Die Fabelmans
USA 2022, Laufzeit: 151 Min., FSK 12
Regie: Steven Spielberg
Darsteller: Gabriel LaBelle, Michelle Williams, Paul Dano
>> www.upig.de/micro/die-fabelmans
Falscher Film
Matt513 (266), 26.03.2023
O nein, nach einer Viertelstunde reift in mir die unangenehme Erkenntnis, die ich stets vermeiden möchte - der diesmal ausgewählte Film ist nichts für mich. Von Spielbergs großem Können hatte ich mich blind anlocken lassen und sitze nun da, es gefällt mir überhaupt nicht und ich überlege sogar zu gehen.
Man reibt sich die Augen; Spielberg führte Regie, schrieb am Drehbuch mit und heraus kommt solch ein belangloses, wenig mitreißendes Ergebnis? Die ersten 30 bis 45 Minuten des Films konnte man im Großen und Ganzen vermieden haben. Teils fiktionalisiert erzählt Spielberg von seiner Jugend, als ob er der Öffentlichkeit vollkommen unbekannt wäre. Das, was die Kinowelt über einen ihrer ganz Großen eh weiß bzw. vermutet, wird fürchterlich bemüht ausgebreitet, schön bunt, cineastisch makellos, und mit teils unerträglichen Dialogen garniert. Die Familie auf dem Heimweg zu ihrem Domizil, das in der Straße als einziges nicht mit dieser kitschigen Weihnachtsbeleuchtung beladen ist. Sohnemann spricht etwa so; 'unseres ist das dunkle ohne Lichter' und als er sich dieselbe Weihnachtsbeleuchtung wünscht, entgegnet Vater Fabelman 'wir sind Juden. Wir pflegen diese Tradition nicht'. Hach, ja, so dieser Hinweis auf Spielbergs jüdische Herkunft überhaupt notwendig war, konnte man das nicht etwas eleganter rüberbringen?
Da es bekanntermaßen nicht leicht ist, die soziale Chemie einer Familie, zudem über längere Zeiträume, fürs Kinopublikum einzufangen, verlegt sich Spielberg darauf, ihre Mitglieder lieber Konzentrate, also eingedampfte Sinnsprüche aufsagen zu lassen, was aber unweigerlich ins Pathos führt. Ein Onkel schaut vorbei und warnt den jungen Sammy, Spielbergs alter ego, vor den Gefahren der Kunst. Gerade wie ein Wächter am Tor zum Hades. Vermutlich wollte Spielberg uns hier seine emotionale Reise, nein, war ganz gewiß kein Zuckerschlecken, hin zu seiner Bestimmung als Filmemacher illustrieren. Andere Augenblicke sind da viel gelungener; Sammy mit seinen Eltern im Kino und zu sehen gibt es ein schweres Zugunglück. Dies läßt Sammy nicht mehr los, bis er es mit Super 8-Kamera und Modelleisenbahn im Keller wieder und wieder nachstellt. Solch ein Initialerlebnis nimmt man ihm ab. So könnte es gewesen sein. Also warum nicht viel mehr Akzent darauf? Warum läßt er diese Chance wieder durch die Finger gleiten? Wenn er sich stattdessen für die Erzählung vieler Dinge daneben entschied, so der Konflikt zwischen den ungleichen Eltern und anderen oder seine harte Zeit an der Highschool, hätten die Charaktere viel besser geschrieben sein müssen. Derselbe Film mit dem heranwachsenden Fabelman im Fokus, wie er die Welt eben mit den Augen wahrnimmt, die die Kinowelt Jahrzehnte später verzaubern werden, wie sein Sinn, das Außergewöhnliche im Alltäglichen aufzudecken, sich entwickelte, wäre interessanter und aufwühlender gewesen. Wenn Spielberg etwas beherrscht, dann Filme über Kinder mit ihrem besonderen, kindlichen Blick auf die Welt.
Stattdessen fand ich, verharrt er unfokussiert in Oberflächlichem und plätschert quälend dahin. Vielleicht hätte statt Spielberg daher der Regisseur den Film dirigieren sollen, dessen Werk für schräge Innenansichten seiner Charaktere bekannt ist, der hier indes nur einen kurzen, aber erfrischenden Geheimauftritt hat.
Von Spielbergs Filmen, die ich selbst angeschaut habe, dürfte dieser hier mit Abstand der schwächste gewesen sein. Nun auch langsam verständlich, warum er bei 7 Nominierungen ohne Oscar nach Hause geschickt wurde.
Kino als Empathie-Maschine
Warum wir Kino in Zukunft mehr brauchen denn je – Vorspann 01/25
Stark durch Solidarität
„Billige Hände“ im Filmhaus – Foyer 12/24
Übers Ankommen in Deutschland
„Zwischen Sein und Nichtsein“ von Leocadie Uyisenga – Film 12/24
Toleranz zum Jahresende
Mit Kino zu mehr Empathie finden – Vorspann 12/24
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
„Mir wurden die Risiken des Hebammenberufs bewusst“
Katja Baumgarten über ihren Film „Gretas Geburt“ – Foyer 11/24
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Schnitte in Raum und Zeit
Die 24. Ausgabe des Festivals Edimotion in Köln ehrt Gabriele Voss – Festival 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
Die hemmungslose Leinwand
Sexualität im Kino – Vorspann 10/24
„Zuhause sehnen wir uns nach der Ferne...“
Kuratorin Joanna Peprah übers Afrika Film Fest Köln – Festival 09/24
Afrikanisches Vermächtnis
Das 21. Afrika Film Festival widmet sich dem Filmschaffen des Kontinents – Festival 09/24
Kurzfilmprogramm in der Nachbarschaft
„Kurzfilm im Veedel“ zeigt Filme zu aktuellen Themen in Köln – Festival 09/24
Sorge um die Filmkultur
Veränderungen und Einsparungen stehen vor der Tür – Vorspann 09/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Volles Programm(heft)
40-jähriges Jubiläum der Internationalen Stummfilmtage Bonn – Festival 08/24
Sommer-Endspurt
Humor und Weltrettung für Jung und Alt – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Pssst!
Zu Spoilern, Prequels und Remakes – Vorspann 07/24
„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24