Der Oberförster: eine knarzende Schießbudenfigur. Die Schulrätin: eine Pedantin des „gesunde[n] Volksempfindens“. Der Stadtrat: ein schneidig-nassforscher Beau, wie gemacht für eine SS-Uniform. Und der eigene Ehemann Leopold ein ökonomischer Traumtänzer. Man kann es der kittelbeschürzten Cäcilie Adam (Nicole Kersten) kaum verdenken, dass sie angesichts derart vieler moralischer Dünnbrettbohrer Haltung zu bewahren versucht. In ihrem Eifer, auf der Suche nach Betrügern in ihrem Automatenrestaurant, verfällt sie aus Sehnsucht nach Nähe dann ausgerechnet dem Erbschleicher Pankraz. Bei aller Komik – Cäcilie Adam bleibt die einzig tragische Figur in Anne Gmeyners „Automatenbüfett“. Nicole Kersten präpariert sehenswert die Zerrissenheit zwischen weiblicher Selbstbestimmung, ökonomischen Zwängen, falscher Partnerwahl und gesellschaftlichen Pressionen heraus.
Anna Gmeyners 1931 uraufgeführtes Stück ist allerdings kein Horvàth. Eher eine Posse, die sich um die Einrichtung von Fischteichen als Basis einer florierenden Fischindustrie in einem Dörfchen entspinnt. Letzteres hat sich Leopold Adam ausgedacht, der am Beginn des Stückes eine junge Frau, die junge selbstmordwillige Eva, aus dem Wasser fischt. Zu neuem Leben erwacht, mischt sie daraufhin die Dorfgemeinschaft auf, die sich täglich im Automatenrestaurant versammelt. Immerhin: Horvàths Andeutung der präfaschistischen Atmo findet sich auch bei Anna Gmeyner, allerdings setzt sie mehr auf eine Komik zwischen Skurrilität und Posse. Regisseurin Susanne Schmelcher übersetzt das in eine abgestufte Skala des Humors: Der absurd-typenhaften Komik der Provinzhonoratioren stellt sie die skurril-verhärtete Traurigkeit der Cäcilie Adam an die Seite. Am anderen Ende der Skala rangiert das zentrale Paar: Marc Fischer als Leopold Adam gibt zwar den reflektiert-schusseligen Ehemann, Tendenz Pantoffelheld mit gelegentlichem Hang zum Protest, seine dunklen Seiten bleiben allerdings eher unterbelichtet. Eher blass gerät Nele Sommer die Figur der Eva: Irgendwie Marke patent-pragmatische junge Frau mit Tendenz zu Schnoddrigkeit, aber den Selbstmordversuch aus unglücklicher Liebe nimmt man ihr genauso wenig ab wie die Lust am Herumrühren im Provinzbrei.
Die Inszenierung strandet vor allem an einer merkwürdigen Unentschiedenheit: Zwar verdichtet der aquariumartige Glaskasten (Ausstattung: Christina Kirk) mit Tischen, Stühlen und sechs Automatenfächern das Geschehen, doch wird das nicht als Enge der Provinz ausbuchstabiert. Eine triste Einsamkeit der Figuren stellt sich schon gar nicht ein. Und so wie auch das Verhältnis zwischen Komik und Tragik nicht austariert ist, verhält es sich auch mit der Musik: Schwebend-Sphärisches von Buddy Sacher mischt sich mit einstrophig verkümmertem kölschem Liedgut - Gerd Köster als Clochard Puttgam verleiht dem immerhin so etwas wie Authentizität, doch der ästhetische Mehrwert bleibt gering. Automatenrestaurants zwingen in der Regel zur Entscheidung, die Inszenierung versucht, dieser Entscheidung zu entgehen und strandet in Unentschiedenheit.
Automatenbüfett | R: Susanne Schmelcher | 20., 26.-29.9. | Volksbühne am Rudolfplatz | 0221 25 17 47
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