choices: Frau Lacroix, was erwartet mich im Museum Plagiarius in Solingen?
Christine Lacroix: Wir zeigen dort mehr als 350 Originale und deren Plagiate im direkten Vergleich. Angefangen von Haushaltswaren und Kinderspielzeug über Möbel und Sanitärprodukte bis hin zu komplexen technischen Produkten. Ergänzt wird die Sammlung durch vom Zoll beschlagnahmte Waren, z. B. Bekleidung, Medikamente, Kosmetika etc.
Sind Sie empört über die Plagiate?
Natürlich, wir prangern diese Form des Diebstahls geistigen Eigentums an. Der Plagiarius wurde 1977 von dem Designer Professor Rido Busse ins Leben gerufen, als er selbst von Plagiaten betroffen war. Es geht uns darum, die Öffentlichkeit für diese Problematik zu sensibilisieren. Plagiate und Fälschungen richten sowohl in der Industrie große Schäden an wie auch beim Verbraucher. Sie können insbesondere dann zur Gefahr werden, wenn minderwertige Materialien verwendet oder Sicherheitsstandards nicht erfüllt werden.
Warum gibt es Plagiate?
Für den Plagiator ist es eine leichte Möglichkeit, schnell und ohne eigenes Knowhow viel Geld zu verdienen – und die Gewinnspannen sind riesig: Er spart die Kosten für Forschung und Entwicklung. Das ist meist der größte Posten bei der Einführung neuer Produkte. Hinzu kommt, dass er auch die Kosten für das Marketing spart, weil er sich auf Produkte fokussiert, für die bereits Nachfrage besteht. Wenn er dann noch minderwertige Materialien verwendet und in Niedriglohnländern produziert, kann er sein Nachahmerprodukt teils bis zu einem Zehntel des Originalpreises auf den Markt bringen und so dem Originalhersteller Marktanteile abgraben.
Nachmachen ist also ein einträgliches Geschäft?
Ja, enorm sogar. Das symbolisiert auch die von Professor Busse gewählte Plagiarius-Trophäe: Der schwarze Zwerg mit der goldenen Nase steht für die exorbitanten Gewinne, die die Produktpiraten sprichwörtlich auf Kosten Dritter erwirtschaften.
Ist Produktpiraterie ein Phänomen unserer Zeit?
Nein, die gab es schon zu Zeiten der alten Römer oder von Shakespeare. Aber in Zeiten der Globalisierung und der Automatisierung haben sich Ausmaß und Profitspannen explosionsartig vergrößert – es werden riesige Mengen an Plagiaten hergestellt und global vermarktet.
Hat der Boom der Produktpiraterie auch etwas mit dem Markenhype unserer Zeit zu tun?
Ja. Die Verbraucher sind, das zeigen auch Studien, gleichzeitig Marken- und Schnäppchenjäger. Sie wollen das Markenprodukt haben, sind aber nicht bereit, den Originalpreis dafür zu bezahlen. Statussymbole und ein günstiger Preis sind leider oftmals wichtiger als Qualität.
Was kann gegen diesen Trend gemacht werden?
Betroffene Firmen wehren sich mit juristischen, organisatorischen und auch mit technischen Maßnahmen gegen Produktpiraterie. Eine wichtige Rolle kommt auch der Sensibilisierung der Verbraucher zu. Wir schreiben jährlich den Plagiarius-Wettbewerb aus. Mit dem Negativpreis werden Hersteller und Händler besonders dreister Nachahmungen „ausgezeichnet“. Informationen finden Sie unter www.plagiarius.com.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Alles nur gefälscht
Kopien, Imitationen, Fälschungen – THEMA 10/11 ALLES, WAS ECHT IST
„Nicht nur für die oberen Zehntausend“
Thomas Giel und Klaus Hebold über gesellschaftliche Trends und Schönheitschirurgie – Thema 10/11 Alles, was echt ist
„Guttenberg hat meine Welt verändert“
Debora Weber-Wulff über Plagiate im Wissenschaftsbetrieb – Thema 10/11 Alles, was echt ist
„An die Firmen kommen wir nicht ran“
Gerd Plinz über die Arbeit des Zolls am Flughafen Köln Bonn – Thema 10/11 Alles, was echt ist
„Viele Spiele haben noch einen sehr infantilen Touch“
Teil 1: Interview – Medienpädagoge Martin Geisler über Wandel in der Videospiel-Kultur
„Genießen der Ungewissheit“
Teil 2: Interview – Sportpädagoge Christian Gaum über das emotionale Erleben von Sportevents
„Ich muss keine Konsequenzen fürchten“
Teil 3: Interview – Spieleautor und Kulturpädagoge Marco Teubner über den Wert des Spielens
„Die Bürger vor globalen Bedrohungen schützen“
Teil 1: Interview – Politikwissenschaftler Oliver Treib über Aufgaben und Zukunft der Europäischen Union
„Mosaik der Perspektiven“
Teil 2: Interview – Miriam Bruns, Leiterin des Goethe-Instituts Budapest, über europäische Kultur
„Der Verkauf des Kaffees nach Europa ist gestoppt“
Teil 3: Interview – Sebastian Brandis, Sprecher der Stiftung Menschen für Menschen, über das EU-Lieferkettengesetz
„Tiefseebergbau ohne Regularien wäre ganz schlimm“
Teil 1: Interview – Meeresforscher Pedro Martinez Arbizu über ökologische Risiken des Tiefseebergbaus
„Wir müssen mit Fakten arbeiten“
Teil 2: Interview – Meeresbiologin Julia Schnetzer über Klimawandel und Wissensvermittlung
„Entweder flüchten oder sich anpassen“
Teil 3: Interview – Klimaphysiker Thomas Frölicher über ozeanisches Leben im Klimawandel
„Es liegt nicht am Gesetz, Kriminalität zu verhindern“
Teil 1: Interview – Kriminologe Dirk Baier über Gewaltkriminalität und Statistik
„Prüfen, ob das dem Menschen guttut“
Teil 2: Interview – Publizist Tanjev Schultz über ethische Aspekte der Berichterstattung über Kriminalfälle
„Eltern haben das Gefühl, sie müssten Buddhas werden“
Teil 3: Interview – Familienberaterin Nina Trepp über das Vermeiden von psychischer Gewalt in der Erziehung
„Ernährungsweisen verändern, ohne Zwang“
Teil 1: Interview – Tierethikerin Friederike Schmitz über vegane Ernährung
„Naturschutz wirkt“
Teil 2: Interview – Biologin Katrin Böhning-Gaese über Biodiversität, Wildtiere und Naturschutz
„Sie verstehen uns“
Teil 3: Interview – Tierhistorikerin Mieke Roscher über die Beziehung zwischen Menschen und Tieren
„Was nicht erlaubt ist: Druck ausüben“
Teil 1: Interview – Autor Sebastian Schoepp über Freundschaften
„Bin ich eifersüchtig oder eher neidisch?“
Teil 2: Interview – Paarberaterin Sonja Jüngling über sexuelle Kontakte außerhalb einer Paarbeziehung
„Mit dem ersten Kind nimmt die Ungleichheit zu“
Teil 3: Interview – Soziologe Kai-Olaf Maiwald über Ehe, Familie und Geschlechterverhältnisse
„Mehr Umsatz, mehr Gesundheit“
Teil 1: Interview – Unternehmer Martin Gaedt über die Vier-Tage-Woche
„Das kann man mit keiner Gerechtigkeitstheorie erklären“
Teil 2: Interview – Historiker Marc Buggeln über Steuerpolitik und finanzielle Ungleichheit in Deutschland
„Die Gesellschaft nimmt diese Ungleichheiten hin“
Teil 3: Interview – Soziologe Klaus Dörre über Armutsrisiken und Reichtumsverteilung