Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 1

12.581 Beiträge zu
3.810 Filmen im Forum

Fachkräfte wohin?
Foto: motortion / Adobe Stock

Pflegepersonal to go

28. August 2019

Jens Spahn auf Shoppingtour in Osteuropa



„Anstrengende Schichtarbeit, psychische Belastung, geringe Wertschätzung und kaum Aufstiegschancen. Dafür im Gegenzug: niedriger Lohn. Interesse?“

So oder ähnlich müsste derzeit eine ehrliche Stellenanzeige für den Pflegeberuf in Deutschland lauten. Kein Wunder, dass immer weniger Menschen dieser Arbeit nachgehen wollen. Ein Trend der dramatische Konsequenzen hat: Aktuell fehlen in Deutschland etwa 50.000 Pflegekräfte – Tendenz steigend. Gesundheitsminister Jens Spahn hat daher im vergangenen Jahr ein Maßnahmenbündel auf den Weg gebracht, die „konzertierte Aktion Pflege“. Eines Vorhaben ist, verstärkt Pflegefachkräfte aus dem Ausland anzuwerben.

Auf dieser Rekrutierungsmission wandelnd ist Jens Spahn im vergangenen Monat in die kosovarische Hauptstadt Priština gereist, um dort eine private kosovarisch-deutsche Pflegeschule zu besuchen:„Bin beeindruckt von der Motivation der Pflegeschüler”,schrieb der Gesundheitsminister danach in sein Twitter-Reisetagebuch. Die Bewegtbilder der Reise belegen: Viele der jungen Auszubildenden träumen davon, in Deutschland zu arbeiten. Kommunikationsprobleme? Pustekuchen! Deutschunterricht ist hier Teil der Pflegeausbildung. Beflügelt von den positiven Eindrücken will Spahn einen institutionellen Rahmen für eine intensivierte Kooperation schaffen.

Auf den ersten Blick wirkt das alles rund – strahlende Gesichter auf beiden Seiten. Aber ob das Konzept tatsächlich eine Win-win-Situation darstellt die nachhaltig ist, ist fraglich. 14 Euro Mindestlohn (den Spahn im Pflegebereich einführen will), mögen zwar für die kosovarischen Pflegeschüler viel scheinen, könnten sich in Deutschland allerdings schnell relativieren. Zudem sind die hiesigen Arbeitsbedingungen für ausländische Pflegekräfte nicht minder prekär, nur weil sie aus der Heimat teils noch schlechtere Standards gewöhnt sind. Nochmals zur Verdeutlichung: In Deutschland haben Zehntausende den Beruf verlassen. Es mangelt genau genommen nicht an Interesse für den Pflegeberuf, vielmehr sind viele nicht mehr willens oder in der Lage, unter den jetzigen Bedingungen weiterzuarbeiten.

Forciert eine solche Anwerbung also eine Art Zweiklassen-Arbeitsgesellschaft? Im Sinne von: Für die Jobs, die hierzulande (zu recht!) keiner mehr machen will, holen wir uns einfach Menschen aus ärmeren Ländern? Ein Vorwurf, der etwas überzogen klingen mag. Fest steht: Der Minister hat offensichtlich keine Hemmungen, aus den schlechteren Lebensverhältnissen der Menschen im Kosovo Profit zu schlagen. Zur Verteidigung heißt es zwar, Deutschland würde, indem es die Ausbildungen mitfinanziert, auch zurückgeben. Und man arbeite daran, die hiesigen Arbeitsbedingungen zu verbessern. Von kosovarischer Seite werden allerdings weitere Bedenken geäußert: Die vermehrte Abwanderung der jungen Generation (die ja ohnehin schon im Gange ist) ist für die heimische Wirtschaft und die Sozialsysteme höchst problematisch.

Gegen den Pflegenotstand muss dringend etwas getan werden. Und positive Anreize für Migration zu setzen, ist gewiss kein Verbrechen. Allerdings bedarf es dabei politischer Weitsicht und fairer Berücksichtigung aller Konsequenzen. Lösungen? Ja. Auf Kosten Dritter? Nein.


Junge Migration - Lesen Sie weitere Artikel
zum Thema auch unter: trailer-ruhr.de/thema und engels-kultur.de/thema

Aktiv im Thema

jmd-koeln.de | Die Jugendmigrationsdienste bieten Beratungsangebote zur gesellschaftlichen Teilhabe aller jungen Menschen, unabhängig von der Herkunft.
coach-koeln.de | Die Kölner Initiative für Bildung und Integration junger Menschen macht Hilfsangebote u.a. für Berufswahl, Bewerbung und Sprachförderung.
grimme-lab.de/2017/05/25/vielfalt-foerdern-migranten-im-journalismus | Das Projekt unterstützt junge MigrantInnen auf Ihrem Weg in den Journalismus.

Fragen der Zeit: Wie wollen wir leben?
Schreiben Sie uns unter meinung@choices.de.

Marlene Drexler

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Konklave

Lesen Sie dazu auch:

Gelassen, nicht gleichgültig
Intro - Junge Migration

„Auswirkung auf die Schwächsten“
Politikwissenschaftler Andreas Nölke über Probleme der Migration

Wege zum Selbst
Coaching junger Migranten in Köln-Ehrenfeld

Willkommenskultur statt Abschottung
In Portugal wünscht man sich mehr Flüchtlinge – Europa-Vorbild: Portugal

Im Quietscheentchenland
Verliebt in die Bürokratie

Leitartikel

Hier erscheint die Aufforderung!