Was ist richtig, was falsch? Als der Häftling Rahim (Amir Jadidi) während seines zweitägigen Ausgangs unverhofft zu einer Tasche voller Goldmünzen kommt, sieht er die Chance, endlich die Schulden, die ihn in den Knast gebracht haben, zu begleichen und seine Verlobte zu heiraten. Doch dann hat er Gewissensbisse, sucht die Besitzerin und gibt die Tasche zurück, nicht ahnend, dass er einer Betrügerin aufgesessen ist. Seine ehrenvolle Tat wird bewundert, in der ganzen Stadt wird er als Held gefeiert. Dann wendet sich das Blatt. Als die Frau nicht ausfindig gemacht werden kann, wird Rahim unterstellt, das Ganze aus niederen Beweggründen inszeniert zu haben. In den sozialen Medien beginnt eine Diffamierungskampagne, gegen die er machtlos ist. Je mehr er versucht, das Richtige zu tun, desto schlimmer wird es für ihn. Am Ende entlässt Asghar Farhadi die Zuschauer*innen von „A Hero – Die verlorene Ehre des Herrn Soltani“ (Filmpalette, Weisshaus, OmU in der Filmpalette und Bonner Kinemathek) mit aufwühlenden Fragen: Kann ethisches Handeln auch falsch sein? Wie hätte man selbst agiert? Fragen, die schwer zu beantworten sind.
Die Finnin Laura kam nach Moskau, um Russisch zu lernen und Archäologie zu studieren. Gemeinsam mit ihrer russischen Geliebten Irina war geplant, die Petroglyphen in Murmansk zu besichtigen. Doch am Vorabend springt Irina ab, Laura muss allein die lange Zugreise in den Norden antreten. Ihr Abteil teilt sie mit dem proletenhaften Ljoha – tätowiert, kahlgeschoren, besoffen - der sämtliche Vorurteile bestätigt, die Laura von jemand wie ihm hat. Alle Versuche, einen anderen Platz im Zug zu bekommen, scheitern am unfreundlichen Zugpersonal. Für Laura wird die Reise immer düsterer, zumal Irina am Telefon immer kälter wird. Dann, in Murmansk angekommen, erfährt sie, dass es im Winter keine Fahrten zu den Steinmalereien gibt. Am Ende ist es Ljoha, dessen harte Schale einen empfindsamen Kern verbirgt, der es Laura ermöglicht, die Petroglyphen doch noch zu sehen. Juho Kuosmanen zeigt in „Abteil Nr. 6“ (Filmpalette, Weisshaus, OmU in der Filmpalette und im OFF Broadway) nicht nur das russische Hinterland in all seiner Düsterkeit, sondern lässt hier Welten aufeinanderprallen.
Nach fünf Jahren hat wieder eine europäische Produktion beim ältesten Filmfestival der Welt in Venedig den „Goldenen Löwen“ gewonnen. Und das mit einem Thema, das für viele Frauen schon kein juristisches mehr ist: der Schwangerschaftsaabruch. Mit berührender Intensität spielt Anamaria Vartolomei das auf den sozialen Aufstieg hoffende Landei Anne, das erst in die Hände bigotter Ärzte und dann an eine kaltherzige Engelmacherin gerät. Das klassische 4:3 Format, in dem Audrey Diwan ihren Film „Das Ereignis“ (Cinenova, Odeon, OmU im OFF Broadway) inszeniert hat, hält uns einerseits auf Distanz, während die trotz ihrer Direktheit nie voyeuristischen Abtreibungsszenen einem kalte Schauer über den Rücken laufen lassen. Und Sandrine Bonnaires Mitwirkung als Annes Mutter garantiert einem zusätzlich, dass man französisches Kino auf höchstem Niveau erlebt.
Außerdem neu in den Kinos: Jerry Rothwells Autisten-Doku „Warum ich euch nicht in die Augen sehen kann“ (Cinenova, Odeon, OmU im Filmhaus), Oliver Rihs' biografisches 1980er-Drama „Bis wir tot sind oder frei“ (Cinenova, Filmpalette), Daniel Espinosas Comic-Abenteuer „Morbius“ (Autokino Porz, Cinedom, Cineplex, Rex am Ring, UCI, OV im Metropolis), John Pogues Action Sequel „Eraser: Reborn“ (Cineplex), Jeff Fowlers Animations-Abenteuer „Sonic the Hedgehog 2“ (Cinedom, Cineplex, Metropolis, Rex am Ring, UCI) und Ali Samadi Ahadis Neuverfilmung „Peterchens Mondfahrt“ (Cinedom, Cinenova, Cineplex, Metropolis, Rex am Ring, UCI).
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