Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
28 29 30 31 1 2 3
4 5 6 7 8 9 10

12.581 Beiträge zu
3.805 Filmen im Forum

Tasche auf dem Kopf, Hörnchen im Mund: Torsten Schlosser
Foto: T. Schlosser

Zwei Männer hauen auf die Zwölf

23. Dezember 2014

Schlosser und Britton provozieren schallendes Gelächter – Komikzentrum 01/15

Das musste mal gesagt werden: Ampelfrauen sind unterrepräsentiert im Straßenverkehr. Wobei eine Debatte um deren mangelnde Präsenz in den Vorstandsetagen noch aussteht. Doch im Ernst: Das neue Jahr fängt gut an. Zum Beispiel mit Torsten Schlosser, der am 5. Januar im Atelier Theater droht: „Ich bin kurz davor dieses Programm abzubrechen.“ Dabei darf er das überhaupt nicht, weil sein Regisseur ihm das strengstens verboten hat. Aber man muss nicht alles glauben, was der Mann auf der Bühne erzählt. Zum Beispiel, dass er inzwischen unabhängig ist von sämtlichen Stromanbietern dieser Welt. Er betreibe sein eigenes Kernkraftwerk mittels eines Hamsters im Rad, also ökologisch einwandfrei.

Dass Schlosser einen ganz eigenen, politisch nicht immer einwandfreien Humor besitzt, ist die eine Sache. Die andere, dass er ein Showtalent ist, dessen Parodien auf die Fernsehunterhaltungs-Maschinerie man nur zu gerne zuschaut. Der in Köln lebende Komiker hat vor nichts keine Angst, verletzt mit offensichtlicher Wonne Tabus wie Kinder-Bashing, macht sich über den Preis-Regen im Kleinkunst-Bereich lustig und kann sehr schön Gewitter-Geschichten erzählen. Kurz: Schlosser haut auf die Zwölf, dass die Funken nur so sprühen – und keineswegs in der Steckdose verschwinden.

 

Es gibt viele – und vor allem widersprüchliche – Forschungsergebnisse über den Mann in der Midlife-Crisis: Mark Britton ist ihnen mit „Forever Jungs“ (am 23. Januar im Senftöpfchen) auf der Spur. Anders gesagt: Er kann aus seinem eigenen, reichen Erfahrungsschatz über „das merkwürdige Verhalten von Männern in der Lebensmitte“ berichten. Mit englischem Humor und in deutscher Sprache kommt alles aufs Tapet, was den angereiften Homo sapiens umtreibt. Und das ist eine Menge: zu alt für Rock’n’Roll, aber zu jung für Wassergymnastik. Der Blick in den Spiegel lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass der Alterungsprozess unaufhaltsam fortschreitet: Der Verlust des Haupthaares hinterlässt tiefe Spuren in der Selbstwahrnehmung.

Die angeblichen Beweise dafür, dass die Krise in Wirklichkeit gar nicht existiert – ein trainierter Körper, ein reges Sozialleben, jugendliche Kleidung, eine militant-sonnige Einstellung, eine pulsierende Karriere, ein wohlwollendes Universum – seien in Wirklichkeit eine ausgeklügelte Verteidigungsstrategie gegen jeden Gedanken, der die Realität des Alterns und des nahenden Todes beträfe, glaubt der in Großbritannien aufgewachsene Comedian, der den Deutschen – zunächst als Duo Nickelodeon – seit Anfang der 90er Jahre zeigt, was Slapstick ist: die Kunst, präzise und mit genau austariertem Timing in sämtliche Fettnäpfchen zu treten, die das Leben bereit stellt.

Der Autor Lenz Prütting („Homo ridens. Eine phänomenologische Studie über Wesen, Formen und Funktionen des Lachens“) würde das, was der Brite beim Publikum auslöst, als Bekundungslachen bezeichnen, ein Lachen, das aus dem Einzelnen herausbricht und eine befreiende Wirkung hat. Kichernd oder lauthals prustend, gickelnd und gackernd, sich ausschüttend oder losbrüllend, den Bauch haltend oder in einen Lachkrampf fallend, verwandelt sich der typische Britton-Zuschauer in ein Wesen, dem die Fassung abhanden gekommen ist. Und das ist gut so, möchte man hinzufügen. Oder um es in Abwandlung mit Wittgenstein zu sagen: Worüber man nicht reden kann, darüber muss man lachen. Der Mann in seiner zweiten Pubertät macht es uns leicht – schwört wie immer hoch und heilig die Ihnen stets ergebene

ANNE NÜME

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Alter weißer Mann

Lesen Sie dazu auch:

Absurdität mit Haltung
Torsten Schlosser regt sich auf – Komikzentrum 02/20

Frisch und frech
Maria Clara Gropplers neues Programm – Komikzentrum 09/19

Die Frau in Blau
Vicki Blau im Atelier Theater – Komikzentrum 12/18

Spaß mit dem Publikum
Thomas Kreimeyers Auftritt im Atelier Theater – Bühne 06/18

Allerhand zum Piepen
Die Reihe „Gratis und nicht umsonst“ wird 21 Jahre alt – Komikzentrum 06/18

Begleiterscheinungen der Melancholie
Der Kölner Comedy-Einzelgänger Alexander Bach – Bühne 04/18

Er hat die Schnauze voll
Torsten Schlosser mit unkonventionellem Stand-Up – Komikzentrum 01/18

Würste, die nach Nutella schmecken
Bohn, Waghubinger und Korthaus mit Baumgartner im Atelier Theater – Komikzentrum 06/17

Das Geschäft mit den Daten
„Ein Nerd kommt meistens allein“ von sopolonia im Atelier Theater – Bühne 04/17

Kinderhochzeiten und googlesichere Westen
Reihe „Gratis und nicht umsonst“ ab 5.6. im Ateliertheater – Bühne 04/17

Viel Fun und noch mehr Magie
Das 26. Köln Comedy Festival läuft und läuft und läuft – Komikzentrum 11/16

Wo der Kühlschrank brummt
Comedy-Reihe „Gratis und nicht umsonst“ bis zum 27.8. im Atelier Theater

Komikzentrum.

Hier erscheint die Aufforderung!