „Un Chien Andalou“ belegen dies). Und doch ist „Eraserhead“ genau wie jeder spätere Film Lynchs wesentlich mehr: Er konfrontiert den Betrachter mit zugleich bedeutungsschwangeren und inhaltsleeren Bildern und Tönen. Er lässt keine vollständig nachvollziehbare Interpretation zu, weil er selbst auf allen Ebenen zutiefst „irrational“ ist. Das macht ihn zu einem typischen Vertreter des Lynch’schen Oevres, auch wenn „Eraserhead“ keineswegs dem postmodernistischen Programm der späteren Werke Lynchs zurechenbar ist. „Eraserhead“ bilded „a Genre of One“, wie der Rezensent Ray Wolfe über ihn schrieb, ist aber auf jeden Fall ein Film, der durch seine Undurchdringlichkeit nichts an Interesse einbüßt. Dass „Eraserhead“ jetzt wieder im Kino zu sehen ist, ist ein großes Glück. Denn gerade im Dunkel des Kinosaals kommen die verstörenden Bilder voll zur Geltung. Und dort kann man sich von Henry Spencers Erlebnissen ebenfalls paralysieren lassen und erlebt – wenn man Glück hat und den Film noch nicht kennt – vielleicht das, was ich seit 1995 durchmache.
(Stefan Höltgen)
(Über „Eraserhead“ habe ich eine längere Online-Arbeit publiziert: http://www.hoeltgen.org/stefan/papers.html#uni)
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