In diesem Frühjahr steht in Köln mal wieder der Bürgerhaushalt auf der politischen Tagesordnung. Diesen legt die Stadt seit 2007 alle zwei Jahre neu auf, um der Forderung vieler Bürger nach einer stärkeren Beteiligung an den politischen Entscheidungsprozessen entgegen zu kommen. Jeder kann dabei Vorschläge für Maßnahmen im öffentlichen Raum einbringen – ob diese dann letztlich auch umgesetzt werden, steht auf einem anderen Blatt. Zumindest jedoch kann man die stadtweit mehr als 850 Vorschläge als Stimmungsbild begreifen, das sichtbar macht, welche Politikbereiche den Bürgern am Herzen liegen. Dabei liegt der Wunsch nach verbesserten Bedingungen für den Fahrradverkehr mit auf den vorderen Plätzen.
Das kommt nicht von ungefähr, denn in Köln gibt es eine sehr lebendige Szene von Zweirad-Aktivisten, die sich in verschiedensten Organisationsformen für eine Stärkung des Radverkehrs einsetzen. Und obwohl Kölner Politik und Verwaltung bei diesem Thema immer noch hinterherhinken, haben sie in letzter Zeit durchaus Erfolge erringen können. So etwa die Initiative #RingFrei, die sich für eine Verkehrsberuhigung auf den Kölner Ringen einsetzt, inklusive eines Tempolimits von 30 Km/h und der Verlegung des Radverkehrs auf die Fahrbahn. Im März letzten Jahres gelang es ihr, die Bezirksvertretung Innenstadt davon zu überzeugen, ihren Zehn-Punkte-Plan für die Ringe zu beschließen. Dieser hat eine umfassende Umgestaltung zum Ziel, bei der Radfahrer und Fußgänger gleichberechtigt mit dem motorisierten Verkehr berücksichtigt werden sollen.
Prominentestes Beispiel ist aber sicherlich die „Critical Mass“: Der Pulk von hunderten Radfahrern, der immer am letzten Freitag im Monat auf verschiedenen Routen durch die Stadt zieht, ist inzwischen für viele ein vertrauter Anblick. Das besondere daran ist, dass die Critical Mass nicht als Demonstration gilt, die angemeldet werden müsste, sondern sich auf einen Paragraphen der Straßenverkehrsordnung beruft, nach dem Gruppen von mehr als 15 Radfahrern einen Verband bilden, für den die Radwegebenutzungspflicht aufgehoben ist. Aus Konsequenz daraus gibt es auch keinen offiziellen Organisator, keinen Verein oder eine Initiative, die hinter der Aktion steht – auf der Homepage der Critical Mass wird die monatliche Fahrradtour als „organisierter Zufall“ bezeichnet.
Eine Besonderheit innerhalb der Fahrrad-Szene, die über die reine Interessenvertretung hinaus geht, stellt die Faradgang dar: Der in Köln und Berlin aktive Verein hat es sich dem Motto „Mobilität für alle“ gemäß zum Ziel gesetzt, Bedürftigen zu funktionierenden Fahrrädern zu verhelfen. So machen die Mitglieder alte, ausgediente Drahtesel, die sie als Spenden erhalten, wieder fahrtüchtig und verschenken diese oder bieten an sogenannten „Schraubertagen“ nach Art eines Repair-Cafés ihre Hilfe bei der Reparatur des eigenen Rades an. Bekannt geworden ist die Gruppe vor allem durch ihr Engagement in der Flüchtlingsarbeit, bei dem sie ihre Schraubertage in Flüchtlingsunterkünften anbieten und den Asylsuchenden so eine kostengünstige Alternative zu Bus und Bahn verschaffen.
Malte Mäsgen, zweiter Vorsitzender des Vereins, möchte die Arbeit der Gruppe jedoch nicht ausschließlich über die Flüchtlingshilfe definieren. „Der Gedanke ist einfach, dass jeder ein Recht auf Mobilität hat, unabhängig von Status und Einkommen“, sagt er. Seit letztem Jahr ist die Faradgang offiziell ein Verein, aktiv ist sie jedoch schon seit 2013. „Dabei sind die meisten von uns von Haus aus keine Schrauber, entstanden sind wir aus einem Freundeskreis und Kreativ-Kollektiv“, sagt Mäsgen. Der erste Vorsitzende, Bastian Boss, habe die Idee aus einem Urlaub in Kambodscha mitgebracht. „Zuerst haben wir einem dortigen Waisenhaus alte Räder gespendet. Dann dachten wir, dass wir diese Form der Hilfe auch hierzulande anbieten können, hier haben wir auch genügend Bedürftige.“
Der Schrauber-Tag findet inzwischen einmal im Monat auf dem Gelände des Urban Gardening-Projekts Neuland e. V. statt, außerhalb der Reihe bieten sie ihre Hilfe jedoch auch in sozialen Einrichtungen selbst an, wie etwa beim Rom e.V., der sich für Sinti und Roma einsetzt. Neben ihrer karitativen Arbeit beteiligen sie sich aber auch an kulturellen Veranstaltungen wie dem Kölner Kurzfilmfestival, bei dem sie die „Shorts on Wheels“ organisieren. Obwohl sie durchaus Kontakt zu Beteiligten von RingFrei und der Critical Mass haben, hält sich die Faradgang mit politischen Statements zurück. „Wir wollen es nur einfach möglichst vielen ermöglichen, sich frei bewegen zu können“, so Mäsgen.
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zum Thema auch unter: trailer-ruhr.de/thema und engels-kultur.de/thema
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