Fünf Jahre und drei Monate Haft lautete Ende Mai das Urteil gegen die Leipziger Antifaschistin Lina E. Verurteilt wurde sie unter anderem wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung nach Paragraf 129 Strafgesetzbuch. Die 2017 aufgeweichte Vorschrift gilt mittlerweile als „Gummiparagraf“, mit dem die Behörden besonders gegen linke Aktivisten zu Felde ziehen. Selbst die Klimakleber der Letzten Generation – deren Aktionen durchaus kritikwürdig aber keine Verbrechen sind – werden unter anderem in Bayern als Verdachtsfall einer kriminellen Vereinigung geführt. Um als solche zu gelten braucht es laut dem 129er nicht mal Mitgliedslisten oder eine gemeinsame Kasse – beides eigentlich Wesensmerkmale von Vereinigungen.
Die Bundesanwaltschaft warf E. und ihren drei männlichen Mitangeklagten Angriffe auf Neonazis zwischen 2018 und 2020 vor. Dass diese selbst äußerst gewaltbereit waren macht die Sache nicht besser.
Versammlungsfreiheit aufgehoben
Den Verfolgungseifer, den die Bundesanwaltschaft in diesem Fall jedoch an den Tag legte, würde man sich bei faschistischen Gewalttätern wünschen. Aber selbst als das Urteil gefallen war, hörte die Kriminalisierung von Linken nicht auf. Eine Solidaritäts-Demo am Samstag nach dem Urteil wurde verboten, die Versammlungsfreiheit in Leipzig de facto aufgehoben. Der Grund: Es wurde Gewalt aus der linken Szene befürchtet. Demonstranten, die sich trotzdem auf die Straße wagten, wurden stundenlang von der Polizei eingekesselt. Im deutschen Blätterwald und in den öffentlich-rechtlichen Medien hielt sich die Aufregung über den Leipziger Handstreich gegen ein Grundrecht in Grenzen – wie schrill der Aufschrei bei einem ähnlichen Szenario in Hong Kong gewesen wäre, will man sich gar nicht ausmalen.
Über 200 Tötungsdelikte durch Rechte
Überhaupt herrschte im Fall Lina E. von Beginn an eine gefährliche Kumpanei zwischen Presse und Bundesanwaltschaft. Als die Studentin im November 2020 per Hubschrauber nach Karlsruhe geflogen wurde, wartete unter anderem die Bildzeitung schon. Es entstanden Fotos von einer jungen Frau in Steppjacke und Jeans-Minirock. Springers Revolverblatt titelte tags drauf: „Chef-Chaotin im Mini-Rock“. Weitere Belege für eine klandestin-rechte Pressearbeit, waren regelmäßig an das ultrarechte Magazin Compact durchgestochene Infos, die höchstwahrscheinlich aus dem Landeskriminalamt Sachsen stammten. Politik gegen engagierte Linke zu machen, hat in Sachsen Tradition: Die mit lautem Getöse 2019 von CDU-Ministern ins Leben gerufene „Soko Linx“ soll den Linksextremismus im Freistaat bekämpfen. Nach vier Jahren Ermittlungsarbeit hat die Sonderkommission nichts vorzuweisen. Das eigentliche Kalkül, mit Aktionismus gegen Links der AfD Wähler abspenstig zu machen, geht für die Christdemokraten ebenfalls nicht auf, angesichts des Höhenflugs der ultrarechten Partei. Dabei ist das eigentliche Problem Sachsens – man ahnt es vielleicht? – rechte Gewalt. Nirgendwo nach Mecklenburg-Vorpommern werden pro Einwohner so viele rechte Straf- und Gewalttaten verübt. Aber auch auf nationaler Ebene ist die Statistik eindeutig. Seit der Wiedervereinigung 1990 werden Linksextremisten vier Tötungsdelikte zugerechnet – wovon zwei noch auf das Konto der RAF gehen sollen. Rechte begingen seit 1990 laut Amadeo Antonio Stiftung über 200 Tötungsdelikte.
GRENZVERLETZUNG - Aktiv im Thema
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kompetenznetzwerk-hass-im-netz.de | Gegen Hassrede und Gewalt im Internet haben sich vier Organisationen zusammengeschlossen: Das Nettz, Hate Aid, Jugendschutz.net und Neue deutsche Medienmacher*innen.
woche-der-meinungsfreiheit.de | Die vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels initiierte Aktion macht „auf die Bedeutung der Meinungsfreiheit für eine freie, demokratische und vielfältige Gesellschaft aufmerksam“.
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