Es ist zwar 70 Jahre her, wer aber die Augen aufmacht, findet die Spuren der braunen Vergangenheit noch vor der eigenen Haustüre. Wobei die Recherche der Verbrechen auch Fundstücke ans Licht bringt, die beweisen, dass sich Nachbarn und Freunde mitunter helfend an die Seite der Verfolgten gestellt haben. Georg zum Kley betreibt das Kölner Künstler Theater in Ehrenfeld, deshalb hat er auch dort mit seinen historischen Grabungen begonnen. „Das Mädchen mit der roten Kappe“ erzählt von einer Familie, die seit Generationen einen Hutladen betreibt.
Ein großer Auftrag winkt Gerda, der Erbin der Hutdynastie Bingel. Für einen Karnevalsverein soll sie die zum Kostüm passenden Kopfbedeckungen herstellen. Allerdings möchte man sie gleichzeitig zum Mitglied machen. In Vereine tritt die von Heidrun Grote gespielte Gerda aber schon aus Prinzip nicht ein. Ihr Großvater war einmal zu oft Mitglied in einem Verein, der sich NSDAP nannte, und zur Schande der Deutschen Nation wurde. Wie konnte er das nur tun, denkt Gerda? Das Stück dreht das Rad der Geschichte zurück und beschreibt die Not der Familie. Gerda ist die Tochter von Maria, die im Viertel für ihre mit Stolz getragene rote Kappe bekannt war. Marias Mutter war Halbjüdin und musste versteckt werden. Während die Nachbarin Stillschweigen bewahrte, schnüffelte Marias ehemaliger Schulfreund im Laden herum. Dass sich der Vater zur Mitgliedschaft in der Partei überreden lässt, bringt der Familie Erleichterungen, zeitigt aber auch Konsequenzen.
Georg zum Kley erzählt mit Schattenfiguren und akustischen Einspielungen von den Alltagsbegegnungen im Laden. Heidrun Grote steht vor und hinter der Theke, die Geschichte stellt sie in weiten Teilen mit den Hüten dar. Braune Mützen stehen hier gegen Marias rote Kappe, die den Mobbing-Versuchen der Mitschüler unbeeindruckt die Stirn bietet. Jeder Hut ein Mensch, ein Grundmotiv, mit dem die Gegenstände von den Menschen berichten, die es nicht mehr gibt. Viel historisches Wissen wird in die Produktion gepackt, in der Heidrun Grote lässig und doch konzentriert die Hutmacherin mit Rückgrat spielt. Das Material für die Inszenierung stammt aus den Archiven des NS-Dokumentationszentrums in Köln. Georg zum Kley hat es so verknüpft, dass sich eine lückenlose Dramaturgie entwickelt.
„Das Mädchen mit der roten Kappe“ | R: Georg zum Kley | Sam 20.6. 16 Uhr, Son 21.6. 15 Uhr, Die 23.6. 15 Uhr | Kölner Künstler Theater | 0221 510 76 86
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