Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
4 5 6 7 8 9 10
11 12 13 14 15 16 17

12.577 Beiträge zu
3.805 Filmen im Forum

Darf frau Mutterschaft bereuen?
Foto: Rebecca Ramlow

Macht ein Lächeln alles wett?

14. März 2016

lit.Cologne-Veranstaltung „Regretting Motherhood“ am 13.3. Comedia Theater – Literatur 03/16

Orna Donath wirkt zierlich, wie sie da in ihrem romantischen, himmelblauen Kleid auf der Bühne sitzt. Wenn sie redet, lächelt sie. Weniger romantisch klingen jedoch ihre Studien. Die israelische Soziologin interviewte Frauen, die ihre Mutterschaft bereuen. „Nicht ihre Kinder, die lieben sie, aber sie hassen es, deren Mütter zu sein“, so Donath lächelnd. Durch das Publikum im restlos ausverkauften Saal geht ein Lachen. Die Veranstaltung ist gut besucht. Überwiegend von Frauen. In Israel wurde Donath für ihre provokative Studie äußerst scharf kritisiert. Ihr und den bereuenden Müttern wurde Narzissmus vorgeworfen. Warum war der Aufschrei in einer vermeintlich aufgeklärten und emanzipierten Welt so groß? Selbst in Deutschland, einem im Vergleich zu Israel noch viel weltlicherem Land, gab es zum Teil heftigste Reaktionen auf Donaths Erkenntnisse.

Donath vermutet, dass in der Gesellschaft immer noch Reaktionen wie diese erwartet würden: „Ich hasse es, den ganzen Tag Windeln zu wechseln und für mein Kind da zu sein, immer wegstecken zu müssen, aber das Lächeln meines Kindes macht all das wieder wett.“ Bei diesen Müttern gäbe es dieses „aber“ nun einmal nicht. Sie finden einfach grundsätzlich keinen Gefallen an der Mutterschaft und daran, Spucke im Gesicht zu haben oder Scheiße wegzuwischen, auch wenn der Nachwuchs noch so zuckersüß zurücklächelt. Und das ist anscheinend das Tabu. Auch glaubt sie, dass sie persönlich attackiert wird, weil sie nicht nur zum Thema recherchiert, sondern das Nicht-Muttersein selbst lebt. Ihr Körper sei die Verkörperung ihrer Studie.

Ein Grund, weshalb manche Eltern heutzutage unglücklich seien, ist laut Eva Illouz, die sich nun in die Mutterschaftsdebatte einklinkt, der, dass die Familie total privatisiert sei. Es läge in der heutigen Konsumgesellschaft ein immenser Druck auf den Eltern, was sie alles mit ihren Kindern anstellen sollen, damit ihre Zöglinge schon bald nach Harvard gingen. Auch existieren noch immer große Unterschiede zwischen Mann und Frau. Die dreifache Mutter und Soziologin Illouz spricht aus eigener Erfahrung und sagt: „Ich bin Mutter. Ich weiß, was das heißt. Es kann die Hölle sein.“ Wieder geht ein Lachen durch den Raum. Andererseits gewinnt Illouz dem Muttersein gesellschaftlich durchaus auch etwas Positives ab, da es grundsätzlich nichts Schlechtes sei, sich um jemanden zu kümmern, also etwas Soziales zu tun. Für Illouz ist das Unglück einer Elternschaft jedoch kein Wunder: Gerade in einer Zeit, in der Frau und Mann alle Möglichkeiten der Welt haben, ist ein kleines hilfloses Wesen, um jenes sie sich von heute auf morgen kümmern müssen, ganz klar ein Hindernis in der allerorts angestrebten Selbstverwirklichung. Doch, bei allem Verständnis für leidende Mütter stellt Illouz am Ende eine berechtigte Frage: Was will Donath mit ihrer Studie eigentlich bezwecken? Diese antwortet mit einem Lächeln: „,Ich möchte erreichen, dass es mehr Anerkennung für unterschiedliche Lebensmodelle gibt. Dass es für Frauen noch viele andere Wege gibt, als den von der Gesellschaft oft propagierten Weg des Mutterseins, der angeblich zum ultimativen Glück führt. Aber: Ich möchte keiner Frau vorschreiben, wie sie zu leben hat.“

Rebecca Ramlow

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Alter weißer Mann

Lesen Sie dazu auch:

Theater von und für Frauen
Die BUSC zeigte im Stream das „Femme BUSCival“ – Bühne 03/21

Wie Frauen zu sein haben
Jovana Reisingers zweiter Roman „Spitzenreiterinnen“ – Wortwahl 03/21

#WeSitWithYou
Koreanerinnen erinnern an sexualisierte Kriegsgewalt – Teil 2: Lokale Initiativen

Autorinnen im Fokus
Weltfrauentag im Literaturhaus Köln – Literatur 03/20

„Wenn wir streiken steht die Welt still!“
Frauen*streikbündnis demonstriert am Weltfrauentag – Spezial 03/20

„Feminismus ein Gesicht geben“
Jasmin Mittag über die Ausstellung „Wer braucht Feminismus?“ – Interview 03/20

Revolution und Vulva-Lolly
„Revolt. She said. Revolt again.“ am Freien Werkstatt Theater – Theater am Rhein 03/20

Geheimnisse und Lügen
Rachel Cusks radikaler Bericht über das Mutterwerden – Textwelten 02/20

Schwarzer Feminismus
Natasha A. Kelly stellt ihr Buch in der KHM vor – Literatur 02/20

„Alice Birch verdreht Situationen und Sprache“
Killer&Killer inszenieren das feministische Stück „Revolt. She Said. Revolt Again.“ – Premiere 02/20

Die Gebär-Übermutter und der Philofeminist
„W.H.A.M.“ von c.t.201 an der Studiobühne – Auftritt 02/20

Ausgeliehene Perspektiven
Feministisches Literaturfestival „Insert Female Artist“ – Literatur 10/19

Literatur.

Hier erscheint die Aufforderung!