Bereits seit 2014 wandert die Ausstellung „Wer braucht Feminismus?“ schon durch den deutschsprachigen Raum – vom 7.3. bis 20.3. wird sie nun auch in Köln zu sehen sein. Die Motive der Fotoaktion laden alle dazu ein, sich ein eigenes Bild vom modernen Feminismus zu machen, und zeigt, wie vielfältig das Thema ist. Jasmin Mittag ist Initiatorin der Kampagne „Wer braucht Feminismus?“ und Kuratorin der Ausstellung.
choices: Frau Mittag, wie kam es zu der Kampagne und was ist ihr Ziel?
Jasmin Mittag: Ich habe 2012 die Aktion „Who needs feminism?“ von US-amerikanischen Studierenden bei Facebook entdeckt und war sofort begeistert. Die Initiatorinnen hatten an ihrer Hochschule eine Aktion gestartet und sich gegenseitig mit Schildern in der Hand fotografiert, auf denen stand, warum sie Feminismus brauchen. Ich dachte sofort: Das macht auch auf Deutsch total viel Sinn und habe die Aktion übersetzt und eine Kampagne daraus gemacht. In der Ausstellung geben wir einen Überblick zu historischen Fakten zu Feminismus, aber zeigen vor allem auch Fotostatements und geben Besucherinnen und Besuchern die Möglichkeit, ein eigenes Statement in der Ausstellung zu lassen.
Wer steht hinter der Kampagne und an wen ist sie gerichtet?
Die Kampagne „Wer braucht Feminismus?“ organisiere ich mit einem ehrenamtlichen Team. Wir arbeiten als Initiative, also frei und unabhängig und vor allem auch überparteilich. Wir wenden uns an alle, die mehr über Feminismus erfahren möchten oder sich aktiv an unserer Kampagne beteiligen wollen.
Was ist das Konzept der Ausstellung?
Inzwischen haben wir über 3.000 „Ich brauche Feminismus...“- Argumente gesammelt. In der Ausstellung zeigen wir einen kleinen Teil davon. Es geht darum, Feminismus ein Gesicht zu geben und persönliche Perspektiven zu präsentieren. Die Gründe, warum wir immer noch Feminismus brauchen, sind vielfältig, und das wollen wir zeigen.
Wieso ist eine derartige Vielfalt an Statements wichtig? Bietet die Ausstellung auch einen Ansatzpunkt für politische Veränderung?
Mit dem Sammeln und Präsentieren von Pro-Feminismus-Argumenten geben wir Menschen eine Plattform: Sie werden gehört und sind gleichzeitig ein Vorbild für andere. Oft bringt die Teilnahme an der Aktion auch nochmal verstärkt die Diskussion über feministische Themen in dem Freundes- und Bekanntenkreis der Teilnehmenden in Gang. Wir merken immer wieder, dass auch so eine kleine Aktion wie ein Fotostatement abgeben Menschen in ihrem politischen Dasein stärken und andere zum Nachdenken anregen kann. Wir versuchen darüber hinaus, vor allem im Rahmen von verschiedenen Veranstaltungsformaten Interessierte zusammen und in den Austausch zu bringen.
Wie würden Sie den modernen Feminismus definieren?
Ich möchte da gar nicht zwischen modernem und historischem Feminismus unterscheiden: Feminismus ist im deutschsprachigen Raum seit über 150 Jahren die soziale Bewegung, die sich für Frauenrechte und Gleichstellung einsetzt und gegen geschlechtsbezogene Diskriminierung kämpft. Dank dem Einsatz sehr vieler engagierter Menschen haben Frauen in Deutschland mittlerweile viele Rechte, die sich heute selbstverständlich anfühlen, aber es lange nicht waren – wie z.B. das Recht auf einen umfassenden Zugang zu Bildung und das aktive und passive Wahlrecht. Frauen wurden in der Vergangenheit wie Menschen zweiter Klasse behandelt. Es war ein langer Weg bis zur Durchsetzung formaler Gleichberechtigung, und ich bin allen Menschen, die sich gegen geschlechtsbezogene Diskriminierung starkgemacht haben und die es heute noch tun, sehr dankbar. Sonst würden wir alle ein ganz anderes Leben führen, als wir es tun.
Im Begleitheft zur Ausstellung ist die Rede von einer „Hochphase der Kritik am Feminismus“. Warum hat der Feminismus es oft immer noch schwer?
Die Antwort darauf ist komplex. Im Patriarchat hat es Tradition, die Belange von Frauen nicht so ernst zu nehmen und diejenigen zu verunglimpflichen, die es dennoch tun. Die Nachteile in Bezug auf politische Partizipation von Frauen, ihre wirtschaftliche Situation, die Diskriminierung im Bildungsbereich oder in Hinblick auf ihre Gesundheit werden oftmals schlichtweg geleugnet und verharmlost. Ein Punkt ist, dass wir inzwischen in einer relativ privilegierten Situation sind und bereits viele Kämpfe ausgefochten und gewonnen wurden. So erschließt sich nicht für alle auf Anhieb, dass es immer noch in nahezu allen Lebensbereichen geschlechtsbezogene Diskriminierung gibt, in einigen Fällen auch zum Nachteil von Männern, gegen die Feministinnen und Feministen übrigens auch vorgehen. In der Gesellschaft wird Benachteiligung von Frauen zum Teil immer noch offensiv kleingeredet und sich darüber lustig gemacht. Feminismus ist noch lange nicht im Mainstream angekommen.
Was für einen Imagewandel des Feminismus wünschen Sie sich und inwiefern trägt die Ausstellung dazu bei?
Mir persönlich geht es im ersten Schritt erst einmal darum, dass Diskriminierung gesehen wird und anerkannt wird, wie einschränkend die Lebenswelt für uns Frauen und alle Menschen, die als Frauen gelesen werden, immer noch ist – auch wenn einiges in Bewegung ist. Aber dass wir immer noch das angeblich „schwache“ Geschlecht sind und das kolportiert wird, dass wir en gros schlechter bezahlt werden und dass wir verstärkt Angst vor körperlichen Übergriffen haben müssen – das ist ein Unding und u.a. gegen diese Gegebenheiten müssen wir ankämpfen. Wenn wir die Diskriminierung sehen und beim Namen nennen, können wir anfangen, uns gegen sie zu wenden. Die Ausstellung möchte auch ihren Teil zur Sichtbarkeit beitragen.
Feminismus gehört hinsichtlich Ihrer Arbeit schon lange zu Ihren Schwerpunkt-Themen. Wie lautet Ihre „Ich brauche Feminismus“-Aussage und weshalb ist Ihnen persönlich das Thema so wichtig?
Es ist schlicht wie umfassend: „Ich brauche Feminismus für mehr Gerechtigkeit auf der Welt.“ Ich habe Geschichte studiert und es geht einerseits gegen meinen Stolz als Frau und Historikerin, dass die Verdienste der Frauenbewegung so wenig gesehen werden. Sie wird auch heutzutage kaum in der Schule durchgenommen, obwohl wir hier von der wohl wichtigsten sozialen Bewegung aller Zeiten sprechen. Ein anderer Punkt ist, dass meine soziale Gruppe, die Frauen, vor allem global gesehen immer noch stark benachteiligt sind und feministische Bewegungen immer noch viel wichtige Arbeit leisten und leisten müssen, um mehr Chancengleichheit und Gerechtigkeit in das Leben aller Menschen zu bringen.
Warum braucht jeder Feminismus? Ist Feminismus (noch) notwendig?
Es gibt wie gesagt, vor allem global gesehen, immer noch eine große Schieflage zu Ungunsten von Frauen: Wir werden in einem Übermaß benachteiligt, diskriminiert, ausgebeutet, misshandelt, unsere Belange werden weniger gesehen und unsere Leistungen unsichtbar gemacht. Das hat historische Gründe. Es ist an uns, diese Situation weiter zu verändern. Ich sehe uns da alle in der Pflicht, in unserem persönlichen Wirkungskreis einen Teil zu mehr Gerechtigkeit beizutragen: Stärkt Frauen in Führungsposition, ladet Frauen als Expertinnen ein und tragt weniger Ansprüche und Erwartungen an sie heran, wie sie als Mutter, Ehefrau oder im Berufsleben zu sein haben. Es gibt unendlich viele Dinge, die jede Person tun kann.
Wie lange wird die Ausstellung noch „wandern“?
Solange wir Feminismus noch brauchen und Einrichtungen im deutschsprachigen Raum Interesse haben, die Ausstellung auszuleihen.
Wer braucht Feminismus? | 7.3. (Eröffnung 12-13 Uhr) - 20.3., Mo, Mi, Do 8-16, Di 8-18, Fr 8-12 Uhr | Rathaus Köln, Spanischer Bau
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