Freitag, 10. August: Veranstaltet von der reiheM, der Konzertreihe für Gegenwartsmusik, Elektronik und neue Medien in Köln, in Zusammenarbeit mit dem Museum Ludwig, stand für eine Open-Air-Premiere auf dem Dach des Museums ein ganz besonderer Film auf dem Programm: „Anaparastasis: Life & Work of Jani Christou (1926-1970)“ von Costis Zouliatis. Programmleiter Frank Dommert war es gelungen, den griechischen Regisseur dafür extra aus Athen anreisen zu lassen. Zouliatis zeigte sich begeistert von der Resonanz des deutschen Publikums, denn schon im April wurde er zum Screening einer Arbeitsfassung seines Films in Berlin willkommen geheißen. Nun war in Köln erstmals die finale Fassung des Mammutprojektes zu sehen, an dem Zouliatis in den letzten zehn Jahren gearbeitet hatte – und noch bevor der Film in einigen Wochen dann in Griechenland seine erste öffentliche Aufführung erleben wird. Weniger begeistert äußerte sich der Filmemacher zu den Kölner „Sommertemperaturen“: „Als ich aus Athen abreiste, waren es dort 43° Celsius, Sie können sich vorstellen, dass mir das hier wie Winter vorkommt.“
Unabhängige Produktionen wie „Anaparastasis“ haben es natürlich auch in Griechenland schwer, erst recht, nachdem das gesamte Land nun schon seit Monaten in einer schweren Finanzkrise steckt. „So machen wir Filme in Griechenland – ohne Geld“, war Zouliatis’ lapidare Äußerung zu diesem Problem. Dennoch lässt ihn die Faszination für Leben und Werk von Jani Christou nicht los. Schließlich war der Musiker und Komponist seiner Zeit weit voraus, wie viele Zeitzeugen und Kollegen in der Dokumentation zum Ausdruck bringen. Für die einen war er Vorreiter der Musikavantgarde, für andere schlichtweg ein Musiksurrealist, dessen Œuvre nach wie vor einzigartig ist. Irgendwann war Christou dazu übergegangen, seine Werke nicht mehr herkömmlich in Noten auf Papier zu bringen, sondern als eine Art Comicstrip, der in bildlicher Form Anweisungen für die Musiker und den Dirigenten enthielt.
Nicht zuletzt deswegen sieht Costis Zouliatis in seinem Landsmann einen Künstler, der die unterschiedlichsten Talente in sich vereinte: Malerei, Philosophie, Musik, Darstellende Kunst und Fotografie sind nur einige davon. Für seine Dokumentation hatte der junge Regisseur nun versucht, seine Bilder in der gleichen Weise fließen zu lassen, wie Christou dies mit seiner Musik gelungen war. „Ich folgte den Bildern und den Tönen über jegliche Logik hinaus.“ Auf Nachfrage eines Zuschauers erläuterte Zouliatis, dass Christous Noten auf eigenen Wunsch nie verlegt worden seien. Dem Komponisten war der direkte Kontakt zu Musikern und Dirigenten stets wichtiger. Aber Zouliatis arbeitet mittlerweile schon an einem anderen Christou-Projekt: Er möchte ein zweisprachiges Buch (in griechisch und englisch) über den Komponisten veröffentlichen, in dem dann auch einige Faksimiles der ungewöhnlichen Musikzeichen abgedruckt sein sollen.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Ernste Themen im Gegenüber
Kresiah Mukwazhi im Museum Ludwig
Männer aus dem Lexikon
Gerhard Richters 48 Porträts im Museum Ludwig
Niemals gleich
Roni Horn im Museum Ludwig – kunst & gut 07/24
Zeit begreiflich machen
Die Neupräsentation der Sammlung zeitgenössischer Kunst im Museum Ludwig
Ein Meister in Schwarz, Grau und Weiß
Chargesheimer im Museum Ludwig
Wenn Kino Schule macht
Die Reihe Filmgeschichte(n) spürt Schulgeschichten auf – Festival 05/24
Ein König schenkt
Schenkungen von Kasper König an das Museum Ludwig – kunst & gut 03/24
Gespür für Orte
Füsun Onur mit einer Retrospektive im Museum Ludwig – kunst & gut 12/23
Der Atem des Films
Das Festival „Edimotion“ holt die Monteure des Films ins Rampenlicht – Festival 10/23
Die eigene Geschichte
„Ukrainische Moderne & Daria Koltsova“ im Museum Ludwig – kunst & gut 09/23
Verschiedenen Perspektiven
Neupräsentation der Sammlung im Museum Ludwig
Innenleben der Wirklichkeit
„Ursula – Das bin ich. Na und?“ im Museum Ludwig – kunst & gut 05/23
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Der Tod, der uns verbindet
NRW-Premiere von Eva Trobischs „Ivo“ – Foyer 06/24
Die schwierige Situation in Venezuela
„Das Land der verlorenen Kinder“ im Filmhaus – Foyer 06/24
Ungewöhnliches Liebesdrama
„Alle die du bist“ im Odeon – Foyer 05/24
Mehr als „Malen-nach-Zahlen-Feminismus“
„Ellbogen“ im Filmpalast – Foyer 04/24
Gegen die Marginalisierung weiblicher Körper
„Notre Corps“ im Filmforum – Foyer 04/24
„Paradigmenwechsel im Mensch-Natur-Verhältnis“
Mirjam Leuze zum LaDOC-Werkstattgespräch mit Kamerafrau Magda Kowalcyk („Cow“) – Foyer 03/24
Bären für NRW-Filme?
21. NRW-Empfang im Rahmen der 74. Berlinale – Foyer 02/24