Mittwoch, 9. Mai: Viele Zuschauer denken heute, wenn sie auf die Stummfilmära angesprochen werden, zunächst einmal an die großen Slapstickkomiker dieser Zeit. Buster Keaton, Charlie Chaplin oder die frühen Werke von Laurel und Hardy oder den kleinen Strolchen haben sich besonders im Gedächtnis eingebrannt. Wer cineastischer veranlagt ist, dem fallen danach sicherlich noch Sergej Eisenstein, Friedrich Wilhelm Murnau oder Abel Gance ein. Doch darüber hinaus gibt es noch eine ganze Reihe weiterer interessanter Werke aus der Zeit, die mittlerweile rund 100 Jahre zurückliegt, und die eine Wiederentdeckung lohnt. KoelnMusik organisiert zusammen mit der Kino Gesellschaft Köln im Filmforum schon seit Langem eine Filmreihe, in der Stummfilme mit Livemusik vorgeführt werden. Im Monat Mai hatte man sich zwei Episoden einer insgesamt rund sechseinhalbstündigen Filmreihe vorgenommen, „Les Vampires“ des Franzosen Louis Feuillade, die im Jahr 1915 entstanden ist.
Obwohl der Titel vielleicht etwas anderes vermuten lässt, geht es darin nicht etwa um blutsaugende Vampire, sondern um eine skrupellose Verbrecherorganisation, die sich „Die Vampire“ nennt und die Bevölkerung mit Entführungen, Raub und Mord in Atem hält. Ihr treten ein unerschrockener Journalist und sein kauziger Freund entgegen, letzterer zur großen Erheiterung des Publikums von Charakterkopf Marcel Lévesque dargestellt. Die temporeich in Szene gesetzten Episoden (insgesamt gibt es zehn, die auch auf DVD erschienen sind) warten mit allerhand fantastischen Ideen auf. So gibt es hier vergiftete Tinte, chiffrierte Notizbücher, Maskeraden oder Geheimverstecke hinter Wandgemälden oder in Brunnenschächten. Dadurch, dass auch etliche Außenaufnahmen zum Einsatz kamen und der Kameramann mit seinen Möglichkeiten zu spielen begann, ist „Les Vampires“ auch für das medial übersättigte Publikum des 21. Jahrhunderts noch eine lohnenswerte Entdeckung. Musiker Stefan Heidtmann, der die Vorführung live am Klavier begleitete, würde sich wünschen, „dass sich mehr Zuschauer auf Stummfilme einlassen, hinter denen keine großen Namen wie Buster Keaton oder Sergej Eisenstein stehen“. Dass man dabei auf so manch selten gezeigte Perle stoßen kann, zeigte sich an diesem Abend. Heidtmann, der vom Jazz kommt, hatte sich übrigens dazu entschlossen, Feuillades Episoden nicht etwa mit zeitgenössischer Musik zu untermalen, sondern setzte lieber auf verspieltere, teilweise avantgardistische Klänge, die sich auch neuerer Einflüsse bedienten.
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