Die wahre Geschichte der Fischer aus Port Isaac, die mit ihren Seemannsliedern 2010 die britischen Charts eroberten (11 Wochen lang unter den Top 10-Alben), wurde bereits 2019 erfolgreich verfilmt. Nun wird diese weitererzählt. Das Drehbuch schrieben wieder Meg Leonard und Nick Moorcroft, die diesmal auch die Regie übernahmen. Der Erfolg hat nicht nur das Leben der Chormitglieder und ihrer Familien, sondern auch das Fischerdorf an der Küste Cornwalls stark verändert. Wie es mit Ruhm und Erfolg so ist, zieht Port Isaac nun Touristen an, die Immobilienpreise steigen und mit der Ruhe vor dem Song ist es vorbei. Jim (James Purefoy) ist der ganze Rummel too much. Weder die aus London angereiste Music Managerin Leah Jordan (Jade Anouka) noch seine Mutter Maggie (Maggie Steed) können den sturen Fisherman zum Weitersingen bewegen. Und dann gibt es auch noch ein neues Chormitglied, Morgan (Richard Harrington), mit dem sich Jim partout nicht vertragen will. „Fisherman’s Friends 2: Eine Brise Leben“ (Cinedom, Rex, UCI, Bonner Kinemathek) ist eine gefällige Milieuschilderung, die eine herzliche Story über raue Männer mit dem Herz am richtigen Fleck erzählt. Das alte traditionelle Leben in einem Fischerdorf wird herrlich romantisiert. Hier gibt es noch ein Gefühl von Heimat, Tradition, Liebe und Zusammenhalt. Auch wenn der Film ein wenig Fortschrittskritik übt, bleibt diese mild und fast wohlwollend. Die Musik, das Meer, die Liebe – das sind die Themen und machen den Film zu einem idealen Feelgood-Sommerfilm. Schließlich will Mensch nicht immer nur Problemfilme gucken.
Die autobiografische Geschichte von „The Inspection“ (Cinedom, Rex, OmU im Metropolis) spielt im Jahr 2005, als sich Ellis French (Jeremy Pope) dazu entschließt, sein Leben auf der Straße endlich zu beenden und eine Ausbildung im Marinekorps der Vereinigten Staaten zu beginnen. Bei seiner alleinerziehenden Mutter Inez (Gabrielle Union) ist er bereits als Teenager in Ungnade gefallen, als sie von seiner Homosexualität erfuhr. Bei seiner ersten Begegnung mit dem Chefausbilder Laws (Bokeem Woodbine) verleugnet Ellis seine Homosexualität noch, als er wie alle anderen neuen Rekruten beim Kasernenhofdrill lautstark danach gefragt wird. Es wird aber nicht lange dauern, bis das Geheimnis gelüftet ist und dem dunkelhäutigen Soldaten von seinen Kameraden und seinen Vorgesetzten noch mehr Schikanen bereitet werden, als die harte Ausbildung ohnehin schon mit sich bringen würde. Elegance Brattons Film spielt überwiegend in der nach eigenen Gesetzmäßigkeiten ablaufenden Welt des US-Militärs, bei dem die Anwärter psychisch und physisch gebrochen werden sollen, um sich für den harten Job des Berufssoldaten zu qualifizieren. Bratton gelingt es sehr anschaulich und aufgrund der zugrundeliegenden persönlichen Erfahrungen auch überaus authentisch, die Situation in dieser Zeit spannend und emotional aufwühlend einzufangen. Jeremy Pope (bekannt aus den Serien „Hollywood“ und „Pose“) ist die Idealbesetzung für die Hauptfigur, die einem schnell ans Herz wächst.
Lisa (Pauline Werner) und Clemens (Sebastian Jakob Doppelbauer) wollen nach Berlin ziehen. Zum Abschied laden sie Menschen ein, die ihnen nahe stehen. Zugleich kehrt der Umzugsstress das fragile Befinden der Beziehung zum Vorschein. Und der Besuch birgt noch manchen Konflikt und Spannungen. Zwischen gestapelten Umzugskartons, Scherben und Egon Schieles ‚Sitzender Frau mit hochgezogenem Knie‘ entwirft Regisseur Lukas Nathrath in „Letzter Abend“ (Odeon) ein intensives Drei-Kammer-Spiel, in dem auf engem Wohnraum schleichend Zuneigung, Neurose und lang Verschwiegenes kulminieren. Wirkt der Beginn noch etwas unwirsch, zieht das Drama Gast um Gast an und gewinnt rasch sagenhaft an Intensität: Wein und Tränen treiben die Protagonisten durch Aufbruch und Abschied, durch Haltlosigkeit und Orientierungssuche, durch Wut und Neurose, durch spontane Lust und stille Verzweiflung. Hauptdarsteller Sebastian Jakob Doppelbauer, der auch als Co-Autor und als Komponist der Songs, die sein Charakter auf der Gitarre zupft, fungiert, dominiert mit seiner großartigen Performance diesen emotionalen Parcour. Nicht minder brillant aber das (Zusammen-)Spiel des gesamten Ensembles, die betörende, dichte Bildgestaltung (Philip Jestädt) und der Schnitt (Silke Olthoff), der dem Geschehen seine wundersam wogende Dynamik verleiht.
Regisseur Lukas Nathrath ist mit dem Ensemble Sebastian Jakob Doppelbauer, Pauline Werner, Isabelle von Stauffenberg, Valentin Richter und Amelle Schwerk am Montag, 28.8. um 20:30 Uhr zu Gast im Odeon.
Statt in den Urlaub geht es für die introvertierte 14-jährige Margaux zu ihrem Vater an den Genfersee, wo sie ein Praktikum in einem Kinderheim macht, nachdem sie in der Schule sitzen geblieben ist. Dort freundet sie sich mit der wilden siebenjährigen Halbwaisen Juliette und dem erwachsenen Joel an, der hier nach seiner Heimkehr aus Indonesien als Fischer arbeitet. Für einen kurzen Moment entsteht in diesem Sommer eine kleine Utopie zwischen den Dreien, die alle mit Verlusten zu kämpfen haben. „L'amour du monde - Sehnsucht nach der Welt“ (OmU im Cinenova und in den Lichtspielen Kalk), das ruhige, stimmungsvolle Langfilmdebüt von Regisseurin Jenna Haase, nähert sich behutsam ihren Protagonist:innen, allen voran Margaux (großartig Clarisse Moussa, mit der sie bereits einen Kurzfilm als 6-Jährige gedreht hat), die mitten in der Pubertät zerrissen ist zwischen Enttäuschungen und Sehnsüchten.
Außerdem neu in den Kinos: Kamil Krawczyckis Sozialdrama „Elefant“ (OmU in der Filmpalette), Nida Manzoors irre Rache-Story „Polite Society“ (Cinedom, UCI), Maïwenns großartig besetzte Adelsfarce „Jeanne Du Barry - Die Favoritin des Königs“ (Cinedom, UCI, Weisshaus), Dominik Grafs Autor:innen-Doku „Jeder schreibt für sich allein“ (Filmhaus, Weisshaus), Adele Lims China-Chaos-Reise „Joy Ride - The Trip“ (Cinedom, Cineplex, UCI) und Markus Dietrichs Pferde-Abenteuer „Ponyherz“ (Cinedom, Cineplex, Rex, UCI).
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