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Dogville

Dogville
Dänemark, Schweden, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Niederlande 2003, Laufzeit: 178 Min., FSK 12
Regie: Lars von Trier
Darsteller: Nicole Kidman, Harriet Andersson, Lauren Bacall, Jean-Marc Barr, Paul Bettany, Blair Brown, James Caan, Patricia Clarkson, Jeremy Davies, Ben Gazzara, Philip Baker Hall, Siobhan Fallon, John Hurt, Zeljko Ivanek

Meine Meinung zu diesem Film

beeindruckend....
isilisi (4), 24.03.2007

.....was Filme mit Menschen anstellen können!
Dogville ist besonders am Anfang sehr anstrengend, doch wenn man sich einmal an die minimalistische Kulisse gewöhnt hat und die ersten zwei Kapitel durchgesehen hat, lässt einen dieser Film nicht mehr los.
Zum Ende hin würde man am liebsten in den Fernseher springen und mitmischen.... so schnell lernt man die eigenen menschlichen Abgründe kennen.

Der Film muss von der Optik und vom Inhalt vielleicht nicht gefallen, aber es lässt sich nicht leugnen, dass er eine enorme Wirkung auf den Zuschauer hat. Außer "Das Experiment" fällt mir kein Film ein, bei dem ich mich so krass "in Rage schaue".

Probierts aus ! :)

Und checkt wahlweise auch den zweiten Teil Manderlay.
Der dritte wird irgendwie gerade gedreht oder so.

Beim Zappen...
Walter Sobchak (2), 08.11.2005

...bin ich gestern zufällig auf Dogville gestossen und hatte zum Glück schon wieder alle Rezensionen vergessen, die ich bei Filmstart darüber gelesen hatte. Womöglich hätte ich mir den Film sonst nicht angesehen und hätte einen unglaublich beeindruckenden Film verpasst. Niemals hätte ich geglaubt, dass ein so minimalistisch inszenierter Film so große Spannung und eindringliche Atmosphäre erzeugen kann.

Was wie ein naives Märchen beginnt, entpuppt sich mehr und mehr als eine durch und durch pessimistische Charakterstudie, die den Zuschauer verstört und komplett ohne Antworten zurück lässt. Denn dass Grace am Ende Rache übt und gar selbst zur Waffe greift, ist ganz sicher keine Befreiung, sondern nur eine von zwei gleichermaßen unerträglichen Alternativen (naja, vielleicht wäre die Alternative, nach Dogville zurück zu kehren udn alle Leiden klaglos zu ertragen, doch NOCH unerträglicher gewesen, s. Dancer In The Dark). Eine Problemlösung, falls überhaupt möglich, kann jedenfalls nur jeder für sich allein finden. Von Trier ist da mit seiner Inszenierung jedenfalls keine Hilfe.

Ist der Film drei Stunden lang?
Bruce_Wayne (73), 27.08.2005

Hab ich nicht gemerkt, da die dank der spannenden Story und der stetig wachsenden Beklemmung in nullkommanix rum waren. Aber war ja klar, wem das wieder zu lang sein würde - Jamba Monatspaket und Hakuna Matata sag ich nur... und zu blöd für die Shift-Taste!

Wie auch immer:

Ich hatte zuvor keinen Film des besagten Regisseurs gesehen und nix über den Film gehört und konnte mich so vorurteilsfrei begeistern lassen.
Die Form, die hier ja teils kritisiert wurde, fand ich ungemein passend und habe mich weder an der Handkamera noch an den theaterhaften Kulisse stören können, womit ich übrigens mit der Jury des Europäischen Filmpreises konform gehe.

Die Sprünge inmitten der Dialogszenen stellen hervorragend die Unbeständigkeit und Unbeharrlichkeit der Bewohner in Fragen des Geistes dar - es ist als würden sie nach jedem zweiten Satz ihre Gedanken von neu beginnen müssen.

Die kaum vorhandene Kulisse entblößt das Dorf und seine Bewohner zum einen und verleiht ihm zum anderen, gegensätzlich zu den hier herrschenden Meinungen, Trier hätte nur Amerika gemeint, einen höheren Abstraktionsgrad, ganz im Stile des Theaters, natürlich... What here shall miss, our toil shall strive to mend.
Die Bilder im Abspann verdeutlichen den Bezug zur Realität. Wer davon nicht weiterdenkt und bei dem Punkt stehenbleibt, Dogville symbolisiere nur Amerika, der ist ohnehin merkbefreit und diskussionsunwürdig.

Dogville eine einfache moralische Botschaft unterschieben zu wollen wäre gleichermaßen dumm, wie unangebracht. Die Kritik an der "Banalität des Bösen" oder dem schlechten Einfluss von Macht ("Power") auf charakterschwache Menschen, wird ja anhand der Einwohner Dogvilles deutlich gezeigt, jedoch bin ich der Meinung, dass das Ende noch wesentlich mehr Gedanken in sich birgt:
Graces Racheaktion ist ganz offensichtlich fragwürdig dargestellt: sie mutiert von der Relativistin, die alles toleriert, zum Racheengel, der Auge um Auge, Kind um Porzellanfigur mit tausendfacher Heftigkeit zurückschlägt, inspiriert dabei von einer sehr wortklauberisch geführten Diskussion über die Bedeutung von Arroganz. Diskussionspartner ist dabei ihr gnadenloser Vater, Anführer von Mördern und Gangstern.

Ich hoffe es ging nicht allen Zuschauern so wie den einigen, die uneingeschränkte Sympathie für Graces Rache aufwiesen, denn durch drastische Bilder, wie den Säuglingsmord, füttert Trier bittere Nebengeschmäcker in die von der Spannung so ersehnte Szene.

Die wankelmütige und trotzige Grace ist wohl eher Antiheldin, mit der der Regisseur sich uns perfide solidarisieren lässt und die uns endlich eine nur scheinbar einfache und saubere Lösung präsentiert.

Ich habe den Film, wie gesagt erst einmal gesehen, aber vielleicht ist ja jemand hier, der meinen Gedanken schon weiter gesponnen hat und mir ein wenig helfen will, Dogville ordentlich einzuordnen.

Schreibt mal was!

Weniger ist mehr...
otello7788 (554), 26.07.2005

Ich stehe den bisherigen Arbeiten des Herrn von Trier eher ablehnend gegenüber. Nach "Dancer in the dark" stand er sogar mal auf der persönlichen "no go" Liste. Das sehe ich seit kurzem anders.

Dogville ist brilliant, intelligent und verstörend. Vor allem bestätigt dieser Film, daß man mit einem guten Drehbuch und Dialogen schon auf der sicheren Seite ist. Das Weglassen der Architektur ist die perfekte Idee, den Geist dieses Ortes zu zeigen. Je kleiner ein Ort oft ist, desto mehr verschanzen sich seine Bewohner in Ihren "Burgen".Und das obwohl auf dem Dorf jeder alles vom anderen zu wissen glaubt. Folgerichtig kann man ja auch auf die Wände verzichten.

Die dritte Stunde des Films ist so beklemmend, wie ich es lange nicht mehr in einem Film erlebt habe. Keiner wird hier geschont, Abgründe tun sich auf. Auch der eigene Abgrund, denn über die Entscheidung von Grace am Ende, konnte ich eine gewisse Befriedigung verspüren. (und wir sind ja so zivilsiert...)

Nicht gerade der Film für den romantischen Abend zu zweit, aber anregend und verstörend. Wenn ein Film dies schafft, ist es zweifellos auch ein Kunstwerk.

www.das-positiv.de

Aufgepasst!!!
DerDickeA. (1), 15.03.2004

Ich wollte hier nur mal kurz und deutlich sagen, dass der Film in DURCHSICHTIGEN HÄUSERN auf einer Bühne OHNE KULISSEN spielt! In den ganzen suuuper Bewertungen stand nirgendwo, dass der Film quasi ein Theaterstück ist!! Also aufgepasst!!! Man kann bei diesem Film leicht einschlafen!!!

unglaublich!
miro279 (54), 09.03.2004

vielleicht der beste Film den ich je gesehen haben! Absolut genial!!!

Was für ein Film...!
bensi (120), 15.02.2004

Und was für eine Idee. Unglaublich faszinierend, tragisch, spannend. Und markant provokativ. So sehr mich das Ende auch geschockt hat, diese Frechheit ist bahnbrechend gut. LvT hat einen grausamen Film gedreht, aber er ist unverzichtbar. Stilistisch ein Meisterwerk. Aber ein Oscar wäre fehl am Platz. Das würde nicht zu diesem Film (und zum Oscar) passen.

Lasst es Oscars regnen!
torivonglory (14), 28.01.2004

Dieser Film ist ganz großes Theater.Im positiven Sinne.Wann hat man je die Chance, so viele phantastische Schauspieler (Wirklich jede Rolle wurde perfekt besetzt) auf der Bühne zu sehen?
In "Dogville"! So einen Film habe ich noch nie gesehen.Ich bin nach 2 Minuten der Eingewöhnung so in die packende Story eingetaucht, dass ich vergaß, wer und wo ich bin.Und was das für zuckrige weiße Dinger in meiner Hand waren...wollte ich das essen...?

SOFORT A N S C H A U E N !

Minimalismus trifft hohe Schauspielkunst
RDLA (6), 19.12.2003

Irgendwann in den 30ern. Irgendwo in einem Dorf den USA an einem Berg am Ende der Zivilisation. Genauer gesagt, heißt das Dorf Dogville und es führt nur eine Straße hinein und in dieselbe Richtung geht es auch wieder hinaus. Doch was kann man sich darunter vorstellen? Zuerst kommen einem bestimmt Worte wie Idylle, schöne Aussichten, Holzhäuser und Abgeschiedenheit in den Kopf. Einige dieser Wörter treffen auch auf Dogville zu. Doch gerade wenn es um die äußerlichen Dinge geht, kommt auch wieder die Vorstellungskraft des Kinobesuchers ins Spiel. Denn Lars von Trier überlässt die Örtlichkeiten zum größten Teil der menschlichen Phantasie. So bestehen die Häuser nur aus weißen Linien, die den Grundriss darstellen und im günstigsten Fall ein bis zwei Einrichtungsstücken. Und obwohl man keine Tür sieht, wird bei jedem Eintritt in ein Haus, die Klinke heruntergedrückt. Man mag die Häuser nicht wirklich sehen, aber es wird dem Zuschauer eindeutig vor Augen gehalten, dass sie da sind. Ebenso spartanisch ist die Darstellung der Tageszeiten. Am Tage ist das Dorf von einer weißen ?Grenze? umgeben, in der Nacht von einer Schwarzen. Auch die Filmmusik passt in diese Landschaft. Denn anders als in seinem letzten Werk ?Dancer in the Dark? gibt es in ?Dogville? nur minimalen und sehr dezenten Einsatz von Musik.
Was von Trier damit erreichen will scheint eindeutig. Weg von allem visuellen und volle Konzentration auf die Handlung und die Schauspieler. Doch der Sprecher aus dem Off macht es den Schauspielern nicht gerade einfach. Denn die Gefühle werden in erster Linie nicht durch Gestik und Mimik, sondern eben aus dem Off erläutert. Die Schauspieler müssen nun diese geforderte Gestik umsetzen. Dies mag nichts Neues sein, da ein Drehbuch die Mimik mit vorgibt. Aber einen gewissen Spielraum hat ein Schauspieler immer, doch genau dieser Spielraum wird ihm hier genommen. Und trotzdem oder gerade deshalb lebt der Film von den Schauspielern, allen voran Nicole Kidman. Sie spielt wie auch schon Björk in ?Dancer in the Dark? eine schwache, junge Frau, die sich gegenüber ihrem Umfeld durchsetzen muss, aber nicht kann. Die Geschichte ist ähnlich. Eine junge Frau kommt in das Leben des Dorfes und wird nachdem man sie angenommen hat von allen geliebt. Doch bestimmte Umstände wenden das Blatt und die Frau wird zum Opfer und ist nicht in der Lage sich zu wehren. Freundschaften stellen sich als falsch oder als nicht mächtig genug heraus. Dass es nicht langweilig wird, ein und dasselbe Thema immer wieder zu verfilmen, liegt zum einen an den unterschiedlichen Inszenierungsstilen, auch wenn die Handcam immer mit dabei ist, und auch an den unterschiedlichen Enden. Während ?Dancer in the Dark? ein doch sehr trauriges Ende mit einem gewissen Hoffnungsschimmer hat, so endet ?Dogville? auf den ersten Blick doch mir einer gewissen Genugtun für den Zuschauer. Doch sollte man vielleicht nach dem Ende nicht nur Genugtun empfinden, sondern auch noch ein paar Gedanken mehr an den Film verschwenden. Dann sollte einem doch auffallen, dass dieses Ende und noch mehr die Gefühle kritisch betrachtet und auch hinterfragt werden sollten.
Wer Lars von Trier Filme mag, sich von theatralen Kulissen und einer Filmdauer von drei Stunden nicht abschrecken lässt, sollte sich auf jeden Fall dieses Filmhighlight nicht entgehen lassen.

Die Welt wie sie ist.
deejay (111), 25.11.2003

Eine düstere Parabel, brutal zu verallgemeinern, da nicht nur amerikanisch, sondern menschlich im Sinne von: wie Menschen handeln, wie sie sind und wie sie sich etwas vormachen, wie sie gewinnen und scheitern, geopfert werden und andere opfern. Eine Art Endzeitvision, die bereits mit dem Aufkommen der Menscheit zur Realität wurde, die jeder von uns täglich verfeinert.

Von Trier verbindet in einzigartiger Weise die Stärken der Medien Theater und Film. Die Direktheit der Kommunikation, die wir auf der Bühne nur in der Totalen erleben können, wird mit dem Hilfsmittel Kamera ganz nah herangeholt und damit umso intensiver, tiefer.
Beeindruckend, kunstvoll und trotz des Engagements, der ungewohnten Bildsprache, des sprachlichen Gewichtes, kurzweilig.

Auch ich bin gespannt, was aus der USA-Trilogie wird. Vielleicht wird es doch eine Welttrilogie?

---


Mal was zum Lesen: www.einseitig.info

Film des Jahres?
calvin (27), 18.11.2003

Ich schließt mich Mönti an: das wird wahrschleinlich der Film des Jahres. Zumindest für die Besucher, die sich noch überraschen und verwirren lassen wollen -- und dafür auch etwas Leiden im Kinosessel in Kauf nehmen. Gnadenlosigkeit ist man gewöhnt von Lars von Trier. Aber wenn die schnell verfliegenden drei Stunden herum sind, steht man auf der Straße mit der Frage: Was ist Arroganz? Philosophisch attackiert geht man nach Hause; auch das bringen wenige Filme zustande. Nicole Kidman schaut man fasziniert zu und über Brechts Theater lohnt sich nocheinmal nachzudenken. Der enge Focus auf die USA hat mich gestört: Wäre das nicht überall möglich? Auf die Fortsetzung der "USA Trilogie" bin ich sehr gespannt.

Faszinierend ...
gutzi (182), 14.11.2003

... daß ein dreistündiger Film, der ohne Kulisse und sonstiges Drumherum auskommt, nicht eine Minute langweilt.Im Gegenteil, die Geschichte fesselt von der ersten bis zur letzten Einstellung, wobei ich persönlich finde, daß durch die verfremdete Darstellung eine gewisse Distanz zum Geschehen (und zum Leiden von Grace) bleibt. Ist vielleicht aber auch gut so, denn sonst wäre es wohl auch nicht zu ertragen gewesen.
Womit ich allerdings überhaupt nichts anfangen konnte: der Abspann mit den Aufnahmen aus Amerika und der Musik von David Bowie. Keine Ahnung, was das sollte. Dennoch ein großartiger Film mit tollen Schauspielern.

Interessant & arrogant
Babsel (9), 09.11.2003

Ja, das ist dieser Film in meinen Augen: interessant, experimentell, lang ohne Langeweile, kühl und distanziert, dabei nahe an den Menschen und sehr intim, auf engstem Raum universell, spielt im wahren Wortsinn auf "Brettern, die die Welt (be)deuten" - und von einer schier unglaublichen Arroganz!!! Es gibt die Arroganz der Macht, natürlich die der Moral, die Arroganz des Reichtums, aber ebenso die der Armut. Der gesunde Arzt, der auf krank macht, wirkt ebenso arrogant wie der Blinde, der so tut als sehe er. Die Männer vergewaltigen arrogant, die Frauen demütigen mit Arroganz. Sowohl Dummheit als auch Klugheit, selbst die Kindheit - alles kommt arrogant daher. Am Ende bekommt auch das Leiden arrogante Züge und die Rache ist es sowieso. Fast alle in diesem Film sind zugleich oder nacheinander Opfer UND Täter - und das voller Arroganz. Die einzigen Nur-Täter sind der gottähnliche Mafia-Vater ... und der Regisseur des Films! Da zeigt sich die eigentliche ARROGANZ, die auch noch eine Botschaft transportieren will - und das ist gelungen! Wer jetzt das Wort mit "A..." nicht mehr hören kann, sollte sich den Film ansehen - trotz allem sehr zu empfehlen! Sollte jede/r gesehen haben, behauptet die arrogante BABSEL

kunst - so sie diesen namen noch verträgt
witt (1), 09.11.2003

das genie ist zwar keine kategorie mehr. wo abgedroschenes zusammengekehrt wird, da findet man kein körnchen wahrheit. sondern nur noch die streu von binsenweisheiten wie "anything goes" und "trash is beautiful".
aber: von trier schafft es mit seinen filmen, die dringlichkeit moralischer fragen und die frage nach ästhetischer konsequenz bildhaft, originell und zugleich ironisch, und auf eine sehr eigenartige weise neu darzustellen. und deshalb möchte ich vorschlagen, ihn doch - ausnahmsweise - zu einem genie zu erklären. denn auch in seinem neuesten film dogville findet man nichts abgenutztes, nichts langweiliges. sondern ein unglaublich komplexes, romantisch geniales gebilde.
meisterhaft (man entschuldige dieses etwas antiquierte wort), den kinoverbildeten zuschauer 178 minuten lang mit einer einerseits eigensinnigen ästhetik, andererseits scheinbar veralteten, alttestamentarischen moralproblemen zu konfrontieren, ohne ihn auch nur eine minute zu langweilen. experimentelle kunst des eigensinns, wie sie in der moderne zum standard geworden ist, tendiert dazu, ein gefühl des überdrusses beim betrachter zu erzeugen. von trier erfindet etwas, das ein neuer, aufregender standard werden könnte: die spannung gegen den terror der beliebigkeit. seine kategorien sind, so merkwürdig das erscheint, die der tradition, kategorien der vormodernen religion und der vorpostmodernen kunst. und er verweist darauf ohne rücksicht. keine gnade für zeitgenössische bequemlichkeiten, denn er schont nicht - wohl mit genuss - die sicheren einsichten in die vergeblichkeit oder das gelingen sowohl moralischer als auch ästhetischer anstrengungen. das unterscheidet ihn übrigens deutlich von tarantino, der sich im gegensatz zu trier in ironischen pirouetten mit hilfe antibürgerlicher gewaltinszenierungen auf amerikanisch amüsante art dem ergibt, dem er kampf angesagt zu haben vorgibt: dem moralisch und ästhetisch scheiterndem mainstream. trier führt seinen unnachgiebigen kampf ohne bitterkeit, sondern mit einer beeindruckenden, mikroskopisch genauen mischung aus ironie und ernsthaftigkeit. einfach erstaunlich, wie er spiel, experiment, wagnis mit unerbittlichkeit, tragik, tiefe verbindet.
das ist große kunst. schaut euch diesen film einer seltenen haltung an. von so etwas möchte ich mehr sehn. nicht nur im film.

GENIAL
picco (85), 05.11.2003

mich stört nur die schangelige handkamera, die nicht nötig gewesen wäre.
das tolle ist, dass der film überhaupt nicht klaustrophobisch ist. die gezeigten charaktere sind dermassen alltäglich, dass man sich über sie nicht aufregt und sie einem auch keine angst einjagen. man kennt sie alle persönlich sozusagen.
eine wunderbare blosslegung der dummheit vom grössten teil der weltbevölkerung: wichtiger satz zu beginn: die sollen ihre demokratie ohne uns machen. und dann lassen sich die schrecklich alltäglichen dummbratzen doch von einem verlogenen schwätzer (die namenswahl thomas edison finde ich klasse..) einreden, wie sie am besten mit der für sie neuen situation umgehen sollen.
das schwein ist tom, nicht wirklich die vergewaltiger.
Wunderbar: gangstervaters monolog über arroganz.
und befreiend natürlich: EINMAL wenigstens werden alle alle alle arschlöcher auch bestraft. herrlich.
ich wünsche mir so einen vater (hähähä).
beste schauspielerische leistung: mit welcher geballten wut die familienmutter die porzellanfiguren zerdeppert. sie macht das dermassen intensiv, dass man ihr den hass auf ihren mann, ihre blagen und ihr leben 120% abnehmen kann.

ausserdem: dass da kaum kulissen sind, hat nix mit theater zu tun, sondern mit der blosslegung der archetypen. sie sind nämlich alle dermassen platt und durchsichtig, dass man sie eigentlich zu ihrem eigenen schutz hätte hinter kulissen verstecken müssen. diese gnade wird ihnen nicht gegönnt.

und der erzähler ist gut geschrieben und gut gesprochen.

sollte man mindestens dreimal sehen.

Highlight
anselm selbstlos (11), 01.11.2003

LvT benutzt wiedermal ein moralisches Thema, zu dem er dann doch nichts zu sagen hat, um damit wiedermal starkes Stück Kino abzuliefern.
Gott sei dank hat er die Geschichte stilistisch verfremdet. Realistischer erzählt, wie z.B. "Breaking the waves", wäre die zweite Hälfte des Films wahrscheinlich nicht zu ertragen gewesen.

Sollte man unbedingt gesehen haben.

Interessant und geschwätzig
Colonia (683), 27.10.2003

Ein zweifelsohne interessantes Experiment. Aber was will es mir sagen? Und warum braucht Lars von Trier wieder mal drei Stunden dafür?

Worum geht es? Darum, dass Menschen grausam sind? (Ist bekannt.) Um Demütigung, um nicht nachvollziehbare Leidensfähigkeit (Grace = Gnade)? Um Arroganz? Und was ist die Moral? Bin ich schlecht, weil ich mir diesen Ausgang der Geschichte gewünscht, ja nachgerade herbeigesehnt, habe?

Ich bin gänzlich hingerissen von den Schauspielern (Kidman in ihrer eindrucksvollsten Rolle und alle anderen glänzen), der Optik und der Idee, dem ganzen einen Theater-Look aufzudrücken. Ja, es ist nur ein Look, ein Theaterzitat bestenfalls. Es ist nicht abgefilmtes Theater. Es fehlt trotz Omnipräsenz der 17 Schauspieler die Totale, die der Zuschauer im Theater hat. Und selbst bei geringster Budgetierung gäbe es in jedem Theater doch so etwas wie eine Kulisse. So trifft der häufig gehörte Theater-Vergleich also in Wahrheit nicht zu.

Dennoch hat Lars von Trier mit "Dogville" das Kino wieder einmal ein Stückchen neu erfunden. Es ist kein Dogma-Film, hier ist nichts improvisiert und die Handkamera stört mich daher einmal mehr. Ebenso wie der Abspann mit den Fotos aus der amerikanischen Depressionszeit und dem holzhammermäßigen Verweis auf Amerika über David Bowies Song "Young American". Gerade, wo doch wohl allen klar geworden war, dass "Dogville" überall auf der Welt sein könnte. Weil Menschen überall so sind.

Der Film ist - wie eingangs bereits erwähnt - ein interessantes Experiment. Aber er ist auch ungeheuer geschwätzig. Es möge sich jeder ein eigenes Urteil bilden. Diskussionsstoff bietet "Dogville" jedenfalls reichlich.

Brecht, Bergman, Kidman
juggernaut (162), 27.10.2003

Kino als moralische(?) Anstalt mit einem abgefilmten Stück Theater. Das dauert dann schon mal drei Stunden. Allerdings stehen Theaterbesuchern keine Großaufnahmen auf die Gesichter zur Verfügung, mit denen Kameraleute schon einmal die weiblichen Stars ?umschmeicheln?, wie es die Filmkritik gerne ausdrückt. Und mehr als Lars von Trier, der auch hier wieder sein eigener camera operator ist, das schöne und ausdrucksvolle Gesicht von Nicole Kidman in einer ganzen Serie von Großaufnahmen ins Bild rückt, kann man einen Star kaum umschmeicheln. Aber das ist natürlich auch wieder nur ein fieser Trick von ihm, denn am Schluss wird aus der hingebungsvoll leidenden Heldin ein eiskalter Racheengel. Tja, eigentlich wollte ich ja nur schreiben: Nicole Kidman ist einfach hinreißend, ich liebe sie. Doch so einfach lässt von Trier einen natürlich nicht davonkommen.

Es ist nachvollziehbar, wenn Leute diesen anstrengenden und überlangen Film ablehnen. Und an die besten Arbeiten von Ingmar Bergman, an den mich der Stil von ?Dogville? streckenweise erinnert, reicht er auch nicht heran. Als Experiment finde ich es insgesamt aber schon sehenswert.

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