The Fog of War
USA 2002, Laufzeit: 106 Min.
Regie: Errol Morris
Darsteller: Robert McNamara
Lektion 12: Lies lieber ein gutes Buch über die menschliche Natur und den Krieg
juggernaut (162), 07.10.2004
Ein Film, der mehr Fragen aufwirft als er beantwortet. Was durchaus im Sinne seiner Hauptperson, US-Verteidigungsminister a.D. Robert Strange McNamara, sein dürfte: ?Beantworte nur die Fragen, von denen du dir wünschst, dass man sie dir gestellt hätte.?
NcNamara rekapituliert seine Soldatenzeit im Zweiten Weltkrieg, die Kuba-Krise und den Vietnam-Krieg, und lässt uns dabei in einige Abgründe schauen, aus denen heraus Entscheidungen gefällt wurden, die Hunderttausende Menschen das Leben kosteten ? und einer Menge anderer das Leben retteten. Er demonstriert anhand dieser Beispiele recht anschaulich das, was man ?die Logik des Krieges? nennt. In elf Kapitel bzw. ?Lessons? McNamaras hat Dokumentarist Errol Morris das Material gegliedert, die sowohl Bekanntes (?Never say never?, ?Maximize your efficiency?) als auch Interessantes und Diskussionswürdiges (?Rationality won?t save us?) enthalten. Abgesehen von einigen eher anekdotischen Einlassungen sind die dazugehörigen Kommentare und Erklärungen des zum Zeitpunkt der Dreharbeiten bereits 85-Jährigen aber durchaus spannend.
Weniger gut gefallen hat mir indes die filmische Umsetzung durch den Regisseur: teilweise scheinbar beliebig, teilweise unnötig hektisch bebildert (und ebenso hektisch geschnitten), findet der Film nie einen Rhythmus. Und die charakteristische Philip Glass-Filmmusik hat mich dieses Mal mit zunehmender Länge auch zunehmend genervt.
Im ?Epilog? kommt Morris dann noch mit einigen Fragen, die McNamara, z.T. aus durchaus nachvollziehbaren Gründen, z.T. siehe obiges Zitat, nicht beantworten möchte. Nun sind Krieg und Frieden, Schuld und Sühne, Moral und Verantwortung etc. auch keine Themen, zu denen man einen irgendwie gearteten Schlusspunkt setzen könnte, außer vielleicht Lesson 11: ?You can?t change human nature?. Aber ein bisschen mehr hätte man dazu aus dem Mund des einmal ?bestgehassten Verteidigungsministers der USA? schon gerne noch erfahren. Da bleibt wohl doch nur der Blick in den, wie ich mir hab sagen lassen, immer noch amtlichen Klassiker der Kriegsgeschichtsschreibung, Thukydides? fast zweieinhalbtausend Jahre alte (und wohl auch in neueren Übersetzungen noch ziemlich anstrengende) Studie über den Peloponnesischen Krieg. Tja, es war eben alles schon damals da: You can?t change human nature...
Der Beste seines Jahrgangs
otello7788 (554), 07.10.2004
Da ist ein Mensch, dem alles gegeben wird: Höchste Intelligenz, gutes Aussehen, Durchsetzungkraft und Glück. Er schafft es in die höchsten Ämter, erst in die Schaltzentren der Wirtschaft, dann der Politik. Dort zerreißt dann etwas in ihm. Seine Familie wird zerstört ("ich möchte nicht darüber reden") und aus falschverstandener Loyalität schickt er Soldaten in einen Konflikt, den er nicht führen möchte.
McNamara ist viel zu intelligent, um die Antwort auf die Frage, "ob er denn Schuld empfinde?" nicht zu wissen: Seine ganzes Wissen, seine ganze Intelligenz hat in der entscheidenden Phase seines Lebens versagt. Wo er hätte nein sagen müssen, ist er bestenfalls mitgelaufen, wenn nicht sogar zum Täter geworden.
Dies auch mit 85 Jahren nicht einzusehen und Verantwortung abzuschieben ("unter Kennedy wäre es nicht passiert") empfand ich als große Lebenslüge.
Auch wenn dieser Film ein Dokumentarfilm im besten Sinne ist, hätte ich eine stärkere Stellungnahme in diesem Fall für angemessen gehalten. Seine jetzigen Analysen sind zum Teil großartig und auch wichtig und werden von seinen Nachfolgern zur Zeit mit Füßen getreten. Von daher hat er die Beachtung durch diesen Film verdient. Trotzdem ist dieser Mann direkt oder indirekt (mit)verantwortlich für Tod und Elend von Millionen Menschen Für ca. 1-2 Millionen getötete Vietnamesen, mehr Bombenmaterial pro Land über Kambodscha und Laos als im gesamten 2.Weltkrieg, den Genozid der Roten Khmer mit 1-2 Millionen Toten, der durch die Instabilisierung erst möglich wurde, 58.000 tote GIs und die Traumatisierung einer ganzen Generation junger Menschen. Der Vietnamkrieg ein Fehler, für den man sich entschuldigen sollte? "Ich möchte keine weiteren Fragen dazu beantworten..."
"Der Untergang", obwohl ein Spielfim, wird u.a. dafür kritisiert, daß er nicht stark genug Stellung bezieht. Jemanden wie McNamara 105 Minuten, auch wenn z.T. beeindruckend, erzählen zu lassen, ohne Gegenposition, empfinde ich nicht als sonderlich objektiv. Wenn auch spannend und interessant, so bleibt bei mir doch ein zwiespältiges Gefühl zurück.
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