Montag, 26. November: Ausgangspunkt für das zweite Praxispanel „Muster schneiden – Ein Kunstwerk findet seine Formen“ im Rahmen des Schnittpreisfestivals film+ war eine Arbeit für die diesjährige dOCUMENTA in Kassel. Der Regisseur Clemens von Wedemeyer hatte sich für seine Mehrkanalarbeit „Muster (Ruhes)“ des ehemaligen Benediktinerklosters Breitenau in Nordhessen angenommen. Anhand dreier Zeitabschnitte bebilderte er die wechselvolle Geschichte des Ortes, der 1945 als Arbeitserziehungslager von den Amerikanern befreit wird, in dem 1970 ein in einem Mädchenerziehungsheim spielender Film gedreht wird und wo 1994 eine Schulklasse den hier zu Tode gekommenen Menschen gedenkt. Zu jedem dieser drei Abschnitte hatte von Wedemeyer einen 27minütigen Film gedreht. Alle drei wurden schließlich als Kunstinstallation gleichzeitig auf drei Leinwände projiziert, die sich – im Dreieck angeordnet – im selben Raum befanden. Minutiös war die Dramaturgie der drei Handlungsstränge aufeinander abgestimmt, damit die unterschiedlichen Tonspuren sich nicht gegenseitig überdeckten, sich aber dennoch unterbewusst gegenseitig beeinflussen konnten. Kurze Zeit später realisierte von Wedemeyer mit seiner Editorin Janina Herhoffer eine Spielfilmversion der Installation, die natürlich anderen dramaturgischen Überlegungen gerecht werden musste.
Kyra Scheurer, die künstlerische Leiterin von film+, diskutierte im Filmforum mit dem Regisseur, seiner Editorin und Dr. Barbara Engelbach, Kuratorin am Museum Ludwig und Mitbegründerin des Filmforums NRW. Das Gespräch über die unterschiedlichen Herangehensweisen an die beiden verschiedenen Varianten zum selben Thema wurde immer wieder mit Filmausschnitten und einer Computeranimation, die einen Eindruck von der Installation vermittelte, veranschaulicht. Dr. Engelbach beschrieb die dOCUMENTA-Version als „radikale Installation, bei der der Schnitt an die Zuschauer abgegeben wurde.“ Das sei für sie eine „unglaublich komplexe und spannende Filmerfahrung“ gewesen. Janina Herhoffer hatte in Kassel allerdings beobachtet, dass viele Zuschauer sich für eine Leinwand entschieden und sich vor dieser hinsetzten oder stehen blieben: „Wir waren ursprünglich davon ausgegangen, dass eine viel größere Bewegung im Raum stattfinden würde.“
Gleichwohl hatten die Filmemacher schon beim Erstellen der Installation die Langfilmvariante mitgedacht. Clemens von Wedemeyer erläuterte im Gespräch, dass viele der Schnittentscheidungen für den Langfilm dann dennoch von der Installation geprägt waren: „Ich empfand das fast schon wie eine therapeutische Sitzung, als ich in der Position des Cutters das Material verdichtete.“ Schließlich musste man die drei Handlungsstränge für die Langfilmfassung derart zusammenbringen, dass sich die unterschiedliche Dramatik und Gewichtung der Einzelelemente im Gesamtbild am Ende nicht gegenseitig behinderten. Hinzu kam, dass die drei Enden der Einzelfilme für die Spielfilmversion auf eines reduziert werden mussten. Hierbei kam von Wedemeyer und Herhoffer das ausgeklügelte Konzept zu gute, das noch vor Beginn der Dreharbeiten erstellt worden war. Kyra Scheurer brachte dies zum Ende des Praxispanels recht anschaulich auf den Punkt: „Montage auf ganz vielen Ebenen ist das Charakteristikum dieser Arbeit. Vieles war im Drehbuch schon montiert.“ Anhand von Powerpoint-Schaubildern konnten sich die Zuschauer im Filmforum selbst ein Bild davon machen, denn von Wedemeyers Drehbuch war dreispaltig gegliedert und beschrieb die Handlungsabfolgen der drei Kurzfilme sekundengenau parallel zueinander.
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