choices: Frau Stewens, Sie sind nun 10 Jahre Geschäftsführerin der internationalen Filmschule Köln. In dieser Zeit hat sich viel getan: von der Weiterbildungsinstitution zur anerkannten Filmhochschule mit drei Bachelorstudiengängen und einem Masterprogramm. Sind sie zufrieden? Was ist Ihre Bilanz?
Simone Stewens: Zufrieden bin ich, weil wir einiges auf die Beine gestellt haben. Insbesondere möchte ich die Bachelorstudiengänge hervorheben und die Weiterbildung haben wir auch permanent weiterentwickelt. Wir haben zehn Weiterbildungsangebote, der Zweig aus dem die ifs entstanden ist. Das war erstmal ein ziemlicher Ruck, die Schule auf das Niveau zu bringen, dass sie Studiengänge anbieten konnte. Wir sind im klassischen Sinne keine Hochschule, sondern eine gemeinnützige GmbH, was wir allerdings mit einigen anderen Filmhochschulen, wie der dffb und die Filmakademie in Ludwigsburg gemeinsam haben.
Das birgt so ein paar Probleme, da man versuchen muss auf einen akademischen Status zu kommen, der das Recht beinhaltet, Abschlüsse zu verleihen. Das haben wir nach vielen Überlegungen durch den Franchise-Vertrag mit der FH Köln erreichen können und mit dem Präsidenten Prof. Joachim Metzner haben wir einen Partner, der unkonventionell denkt und für den das auch ein Abenteuer war, in das er sich lustvoll begeben hat. Gleichzeitig hat er uns den nötigen Freiraum gegeben, uns zu entwickeln und unseren Stil und Lehrphilosophie zu finden. Das Team hatte am Anfang wenig Erfahrung. Wir wollten auf jeden Fall etwas anders machen, als es die etablierten Filmhochschulen tun, sonst braucht man ja nicht noch eine. Es war klar, wir würden sicherlich auch Fehler machen, aber wir würden versuchen, andere Fehler zu machen.
Was ist das Besondere an den Studiengängen der ifs im Gegensatz zu anderen Filmhochschulen?
Die künstlerischen Studiengänge sollten ein Stück weit an die Zeit angepasst werden, in der sie entstehen. Das hat sich so ein bisschen nivelliert im Laufe der Zeit, weil auch wir das Rad nicht neu erfinden konnten, aber wir konnten Einiges aktualisieren und Überkommenes in Frage stellen. Aber es gibt natürlich auch didaktische Ziele und Lehrformen, die sich als gut erwiesen haben, warum soll man das nicht übernehmen. Bei Film stellt sich ja ohnehin die Frage: Kann man dafür überhaupt ausbilden? Das ist bis heute umstritten. Eisenstein hat einmal gesagt: „Für eine Regieausbildung braucht man zwischen zwei und zwanzig Jahren“. Das sagt schon etwas über die Komplexität des Regieberufes aus und natürlich ist man da nach sieben Semestern nicht fertig. Man lernt hauptsächlich an den Projekten.
Der künstlerisch-praktische Teil ist das Herz des Studiums, dass aufgrund der Freiheit der Studierenden nur begrenzt planbar ist. Alles drumherum wie Filmgeschichte, Medienwissenschaften, Fachwissen und Handwerk sind auch wichtig, aber im Zentrum steht die künstlerische Projekt-Arbeit und die ist sehr individuell, weil jedes Projekt und jeder Stoff anders ist. Da lernen auch wir mit jedem Jahrgang dazu, deshalb ist so ein Curriculum auch nie fertig, sondern befindet sich immer in Erweiterung. Wir sind stolz darauf, dass unsere Absolventen Erfolge auf dem Markt haben, sie kommen draußen an, müssen aber auch hart dafür kämpfen.
Und womit sind Sie weniger zufrieden? Was gibt es für die ifs noch zu tun in Zukunft?
Womit ich nicht so ganz zufrieden bin ist unser Status, was die Masterstudiengänge angeht, da haben wir erst einen, den MA Screenwriting, da sind wir auch „nur“ ein Partner unter drei internationalen Institutionen. Da wäre ich gerne früher so weit gewesen und hätte auch gerne schon mehr davon. Das haben wir strukturell und finanziell bisher nicht geschafft, arbeiten aber an der Entwicklung. Ein Masterkonzept ist im Drehbuchbereich angesiedelt, auf nationaler Ebene und sich –einzigartig in Deutschland - im seriellen Schreiben positionieren. Wir recherchieren gerade in der Branche, inwieweit derartig ausgebildete Autoren auch angenommen werden würden.
Da geht es u.a. um das Schreiben im Team, das in Deutschland noch sehr wenig ausgeprägt ist. Der berühmte „writers room“ aus den angelsächsischen Ländern erfordert eine ganz andere Haltung des Autoren. Da darf man dann nicht eitel sein, mal ist man Head-Autor, mal macht man ein „rewrite“. Man muss vor allem Interesse haben an dem gelungenen Produkt. Das ist eine sehr pragmatische und handwerkliche Orientierung als Autor. Da wissen wir schon ziemlich genau, wo es hingeht. Und dann wollen wir auch noch einen Studiengang zum transmedialen Erzählen anbieten.
Sie lehren an der ifs die Möglichkeiten des digitalen Kinos und betonen die Bedeutung sehr stark. Ist analog für Sie tot?
Analog ist gar nicht tot – im Gegenteil. Mit zunehmender Digitalisierung gibt es, wie in anderen Medien auch, wieder einen back lash. Es muss unbedingt auch mit unterrichtet werden. Selbst wenn sich die workflows ändern, was das Produktionelle anbelangt, ist die Kenntnis des Analogen bei vielen Arbeitsschritten sehr wichtig, etwa für die Editoren, weil sie dann ein ganz anderes Verständnis von Material entwickeln. Bei allen Vorzügen des Digitalen, gibt es auch ein paar Nachteile: das Material ist billig, die Gefahr besteht, dass nicht unbedingt mit konzeptionellem Hintergrund gearbeitet wird, weil man es ja einfach mal probieren kann. Es kostet ja fast nichts. Aber das ist ein Trugschluss, es kostet dann in der Postproduktion, nämlich wesentlich mehr Zeit und Entscheidungsnöte in der Auswahl von Bildern oder Szenen. Das ist nicht immer ein Vorteil. Hinzu kommt, dass ein digitales Produkt permanent erweiter- bzw. veränderbar ist. Dadurch könnte auch eine gewisse Beliebigkeit eintreten. Dem wollen wir entgegenwirken. Also das Analoge hat hier auch noch seinen Platz, das gilt vor allem für frühe Stadien des Studiums, wo zum Teil auf Film gedreht und geschnitten wird. Die entsprechende Arbeitsweise schlägt sich dann auch im Denken der Studierenden nieder. Diese Genauigkeit in der Haltung beim Filmemachen wollen wir den Studierenden mitgeben.
Inwieweit ist die ifs und sind Ihre StudentInnen an die Wünsche der Gesellschafter und Förderer gebunden?
Von unserer Finanzierung her leistet das Land Nordrhein Westfalen mit 65% den Löwenanteil. Unsere Hauptgesellschafterin ist die Film- u. Medienstiftung NRW, das ZDF ist der kleinste Gesellschafter. Wenn wir Studiengänge planen, müssen wir den Gesellschaftern nachweisen, dass sie sinnvoll sind, dass es einen Bedarf in der Branche gibt und dass wir sie finanzieren können. Insofern haben unsere Gesellschafter natürlich Einfluss, aber in der Praxis sieht das nicht so aus, dass das ZDF kommt und sagt: Macht doch mal den Studiengang XY. Auch auf die Themen- und Stoffentwicklung unserer Studierenden wird selbstverständlich kein Einfluss genommen.
Das ist ohnehin ein empfindliches Feld. Bei behutsamen Lenkungsversuchen unsererseits reagieren unsere Studierenden sehr empfindlich, deshalb halten wir uns da weitgehend zurück. Dieser Nachwuchs soll sehr disparate Erwartungen erfüllen: einerseits sollen sie innovativ sein, sie sollen neue Handschriften zeigen und möglicherweise Tabus brechen. Sie sollen Stoffe entwickeln, wo öffentlich-rechtliche Sender oder Fördergremien sagen würden: Nee, bitte nicht. Genau diesen Mut und die Unkonventionalität, das erwartet man vom Nachwuchs. Allerdings gepaart mit dem Spagat, sich bitteschön auch zu orientieren an dem was es gibt, den Markt zu kennen und ihn teilweise auch zu bedienen. Das ist janusköpfig, was da erwartet wird. Auf der einen Seite sollen sie diejenigen sein die Innovation in das starre System tragen und auf der anderen Seite weigert sich das System sich zu öffnen.
Sie sind nicht die einzige Jubilantin in diesem Jahr. Das Oberhausener Manifest – seinerzeit von der jungen Deutschen Filmszene verfasst – wurde vor 50 Jahren verlesen. Wird es Zeit, dass sich die heutige Generation junger Filmemacher auch gegen die Strukturen der Branche auflehnt?
Ich denke ein zweites Manifest – ob nun in Oberhausen geboren oder woanders – wäre dringend notwendig, denn inzwischen haben sich ja die Strukturen, die nach Oberhausen entstanden sind auch wieder verfestig und bedürften dringend der Renovierung. Ich sehe, dass unsere Absolventen darunter leiden. Es erfordert so viel Kraft und Durchhaltevermögen, in diesem System zu bestehen, auch wenn das System sagt: Wir sind doch so nachwuchsfreundlich und es gibt X Instrumentarien für die jungen Filmemacher. Die Förderungen kümmern sich, und es gibt zahlreiche Nachwuchs- preise. Aber wir alle wissen, wie schwierig es schon ist, den zweiten abendfüllenden Film zu machen.
Vor kurzem haben wir eine Erhebung unter unseren Absolventen gemacht: Inzwischen sind elf abendfüllende Spielfilme entstanden und wir haben erst seit 2005 Absolventen, das finde ich viel. Da sind über 30 Leute involviert in den Bereichen Regie, Buch und Produktion. Das ist ein sehr schöner Output, aber wir sehen eben auch, was für Anforderungen gestellt werden. Jüngste Beispiele sind im letzten Jahr „Eine Insel namens Udo“ und demnächst im Kino „Pommes essen“ von einer Absolventin, die ist noch vom Jahrgang davor. Diese Filme entstehen ‚low budget“ mit sehr viel Selbstausbeutung, es werden aber an diese Filme die gleichen Erwartungen geknüpft wie an einen klassisch finanzierten Mainstream- oder Arthouse-Film, der in Deutschland entsteht. Das ist einfach nicht gerecht.
Das kann man natürlich nicht jedem Kritiker erklären und schon gar nicht dem Publikum. Aber das ist eben das Umfeld, indem sich Kinofilme, wenn sie in Deutschland herausgebracht werden, bewegen. Dann frag ich mich schon, ob man nicht mal wieder eine politische Initiative starten müsste, die andere Wege der Filmproduktion ermöglicht im Sinne von größerer Unabhängigkeit. Ein Effekt von Oberhausen war ja die Etablierung von staatlicher Filmförderung. Ich finde, bei aller Dankbarkeit der Filmförderung gegenüber, - ich glaube, wir hätten den Deutschen Film, so wie er heute existiert, nicht, wenn es die Förder-Institutionen nicht geben würde - dass die vorhandenen Instrumentarien überarbeitet werden müssten. Zudem sollten daneben Finanzierungsstrukturen entstehen, die unabhängig von den Gremien und Senderentscheidungen sind. Dafür braucht man jedoch politischen Rückenwind.
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