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Dirk Kaftan
Foto: Irène Zandel

„Beethoven neu spielen, neu entdecken“

04. Dezember 2019

Der Bonner Generalmusikdirektor Dirk Kaftan über das Beethovenjahr – Interview 12/19

choices: Herr Kaftan, Beethovens Geburtstag jährt sich im nächsten Jahr zum 250. Mal – Sie fangen aber mit den Feierlichkeiten bereits in wenigen Wochen, rund um seinen Geburtstag herum an. Als Außenstehender könnte man sich da fragen, warum Sie bereits jetzt mit einer fulminanten Eröffnungswoche starten.

Dirk Kaftan: Das Beethovenjahr beginnt selbstverständlich mit seinem Geburtstag und endet mit seinem 250. Geburtstag. Wir als Beethoven Orchester haben unsere ganze Spielzeit als eine Art Sinfonie in vier Sätzen angelegt und wollen – über das Jahr verteilt – in diesem Sinne auch die verschiedenen Lebensabschnitte und Aspekte von Beethoven beleuchten. In der Eröffnungswoche vom 14. bis 21. Dezember geht es uns darum, die ganze Vielfalt in Bonn abzubilden und bereits jetzt in Ansätzen zu zeigen, was das Beethovenjahr in Bonn alles bieten wird. Und das beinhaltet ja nicht nur das Beethoven Orchester. Die Beethoven Jubiläums GmbH (BTHVN2020) koordiniert hier in Bonn zahlreiche Aktivitäten von Institutionen und einzelnen Künstlern, ein nationales Ereignis mit internationaler Strahlkraft in regionaler Verankerung. Wir, das Beethoven Orchester Bonn, sind eine tragende Säule für diese Feierlichkeiten und wollen den Menschen einen gewissen Spirit mitgeben, der sich durch das Jahr ziehen soll – und der betrifft nicht nur eine Elite. Die Vorstellung, Beethoven als totem Komponisten nah sein zu wollen, ist schon eine abstrakte Geschichte. Für uns als Orchester heißt das, Beethoven neu zu spielen, ihn neu zu entdecken.

Wie sehen die Highlights des Beethovenjahres speziell beim Beethoven Orchester Bonn aus?

Für das Orchester ist das kommende Jahr natürlich eine ganz große Chance, weil es mit gleich zwei Asien-Touren und Gastspielen in den wichtigsten europäischen Zentren eine große internationale Aufmerksamkeit haben wird. Es ist schwer, alle Highlights aufzuzählen – es sind so viele. Wir gehen breit aufgestellt in das Jahr und die Bandbreite reicht vom großen Open-Air-Event auf der Hofgartenwiese bis hin zur klein besetzten, historisch nachempfundenen Hofkapelle mit Konzerten in der Bad Godesberger Redoute. Dies sind nur zwei Extreme. Ebenso wie die historisch informierten Konzerte wird es Beiträge zur Neuen Musik geben. Auch im Bereich der Konzertpädagogik haben wir große Projekte geplant: Zum einen mit Jugendlichen aus Bonn und Kolumbien das Projekt „Beethoven moves!“, das mit Sicherheit etwas ganz Besonderes werden wird. Zum anderen wird es aber auch konzertpädagogische Formate wie beispielsweise musikalische Talkshows besonders für junge Erwachsene geben. Wir arbeiten u.a. mit Gerard McBurney, einem der bekanntesten Konzertpädagogen, zusammen, um einen sinnlichen Zugang zu Beethoven zu schaffen. Unser Ziel ist es, das Jahr so zu gestalten, dass sowohl die Bonner eine Möglichkeit finden, an Beethoven anzudocken, als auch dass wir Touristen von außerhalb ein besonderes Beethoven-Erlebnis bieten.

Das Jubiläumsjahr startet ja mit der Eröffnungswoche und so einigen Aktionen: einem bundesweiten Hauskonzert-Wochenende, das neu gestaltete Beethovenhaus wird eröffnet, ebenso die Ausstellung in der Bundeskunsthalle. Das Beethoven Orchester ist zunächst beim Festakt in der Oper involviert…

Dabei stehen zwei Werke besonders im Vordergrund, ein Pasticcio von Paul Griffiths, mit dem wir in der Vergangenheit schon zusammengearbeitet haben. Hierin geht er in Textzitaten der Frage nach, was Beethoven uns heute bedeutet. Der Sprecher wird dabei Matthias Brandt sein. Und dann wird es noch eine Auftragskomposition geben, an der wir aktuell noch arbeiten und die in Beethovens Chorfantasie überleiten wird, dem zweiten Hauptwerk des Abends. Als Solistin hierbei habe ich mir bewusst die Pianistin Olivia Trummer ausgewählt, die eher als Jazzpianistin bekannt ist, aber sowohl in Jazz als auch in Klassik zu Hause ist. Es war mir wichtig, eine Solistin zu haben, die sich mit Improvisation auskennt, denn das war das, wofür Beethoven zu Lebzeiten berühmt-berüchtigt war.

Mit dem Beethoven-Marathon am 21. Dezember schließt das Orchester die Woche ab.

Der Beethoven-Marathon reißt in zwölf Stunden das an, was wir in diesem Jahr in Bonn wollen: Den Sockel bilden alle neun Sinfonien Beethovens, die alle an diesem Tag erklingen werden, aber an ungewöhnlichen Orten und in ungewöhnlicher Form. Sie erklingen teils in kammermusikalischer Besetzung, in einem Arrangement des türkischen Komponisten Kemal Dinç mit orientalischen Instrumenten oder aber gespielt mit einem Orchester aus Laien und Profis – wie zu Beethovens Zeiten. Das Finale bildet schließlich die Fünfte im Opernhaus in einer Elektro-Fassung als Übergang zu der Abschlussparty des Beethoven-Marathons. Beethoven lebt! ist an dem Tag unser Motto. Doch die neun Sinfonien bilden nur die Timeline an diesem Tag, denn die ganze Stadt wird vibrieren. Unglaublich viele Mitglieder der freien Szene sind aufgesprungen und tragen zum Beethoven-Marathon bei. Ich war überwältigt vom riesigen Zuspruch der anderen Veranstalter. Wir wollen an diesem Tag die ganze Stadt entflammen und das steht für das kommende Jahr.

Hand auf Herz: Das Beethovenjahr wird durch riesige Summen gefördert, aber Sie sind inzwischen schon lange genug in Bonn, um auch die Probleme vor Ort zu kennen. Und diese wird es auch in 2021 noch geben. Was kann und soll dann von Beethoven 2020 bleiben?

Die Arbeit unseres Orchesters ist zum Glück nicht abhängig von Fördergeldern der Jubiläumsgesellschaft. Aber Sie haben natürlich recht, es gibt viele Dinge, bei denen man in der Kultur in Bonn an seine Grenzen stößt. In meinen Augen geht es dabei mehr um die Einstellung – Bonn muss sich zur Kultur bekennen. Es gilt, die Negativspirale, die es gab und immer wieder auch gibt, zu durchbrechen. Wenn das Bewusstsein für die Kultur, ein Bedürfnis nach ihr da ist, dann muss die Politik die entsprechenden Entscheidungen treffen. Meine Arbeit besteht darin, alles dafür zu tun, dass die Menschen kulturell bekommen, was sie wollen. Und ich sage auch gerne explizit: Die kulturelle Situation in Bonn hat nicht nur mit der Frage nach einer geeigneten Halle zu tun. Wenn Sie mich fragen, was vom Jubiläumsjahr den 16. Dezember 2020 überdauern soll und muss, dann ist es ein ganz bewusstes „Ja!“ für die Kultur in Bonn.

Eröffnung des Beethoven-Jubiläumsjahres | Mo 16.12. 20 Uhr | Opernhaus Bonn | bthvn2020.de

Interview: Verena Düren

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