choices: Herr Schwendy, der Rat der Stadt Köln die Bürgerbeteiligung stärken. Eine zu späte Einsicht?
Arnd Schwendy: In Köln waren die Auseinandersetzungen um Schauspiel und Oper ein Lehrstück, was passiert, wenn starke Bürgerinitiativen etwas anderes wollen als ein Teil des Rates. Und auch um die Neugestaltung des Gerling-Viertels und um den Ausbau des Godorfer Hafens gibt es Auseinandersetzungen. Ich werte das ganze als Versuch von Rat und Verwaltung, wieder mehr Vertrauen bei den Bürgern zu gewinnen und Partizipation zu erleichtern – Stichwort „Stuttgart 21“.
Als Pilotprojekt für die neue Politik soll die Planung für das ehemalige Archivgrundstück an der Severinstraße dienen. Wie läuft‘s dabei?
Es gab ein von den Bürgern im Haus der Architektur veranstaltetes Forum, bei dem die Stadt Beteiligung in zwei Schritten vorsah: Dem förmlichen Planungsverfahren wird danach eine Info-Veranstaltung des OB vorgeschaltet, die bereits unter reger Beteiligung stattfand. Außerdem werden in einem Workshop im Juni 80 die Bürger gebeten, ihre Ideen einzubringen. Danach geht das in den Ausschuss für Stadtentwicklung. Bisher lief es umgekehrt: Erst Vorgaben der Politik, dann Bürgerbeteiligung. Das ist ein Fortschritt. Der Pferdefuß: Die zur Mitarbeit aufgerufenen Bürger wissen noch immer nicht umfassend, nach welchen Kriterien und Wirtschaftlichkeitsüberlegungen ihre Wünsche und Anregungen hinterher bewertet werden.
Wie könnte man neues Misstrauen verhindern?
Die Stadt sollte alle Karten auf den Tisch legen. Von Beginn an sollte auch ein von der Stadt wirklich unabhängiger Mediator installiert werden, der die divergierenden Meinungen bündelt und einem Ergebnis zuführt. Ohne eine solche neutrale Instanz müssen die beteiligten Bürger glauben, was die Stadt ihnen erzählt. Aber dieser Glaube ist halt erschüttert. Außerdem wäre es wünschenswert, wenn Verträge, die die Stadt im Kontext der Bebauung abschließt, öffentlich gemacht würden. Man kann das aufgrund der Vertragsfreiheit durch eine entsprechende Klausel sicherstellen. In Schweden ist das, was ich hier vorschlage, Gang und Gäbe.
Trauen Sie dem derzeit aktiven politischen Personal in Köln einen Wandel in Richtung Bürgerpartizipation zu?
Selbstverständlich, das ist ein Lernprozess, bei dem alle an eine jahrhundertelange Tradition eines selbstbewussten und aufmüpfigen Kölner Bürgertums anknüpfen können. Wer da stur bleibt und sich nicht auf das neu erwachte Mitwirkungspotential jenseits der tradierten Organisationen einstellt, hat bei der nächsten Kommunalwahl schlechte Karten.
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