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Der Wurm und Luise
Foto: Thilo Beu

Da klappert keine Mühle mehr

26. November 2015

Martin Nimz inszeniert „Kabale und Liebe“ in Bonn – Theater am Rhein 12/15

Manche Konflikte ließen sich durch ein paar Worte schlichten, manche entstünden erst gar nicht. Sprachlosigkeit ist im Kern das Treibmittel in der Friedrich Schillerschen Dramaturgie von „Kabale und Liebe“. In der Bonner Inszenierung von Martin Nimz kommt noch radikale religiöse Demut dazu. Der Katholizismus als Schleifstein der Menschen? Ein gewagter Gedanke. Wenn der Eiserne in den Himmel gefahren ist, fällt der Blick unweigerlich auf den gigantischen Schleifstein, der den Blick auf den Rest der Bühne versperrt. Dies ist kein syrisches Wasserrad aus Hama, das Leben-Spendendes transportiert, dies ist der riesige Ballast, den Schiller an die Liebenden gehängt hat, um universelle Machenschaften von Herrschenden bloßzustellen, die bei ihren Geschäften buchstäblich über Leichen gehen, als ob wir das heute nicht alle längst wüssten.

Aber es bleibt eben ein Phänomen, wenn etwas die Sprache der Herzen verwirrt und diese dann nicht mehr in der Lage sind, auf sich selbst zu hören. Dann ist dem Lug und Trug Tür und Tor geöffnet, dann tut der Mühlstein seine Arbeit, er schleift alles zu Staub, Herzen steigen nicht mehr im Preise, oder wie in Nimz‘ Inszenierung und wahrscheinlich allen anderen seit der Uraufführung 1784 zu spät. Die Figuren sind in den Kammerspielen fein gezeichnet, sie sind es auch, die die Restbühne vor dem Räderwerk mit Leben füllen, die Scheibe durchschreiten, sie mühevoll mühelos drehen, davor die mickrige Welt des Musikus Miller und seiner Familie, dahinter die halligen Hallen des Präsidenten von Walter, Welt des Ferdinand und Lady Milford, die alle an Karriere und Zukunft bauen und die im Spiel Herz gegen Ehre alle miesen Register ziehen. Die Choreografie der Schauspieler bleibt für die Herrschenden auf das Loch im Rad beschränkt, die arme Bevölkerung läuft außen rum. Erst wenn die Schranken des Unterschieds einstürzen, wenn von uns abspringen all die verhassten Hülsen des Standes und Menschen nur Menschen sind, dann soll sich das ändern. Ja, die heilige Luise (absolut glaubhaft: Maike Jüttendonk) hat schon lustige Visionen, eine Jeanne d‘Arc ist sie nicht, aber die war ja auch drei Jahre älter, als sie eine Gesellschaft räumen musste, wo sie nicht gelitten war. Und im Gegensatz zur liebenden Fastselbstmörderin Luise wollte sie das ja auch gar nicht.

Dem Präsidenten (in Bonn eine grandiose Figur mit einer androgynen Ursula Grossenbacher) ist das egal. Um die Liebenden auseinanderzubringen, hört der gern mal auf den boshaften Wurm, der eine Kabale für bürgerliche Trauerspiele konstruiert, die so banal konstruiert ist, dass man/frau schon ziemlich verblendet sein muss, um darauf hereinzufallen. Oder sollte es gar an überbordender Gläubigkeit liegen? Jedenfalls hat der Wurm (Hajo Tuschy) eigene Interessen an Luise, die sich allerdings dann in einer großartigen mimischen Szene in Luft auflösen. Hofmarschall von Kalb hat das auch, ihn brauchte die Regie erst gar nicht. Am Ende wieder Gift für Luise und Ferdinand. Alle sind bedrückt. Weiter geht‘s mit Sprachlosigkeit.

„Kabale und Liebe“ | R: Martin Nimz | Fr 4.12., Fr 11.12., Fr 18.12. 19.30 Uhr | Kammerspiele Bad Godesberg | 0228 77 80 22

Peter Ortmann

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