Die meisten freien Dokumentarfilmer erleben seit Jahren magere Zeiten. Es wird gespart, auch die öffentlich-rechtlichen Sender stöhnen unter dem selbst verordneten Diätplan. Doch gebiert die Not bekanntlich auch frische Blüten: Immer mehr Filmer nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand und reagieren nicht erst, wenn der Sender eingereichte Vorschläge abgenickt hat. Das geht natürlich nur, weil die Produktionsteams in unseren Tagen durch technische Entwicklung in der Personalstruktur und -dichte wie durch eine natürliche Wirtschaftsberaterfirma gestrafft und konzentriert wurde – eine Person sollte reichen.
Dass dabei sehr schöne Produkte entstehen können, zeigt ein aktuell erstelltes Orchesterportrait des Bonner Beethovenorchesters. Dabei lüftet der Filmemacher Gerhard von Richthofen das „Geheimnis der Sinfonie“. Er hat das Orchester auf einer dreiwöchigen Amerika-Tournee begleitet und ist dabei auf Tuchfühlung mit den künstlerischen Persönlichkeiten gegangen, die in einer Masse namens Orchester berufsbedingt abtauchen. Sehr sympathisch gelingt dieser Ansatz, weil Richthofen bekennender musikalischer Analphabet ist und daher schamlos nützliche Fragen stellt. So entwirrt diese filmische Spurensuche das abstrakte Bild des sinfonischen Orchesters in seine Protagonisten, die ihre Instrumente und deren Besonderheiten und Funktionen erklären.
Der Zuschauer erfährt nicht nur Privates über die Solisten im Orchester, sondern hört auch, wie der Solotrompeter ohne Instrument nur auf den Lippen eine Tonleiter bläst, warum die Holzbläser an ihren sogenannten Blättchen herumfeilen und wie total verschieden sich ein Geigenton artikulieren lässt. Der Film nimmt sich die Zeit, die er hat – drei Wochen Haut an Haut mit den Akteuren, da landet einiges auf dem Schnittpult. Mit Musik werden die Einzelszenen gebunden, das hat Richthofen pädagogisch wertvoll gestaltet. Die Musiker haben allerdings auch begeistert mitgemacht bei diesem Portrait, das auch unterschwellig die Musik von Ludwig van Beethoven vermittelt – die Tournee der Bonner hatte nur Musik ihres prominentesten Sohnes an Bord, entsprechend heißt der Film nun „Beethovens Orchester“.
Der Film wurde finanziert durch eine Crowdfunding Kampagne auf www.startnext.de und u.a. unterstützt vom Beethoven Orchester Bonn, ohne dass daraus ein Werbefilm entstanden wäre. Es ist eine interessante Studie, die nichts verkaufen muss. Und es kommt tatsächlich alles aus einer Hand, ohne dass ein Redakteur abschließend daran gefummelt hat. Die DVD kann man kaufen oder den Film gegen Gebühr herunterladen – ein toller Film über Musik und wie sie entsteht.
Gerhard von Richthofen: Beethovens Orchester
Eine Centaurusfilm Produktion | www.Beethovens-orchester-derfilm.de
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