Freitag, 16. November: Es hat mittlerweile schon Tradition, dass das WDR Rundfunkorchester Köln sich in seinen Konzerten auch den varianten- und facettenreichen Kompositionen annimmt, die ursprünglich für Videospiele erstellt wurden. Ähnlich wie bei den Kompositionen für Spielfilme erfreuen sich diese zeitgenössischen Werke zunehmender Beliebtheit, weswegen die nach wie vor seltenen Aufführungen mit großem Orchester zumeist innerhalb kürzester Zeit ausverkauft sind. Musikproduzent Thomas Böcker war 2003 der erste, der außerhalb Japans ein derartiges Spielemusikkonzert im Leipziger Gewandhaus auf die Beine stellte. Und auch in Köln hat er beispielsweise mit den Programmen „Symphonic Shades“ (das sich den Arbeiten von Chris Hülsbeck widmete) oder „Symphonic Legends“ (das ganz unter dem Zeichen von Nintendo-Spielen stand) Erfolge gefeiert.
Nun hat Böcker mit „East Meets West“ im Rahmen des Musikfestivals „Soundtrack Cologne“ in Köln bereits zum fünften Mal in Zusammenarbeit mit dem WDR Rundfunkorchester ein Spielemusikkonzert organisiert und produziert. Im Vorfeld wies er noch einmal auf die Unterschiede zu Filmmusikkompositionen hin, denn bei Videospielen kommt stets die interaktive Komponente hinzu. „Das bedeutet, dass sich die Stücke je nach Spielverlauf dynamisch anpassen müssen.“ Für die Konzertsituationen hatte man nun spezielle Partituren geschaffen, bei denen man sich bemühte, die Atmosphäre der Spiele wiederzugeben, wodurch einzelne Stücke durchaus mal deutlich länger ausfallen konnten, als man sie aus den entsprechenden Spielen gewohnt war. Der erste Programmblock des Abends begann mit der bombastischen Nintendo-Musik „Lylat Wars und StarWing“, dem Laura Karpmans „EverQuest II“ folgte, eine Art Marschmusik, die durch das Aufstampfen der Musiker auf der Bühne für Aufsehen sorgte. Nach dem sehr filmischen Score zum James-Bond-Spiel „Blood Stone“ von Richard Jacques folgten mit Austin Wintorys „Journey – Apotheosis“ und Nobuo Uematsus „Final Fantasy“-Komposition (mit Piano-Solo von Benyamin Nuss) zwei sehr facettenreiche Stücke, in denen auch häufig leisere Töne angeschlagen wurden.
Nach der Pause ging es abermals bombastisch los – zu Yasunori Mitsudas „Xenogears“-Suite betrat auch der WDR Rundfunkchor Köln die Bühne. Der bereicherte im Folgenden auch Kai Rosenkranz’ „Gothic 3“-Suite mit einem keltisch angehauchten Gesang. Für Nintendos „The Legend of Zelda: Twilight Princess – Light Spirit“ beeindruckte Sopranistin Dong-Hi Ji mit einem opernhaften Solo, bevor zum Abschluss Chris Hülsbecks „Anthology Suite“ aus „Turrican II“ ein beeindruckendes Konzert zu seinem runden Abschluss brachte. Das Stück wies einen der größten Spannungsbögen des Programms auf und wurde wohl deswegen für das Finale ausgewählt. Als Zugaben spielte man darüber hinaus das Titel gebende Stück „East Meets West“ sowie „The Great Giana Sisters“, welches schon bei „Symphonic Shades“ zur Aufführung gekommen war. Hülsbeck war, wie die meisten seiner Komponistenkollegen, persönlich beim Konzert anwesend und zeigte sich anschließend beeindruckt vom Klangerlebnis des Abends, auch wenn Dirigent Wayne Marshall die Komponisten lediglich als geschlossene Gruppe nach dem Konzert auf die Bühne bat, weil er unumwunden zugab, dass er sich deren Namen „nicht merken konnte“.
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