„Die Stadt hat für ihren Willen zur Freiheit den größten Preis gezahlt“, erläutert Paweł Ukielski, Stellvertretender Direktor des Museums des Warschauer Aufstands. Vom 1. August bis 2. Oktober 1944 dauerte der Aufstand der polnischen Heimatarmee gegen die deutschen Besatzer, bevor er auf Befehl Hitlers durch SS, Polizei und Wehrmacht blutig niedergeschlagen wurde. 150.000 Polen wurden ermordet, ein Drittel davon Zivilisten. Die polnische Hauptstadt wurde dem Erdboden gleich gemacht. „Es geht nicht nur darum, das Militär oder die Verbrecher zu zeigen, sondern die Geschichte in ihrer Komplexität und ihrem Kontext darzustellen“, so Ukielski. Der polnische Generalkonsul in Köln Jan Sobczak, der die Ausstellung zwischen dem NS-Dok und entsprechenden polnischen Stellen vermittelt hat, weist darauf hin, dass im umfangreichen Begleitprogramm auch Zeitzeugen zu hören sind.
In zehn Kapiteln führt die Ausstellung im NS-Dok, die anlässlich des 70. Jahrestages 2014 in Berlin erstmals gezeigt wurde, durch die Geschichte Warschaus von der Vorkriegszeit bis zur Gegenwart. Mit dem deutschen Überfall auf Polen am 1. September 1939 begann eine brutale Besatzung. Die Bevölkerung wurde eingeschüchtert, Juden wurden verschleppt und ermordet, gleichzeitig bildete sich eine bewaffnete Untergrundbewegung mit ziviler Staatsstruktur. Die polnische Heimatarmee umfasste 300- bis 400.000 Soldaten mit eigenem Gerichts- und Bildungswesen. So wurden Kollaborateure oder Denunzianten von versteckten Juden zum Tod verurteilt. Als 1943/44 die Rote Armee näher rückte und die Gefahr bestand, dass ihre Heimat neuerlich von einer fremden Macht besetzt wird, wagten die Polen den Aufstand und erlebten für 63 Tage eine freie Stadt.
Bei einer Führung durch die Ausstellung zeigt Paweł Ukielski einen roten Briefkasten: „Die Pfadfinder hatten ein Feldpostnetz mit 40 Briefkästen eingerichtet. Die Jugendlichen lieferten rund 150.000 Sendungen aus.“ Obwohl die Wehrmacht bereits am Ende war, befahl Adolf Hitler, Warschau und seine Bewohner auszulöschen. Nicht nur Soldaten, sondern auch Frauen, Kinder und Alte wurden getötet. Dieser Völkermord ist heute in Deutschland vergleichsweise wenig bekannt.
„Der Warschauer Aufstand ist für die heutige Identität Polens sehr wichtig“, erklärt Ukielski. „Polen fühlen sich oft unverstanden. Die Ausstellung will Verständnis schaffen.“ Rund 300 Jahre gab es keinen polnischen Staat bzw. musste dieser um seine Unabhängigkeit kämpfen. Nach Kriegsende erlebte Polen ein anderes totalitäres Regime. Josef Stalin war den Aufständischen nicht zu Hilfe gekommen. Bereits 1940 tötete der sowjetische Geheimdienst NKDW 22.000 polnische Offiziere in Katyń. Nach der Konferenz von Jalta wurden viele Aufständische durch kommunistische Gerichte verurteilt. „Die Nachkriegsgeschichte wiegt schwer. Aus Helden wurden Verbrecher“, gibt Ukielski zu bedenken.
Angesprochen auf das jüngst in Kraft getretene Holocaust-Gesetz schildert der Historiker, dass in Polen ein breiter Diskurs quer durch alle Lager stattfindet: „Die Meinungsfreiheit ist nicht bedroht.“ NS-Dok-Direktor Werner Jung fügt hinzu, dass die Zusammenarbeit mit polnischen Historikern und Gedenkstätten nach wie vor hervorragend funktioniere. Die Ausstellung schließt mit Bildern des heutigen Warschau. Die Entscheidung zum Wiederaufbau verkündete, dass Polen sich nicht zerstören lässt.
Der Warschauer Aufstand | bis 29.4. | NS-Dokumentationszentrum im EL-DE-Haus | Webseite
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