La Verité – Leben und lügen lassen
Frankreich, Japan 2019, Laufzeit: 108 Min., FSK 0
Regie: Hirokazu Kore-eda
Darsteller: Catherine Deneuve, Juliette Binoche, Ethan Hawke
>> www.la-verite-derfilm.de
Tragikomisches Familiendrama um einen Mutter-Tochter-Konflikt
Schuld und Gefühl
„La Vérité – Leben und lügen lassen“ von Hirokazu Kore-eda
Drei verschiedene Frauen, drei verschiedene Generationen: Fabienne ist eine aristokratisch anmutende Grande Dame des französischen Films. Sie lebt in einer Villa in Paris, wird privat von einem geduldigen Lebenspartner umsorgt und beruflich von einem noch geduldigeren Manager. Denn Fabienne ist nicht nur eingebildet, sie kann auch ziemlich arrogant und zickig sein, mitunter auch richtig boshaft. Das weiß auch ihre in New York lebende Tochter Lumir. Sie reist mit ihrem Mann Hank und ihrer kleinen Tochter Charlotte an, weil ihre Mutter gerade ihre Memoiren veröffentlicht. Als sie das Manuskript zur Hand nimmt, liest sie von Fabienne als einer wunderbaren, aufopferungwilligen Mutter, die mit größter Kraft Berufliches und Privates perfekt miteinander verbindet. Lumir hat da ganz andere Bilder aus ihrer Kindheit im Kopf, die meisten der im Buch beschriebenen Erinnerungen hält sie für komplett erfunden. Denn ganz im Gegenteil hat sich vor allem Fabiennes beste Freundin bis zu ihrem tragischen Tod um Lumir gekümmert. Lumir ist stocksauer, verfällt ihrer Mutter gegenüber aber auch sofort wieder in alte Muster.
Schon lange gilt Hirokazu Kore-eda als Meister des japanischen Kinos, für dessen ruhige, sanfte und weise Version er steht – im Gegensatz zu den japanischen Filmen, die immer wieder durch extreme Exzesse hervorstechen. Kore-eda erzählt immer wieder von Familie in den unterschiedlichsten Konstellationen: von Kindern, die ohne Eltern auf sich gestellt sind („Nobody Knows“), von vertauschten Kindern („Like Father, like Son“), von gestorbenen Kindern („Still Walking“), von Geschwisterliebe („Unsere kleine Schwester“) oder zuletzt von einer Zweckfamilie („Shoplifters – Familienbande“). Biologische und soziale Familienbanden werden in seinen Filmen ausgelotet, und immer wieder spielen enttäuschte Erwartungen und übertragene Schuldgefühle eine große Rolle. In Kore-edas erstem nicht in Japan und nicht mit japanischen Schauspielern inszenierten Film ist das nicht anders. Und doch ist ganz oberflächlich betrachtet alles anders. Dass, was man Kore-edas Filmen als ‚japanisch‘ zuordnet, sieht man nicht. Aber fühlt man es auch nicht?
Vielleicht ist es das Ambiente, oder die Sprache, tatsächlich scheint hier aber vor allem das Spiel der westlichen Darsteller viel an den typischen Eckdaten von Hore-edas Filmen zu verändern. Catherine Deneuve mimt die selbstgerechte Über-Mutter mit einer Mischung aus Unvermögen und Boshaftigkeit, Juliette Binoche balanciert die auch als erwachsene Frau und Mutter immer noch aufbegehrende und doch vom Urteil der eigenen Mutter abhängige Tochter aus. Und Ethan Hawke mimt den etwas tumben amerikanischen Schauspieler, der mit Lockerheit seine gescheiterte Karriere überspielt. Die anderen männlichen Figuren umschwärmen die alternde Diva in einer Mischung aus Ehrfurcht, Furcht und Mitleid. Und genau mit diesen feinen Charakterdarstellungen, die mit Wohlwollen und Humor gezeichnet sind, löst Kore-eda das Versprechen seiner Filmkunst auch in dieser ‚französischen‘ Tragikomödie ein.
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