Es soll ein Ort werden, an dem die Auseinandersetzung mit einem dunklen Stück Kölner Geschichte zu einer besseren Zukunft beiträgt. Lange hatten Betroffene dafür gekämpft, nun wird es endlich Wirklichkeit: Das Mahnmal zum Gedenken an die Anschläge des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) in der Kölner Probsteigasse und der Keupstraße.
Die Idee mutet futuristisch an: Mit einem eigenen WLAN-Netzwerk kann man sich eine App auf das Handy laden, die ein virtuelles Gebäude entstehen lässt: Die Basis besteht aus einer Betonplatte, deren Form dem Grundriss jenes Hauses entspricht, vor dem 2004 die Nagelbombe explodiert ist. Die Bausteine der virtuellen Wände sind Filme, die nicht nur die Anschläge des NSU zum Thema machen, sondern auch den Rassismus und Rechtsextremismus, der bis heute fortbesteht.
Dieser Entwurf des Berliner Künstlers Ulf Aminde war in einem offenen Wettbewerb entstanden und vollbrachte das Wunder, von allen Seiten einheitlich befürwortet zu werden. Auch bei der Wahl des Standorts gab es schnell einen Konsens: Der Gedenkort sollte an der Ecke Keupstraße/ Schanzenstraße entstehen, auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs.
Damit begann jedoch auch der Streit. Denn das Grundstück befand sich in Privateigentum und die Eigentümergemeinschaft verweigerte die Zusage. Die Stadt sah ihre Hände gebunden, der Prozess geriet ins Stocken. Die Initiative „Herkesin Meydanı – Platz für Alle“wurde gegründet, es gab Demonstrationen und offene Briefe an Oberbürgermeisterin Henriette Reker: „Die Stadtverwaltung hat Spielräume, den Gedenkort an der Keupstraße zu realisieren und wir fordern sie auf, diese endlich zu nutzen“, schrieb die Initiative in ihrem zweiten Brief im März 2020. Die Stadt solle einen entsprechenden Bebauungsplan aufstellen und im Falle eines Verkaufs des Grundstücks ihr Vorkaufsrecht nutzen.
Nun wurde das Grundstück tatsächlich verkauft. Zwar nicht an die Stadt, aber man ist sich mit dem neuen Eigentümer offenbar einig geworden. Am 14. September teilte die Stadt mit, dass die Verwaltung den Gremien einen Beschlussvorschlag zur Realisierung des Mahnmals vorlegen werde. Nun hat nach dem Integrationsrat auch der Rat der Stadt Köln zugestimmt. Jetzt bleibt nur zu hoffen, dass es nicht an der Umsetzung scheitert.
Eine interessante Frage wird auch sein, wie viele Menschen sich tatsächlich eine App herunterladen, um das virtuelle Gebäude abrufen zu können. Wer einfach nur zufällig vorbeiläuft, tut das sicherlich nicht. Es wird jedoch ein Kuratorium geben, um den Gedenkort mit Leben zu füllen – 15.000 Euro stellt die Stadt zu diesem Zweck bereit. Von der Arbeit dieses Kuratoriums wird es abhängen, ob die Errichtung des Mahnmals eine Erfolgsgeschichte wird: Ein Projekt, an dem alle beteiligt sind, gegen Rassismus und für die Vielfalt in unserer Mitte. Ein Ort der kritischen Auseinandersetzung und des positiven Blicks in die Zukunft. Ein Platz für alle.
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