Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 1

12.582 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

„Ein Nerd kommt meistens allein“
Foto: sopolonia

Das Geschäft mit den Daten

21. April 2017

„Ein Nerd kommt meistens allein“ von sopolonia im Atelier Theater – Bühne 04/17

Noch während das Publikum plauscht betritt ein junger Mann aus dem Zuschauerraum die Bühne und beginnt großspurig das spartanische Bühnenbild – oder eher Büro – zu bemängeln: „Anscheinend sind die Neunziger gar nicht tot, sie riechen nur so.“ Nick (Christian Dücker) ist ein „Digital Native“, der dem Berliner Hipster-Brutkasten entflohen ist, um in einem aufstrebendem Kölner Start-Up-Unternehmen Fuß zu fassen. So hat Detlef, der Inhaber des Kölner Unternehmens, es Nick zumindest verkauft. Doch Datadukt entpuppt sich als dröges Datenschutzunternehmen, bestenfalls eine „digitale Putzkolonne“. Nicht mal einen Kickertisch, geschweige denn einen Smoothie-Maker gibt es hier – ganz abgesehen vom steinzeitlichen Equipment. Zu allem Überfluss ist seine Vorgesetzte Victoria (Jutta Dolle) die Exfrau vom Chef und sein Kollege Frillo (Sebastian Schlemmer), ein Hybrid aus Spießer und Nerd, sieht in ihm einen unerwünschten Nebenbuhler. So begleiten wir Nick durch seinen ersten Arbeitsalltag voller Intrigen, Eskapaden und diffizilen Beziehungsgeflechten.

Das Lachen fällt leicht bei „Ein Nerd kommt meistens allein“, denn die geistreichen Pointen kommen wie aus dem Gewehr geschossen, die Gesellschaftskritik wiegt schwer, wird aber in gut portionierten Einzelvorträgen eingestreut. In einem Moment sinniert Frillo über „den Crash, der das System erhält“ und im nächsten Moment geht die Handlung weiter. Im nächsten Moment lachen wir wieder und denken erstmal nicht weiter über das soeben Offenbarte nach. So wie wir nicht weiter über die NSA-Affäre nachdenken, sobald wir die neuste Staffel „Game of Thrones“ auf Netflix streamen, auf Facebook liken und unsere Meinung twittern können.


„Ein Nerd kommt meistens allein“, Foto: sopolonia

Die subtil aber gezielt gesäte Kritik führt dazu, dass man sich als Zuschauer nicht belehrt fühlt, sondern zur Reflektion angeregt: „Macht es uns die moderne Kommunikation mit ihren Sozialen Netzwerken wirklich einfacher oder verschleiert sie die wichtigen Fakten unter den Variablen? Was in unsere Verantwortung im Netz als Einzelperson und als Unternehmen?“ Klar macht uns das Stück vor allem eines: Die Lösung muss eine gemeinsame sein, man ist nicht bloß Zuschauer. Man ist ein Akteur. So wie im Stück selber, in welchem die Schauspieler immer wieder mit dem Publikum interagieren. Man spricht mit ihnen, fühlt mit ihnen und erkennt sich selbst oft unangenehm in ihnen wieder. Das Stück ist Kabarett, bissig und kritisch, aber auch Sitcom, humorvoll und situativ. Das alles in drei Akten à 30 Minuten mit jeweils zwei Pausen von einer Viertelstunde.

„Es sollte intelligent sein wie ‚The Big Bang Theory‘“, erklärt Heiner Kirchner, Geschäftsführer der Produktion sopolonia – was für „sozial-politisch-kritisches Kabarett in Colonia“ steht. In den 80ern baute er das Senftöpfen Theater mit Alexandra Kassen Senior am heutigen Standort auf und ist somit versiert im Kabarett-Sektor. Die Grundidee erarbeitete er zusammen mit Maike Greine von 1Live und Komikerin Anka Zink. Den jugendlichen Schliff  habe am Ende, nach Kirchners Aussage, aber vor allem Johan Heß rein gebracht, der zusammen mit Markus Tomczyk Regie führte. So ist das Stück – obwohl es in erster Linie für „30- bis 50-Jährige und Firmen die mit dem Thema Daten zu tun haben“ angedacht war – altersmäßig ambivalent. Nach der Aufführung applaudieren jung und alt gleichermaßen begeistert.

„Ein Nerd kommt meistens allein“ | R: Johan Heß, Markus Tomczyk | 25.4., 2., 9., 16., 23.5. 20.30 Uhr | Atelier Theater | 0221 24 24 85

Catharina Chlupaty

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Konklave

Lesen Sie dazu auch:

Absurdität mit Haltung
Torsten Schlosser regt sich auf – Komikzentrum 02/20

Frisch und frech
Maria Clara Gropplers neues Programm – Komikzentrum 09/19

Die Frau in Blau
Vicki Blau im Atelier Theater – Komikzentrum 12/18

Spaß mit dem Publikum
Thomas Kreimeyers Auftritt im Atelier Theater – Bühne 06/18

Allerhand zum Piepen
Die Reihe „Gratis und nicht umsonst“ wird 21 Jahre alt – Komikzentrum 06/18

Begleiterscheinungen der Melancholie
Der Kölner Comedy-Einzelgänger Alexander Bach – Bühne 04/18

Er hat die Schnauze voll
Torsten Schlosser mit unkonventionellem Stand-Up – Komikzentrum 01/18

Würste, die nach Nutella schmecken
Bohn, Waghubinger und Korthaus mit Baumgartner im Atelier Theater – Komikzentrum 06/17

Kinderhochzeiten und googlesichere Westen
Reihe „Gratis und nicht umsonst“ ab 5.6. im Ateliertheater – Bühne 04/17

Viel Fun und noch mehr Magie
Das 26. Köln Comedy Festival läuft und läuft und läuft – Komikzentrum 11/16

Wo der Kühlschrank brummt
Comedy-Reihe „Gratis und nicht umsonst“ bis zum 27.8. im Atelier Theater

Zwei Männer hauen auf die Zwölf
Schlosser und Britton provozieren schallendes Gelächter – Komikzentrum 01/15

Bühne.

Hier erscheint die Aufforderung!