Ein Prophet
Frankreich, Italien 2009, Laufzeit: 155 Min., FSK 16
Regie: Jacques Audiard
Darsteller: Tahar Rahim, Niels Arestrup, Hichem Yacoubi, Gilles Cohen, Antoine Basler, Leila Bekhti, Adel Bencherif, Reda Kateb, Jean-Philippe Ricci
Ein junger Krimineller gedeiht hinter Gittern zum gerissenen Ganoven.
Malik El Djebena (Tahar Rahim) wird zu sechs Jahren Haft verurteilt. Da er gerade volljährig ist, warnt ihn sein Verteidiger schon einmal vor: „Du sitzt deine Zeit bei den großen Jungs ab“. Zu den großen Jungs gehört die korsische Mafiagruppe unter der Führung von Cesar Luciano (Niels Arestrup), der im Gefängnis die Strippen zieht und auch über die Mauern hinaus seinen kriminellen Geschäften nachgeht. Als für zehn Tage ein Kronzeuge in einer Einzelzelle untergebracht wird, erpresst Cesar Malik zum Mord. Zunehmend wird der junge Straftäter in die Machenschaften von Cesars Clan hineingezogen, ohne dass er von den Korsen als einer der ihren akzeptiert wird. Malik lernt, die Strukturen des Geschäfts hinter Gittern zu verstehen und nähert sich dabei auch den konkurrierenden Arabern an. Bis er zwischen den Fronten steht und seine eigenen Pläne schmiedet.
Ein Schicksalsdrama, ein Gefängnisthriller, ein Mafiafilm. Gemeinsam mit dem Zuschauer betritt ein junger, unbedarfter Krimineller die unbarmherzige Gefängniswelt. Kongenial verkörpert Tahar Rahim den Mann, dessen vorangegangene Tat im Dunklen bleibt. Sie tut auch nichts zur Sache: Malik erwächst erst im Gefängnis zum Kriminellen und professionalisiert sich dort. Ähnlich einem Michael Corleone, der erst unfreiwillig in die mafiösen Machenschaften seines Vaters verwickelt wird, um am Ende als der Pate dazustehen und als fragwürdiger Held. Ausgerechnet sein erstes Opfer inspiriert Malik dazu, sich hinter den Gefängnismauern fortzubilden: „Es geht darum, weniger dumm rauszukommen“, verrät der Kronzeuge noch fürsorglich seinem Mörder. Was folgt, erinnert dann an Akira Kurosawas „Yojimbo“, wenn Malik bei zwei Clans gleichzeitig anheuert und ein gefährliches Spiel beginnt.
„Ein Prophet“ ist dabei kein Hochglanzmafia-Epos. Regisseur Jacques Audiard ("Der wilde Schlag meines Herzens") liefert auch kein pures Zitatenkino, sondern ein hochspannendes Kriminellendrama, das Authentizität, Genrekonventionen und surreale Ausflüge in die Vorstellungswelt der Hauptfigur fließend vereint. Dabei reifen die stilistischen Mittel gemeinsam mit dem Helden: Am Anfang wird der Zuschauer Zeuge der dokumentarisch inszenierten Ankunft Maliks im Bau, einer derben, rauen Welt. Das Gefängnis selbst ist hier weniger die Strafe als die Zustände dort. Audiard inszeniert das schlicht und ungeschönt. Erst mit Maliks Bluttat erhält Alexandre Desplats Musik Einzug in den Film, der sich von nun an melodramatischer dem Schicksal seines Helden nähert. Melodisch sinfonisch und später auch unter Einbezug von Songs (Talk Talk, Sigur Ros) begleitet der Score Maliks neuen Lebensabschnitt, der keine Umkehr kennt. Der Einsatz von Musik, der gewandte Erzählrhythmus und die surrealen Elementen verleihen dem insgesamt um Authentizität bemühten Drama einen faszinierenden Sog, der zweieinhalb Stunden lang für spannende Unterhaltung sorgt.
(Hartmut Ernst)
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Schnitte in Raum und Zeit
Die 24. Ausgabe des Festivals Edimotion in Köln ehrt Gabriele Voss – Festival 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
Die hemmungslose Leinwand
Sexualität im Kino – Vorspann 10/24
„Zuhause sehnen wir uns nach der Ferne...“
Kuratorin Joanna Peprah übers Afrika Film Fest Köln – Festival 09/24
Afrikanisches Vermächtnis
Das 21. Afrika Film Festival widmet sich dem Filmschaffen des Kontinents – Festival 09/24
Kurzfilmprogramm in der Nachbarschaft
„Kurzfilm im Veedel“ zeigt Filme zu aktuellen Themen in Köln – Festival 09/24
Sorge um die Filmkultur
Veränderungen und Einsparungen stehen vor der Tür – Vorspann 09/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Volles Programm(heft)
40-jähriges Jubiläum der Internationalen Stummfilmtage Bonn – Festival 08/24
Sommer-Endspurt
Humor und Weltrettung für Jung und Alt – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Pssst!
Zu Spoilern, Prequels und Remakes – Vorspann 07/24
„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24
Ein Fest des Kinos
Die Kölner Kino Nächte präsentieren an 4 Tagen knapp 50 Filme – Festival 07/24
Der Tod, der uns verbindet
NRW-Premiere von Eva Trobischs „Ivo“ – Foyer 06/24
Die schwierige Situation in Venezuela
„Das Land der verlorenen Kinder“ im Filmhaus – Foyer 06/24
Sternenkriege und Weißer Terror
Volles Sommerkinoprogramm – Vorspann 06/24
Ungewöhnliches Liebesdrama
„Alle die du bist“ im Odeon – Foyer 05/24
Doppelter Einsatz für „Afrika“
Spendenaufruf des Afrika Film Festivals – Festival 05/24