„Das Verschwinden des Josef Mengele“ ist eine Adaption von Olivier Guez gleichnamigen Roman. Der Comic von Matz und Jörg Mailliet erzählt in detailreichen Zeichnungen, wie der Auschwitz-„Arzt“, der bestialische Versuche an Jüd:innen durchführte, bei seiner Flucht nach Argentinien, Paraguay und schließlich Brasilien Unterstützung durch seine Familie und Gleichgesinnte erfuhr. Eine Reise an der Seite des Teufels, die auch davon erzählt, wie viel Faschismus im Nachkriegsdeutschland in und südamerikanischen Diktaturen steckte (Knesebeck). Nur für eine gute Überleitung möchte man Mengeles Flucht eigentlich nicht mit der von Jules Vernes Kapitän Nemo vergleichen. Nach vielen Jahren greift das Zeichner-Autoren-Duo Schuiten & Peeters noch mal auf seine Parallelwelt der „Geheimnisvollen Städte“ zurück, die rund 20 Alben hervorgebracht hat. „Die Heimkehr des Kapitän Nemo“ fantasiert, dass Nemo nach der Zerstörung der „geheimnisvollen Insel“ in seinem Unterwasserboot Nautilus als Hybrid mit einem angedockten Oktopus durch die Welt der Geheimnisvollen Städte streift, bis die sogenannte „Nautipus“ Nemos Heimat erreicht. Wie in Vernes Büchern ist die Reise angereichert mit Zeichnungen, die an Stiche erinnern. Eine traumwandlerische Steampunk-Fantasie, die schließlich Protagonist und Autor ineinanderschiebt (Schreiber & Leser).
Den kompletten Irrsinn gibt es bei Frank Miller und Geoff Darrow. Anfang und Mitte der 90er Jahre haben sie sich für die Projekte „Hardboiled“ und „Big Guy and Rusty the Boy Robot“ zusammengetan. Wildeste Zerstörungsfantasien, die Darrow in seinen kleinteiligen Zeichnungen atemberaubend arrangiert, feiern die Konflikte zwischen Mensch, Maschine und Monster. In „Hardboiled“, das als Neuauflage erscheint, erkennt ein normaler Versicherungsvertreter bestürzt, dass er ein Androide ist. Das ultimative Godzilla-mäßige Schlachtenepos „Big Guy…“ erscheint erstmals auf Deutsch, ein aberwitziges Spektakel im Großformat (Cross Cult). Amazing Améziane widmet sich derweil auf über 200 Seiten exzessiv dem Werk von „Quentin Tarantino“ und bleibt dabei selber dramaturgisch, visuell und atmosphärisch dicht am Objekt seiner Untersuchung. Natürlich ist das nerdig hoch zehn, wenn zwei solche Film- und Comicfans aufeinandertreffen – aber eben auch genauso unterhaltsam (Splitter).
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Comics über Comics
Originelle neue Graphic Novels – ComicKultur 11/24
Krawall und Remmidemmi
Begehren und Aufbegehren im Comic – ComicKultur 10/24
Ein Quäntchen Zuversicht
Düstere, bedrohliche Welten mit kleinem Hoffnungsschimmer – ComicKultur 09/24
Kunst leben, Kunst töten
(Auto-)Biografische Comics bleiben ein großer Trend – ComicKultur 08/24
Repetitive Einsamkeit
Comics aus der (inneren) Isolation – ComicKultur 07/24
Allzu menschlicher Sternenkrieg
Annäherungen an Philosoph:innen und Filmemacher:innen – ComicKultur 06/24
Von Kant bis in die Unterwelt
Zarte und harte Comicgeschichten – ComicKultur 05/24
Female (Comic-)Future
Comics mit widerspenstigen Frauenfiguren – ComicKultur 04/24
Held:innen ohne Superkraft
Comics gegen Diktatur und Ungerechtigkeit – ComicKultur 01/24
Ernste Töne
Neue Comics von Sfar, Yelin und Paillard – ComicKultur 12/23
Ausstellung in Buchformat
Wenn jedes einzelne Panel im Comic einem Kunstwerk gleicht – ComicKultur 11/23
Klaustrophobische Comics
Eingerahmter Existentialismus zwischen Leben und Tod – ComicKultur 09/23
ABC-Architektur
„Buchstabenhausen“ von Jonas Tjäder und Maja Knochenhauer – Vorlesung 11/24
Übergänge leicht gemacht
„Tschüss und Kuss“ von Barbara Weber-Eisenmann – Vorlesung 11/24
Auch Frauen können Helden sein
„Die Frauen jenseits des Flusses“ von Kristin Hannah – Literatur 11/24
Die zärtlichen Geister
„Wir Gespenster“ von Michael Kumpfmüller – Textwelten 11/24
Nachricht aus der Zukunft
„Deadline für den Journalismus?“ von Frank Überall – Literatur 10/24
Zurück zum Ursprung
„Indigene Menschen aus Nordamerika erzählen“ von Eldon Yellowhorn und Kathy Lowinger – Vorlesung 10/24
Eine Puppe auf Weltreise
„Post von Püppi – Eine Begegnung mit Franz Kafka“ von Bernadette Watts – Vorlesung 10/24
„Keine Angst vor einem Förderantrag!“
Gründungsmitglied André Patten über das zehnjährige Bestehen des Kölner Literaturvereins Land in Sicht – Interview 10/24
Risse in der Lüneburger Heide
„Von Norden rollt ein Donner“ von Markus Thielemann – Literatur 10/24
Förderung von Sprechfreude
„Das kleine Häwas“ von Saskia Niechzial, Patricia Pomnitz und Marielle Rusche – Vorlesung 10/24
Frauen gegen Frauen
Maria Pourchets Roman „Alle außer dir“ – Textwelten 10/24