Es ist mittlerweile Mode für Ausstellungen zeitgenössischer Kunst, bevorzugt auf dem Terrain von Kunstvereinen: Themenausstellungen überwiegen gegenüber Einzelpräsentationen, fragwürdig ist oft die Gemeinsamkeit, der Erkenntnisgewinn bleibt gering. Pauschal gesagt. Selten hingegen finden thematische Schauen in den „klassischen“ Museen statt. Vorbildlich gelingt dies dem Kölner Wallraf-Richartz-Museum mit seiner Ausstellung „Künstlerpaare“, die den gegenseitigen Beeinflussungen nachgeht. Da die Lebensgemeinschaften unter Künstlern eher ein neuzeitliches Phänomen sind, hebt das Museum dabei noch die eigenen Grenzen auf. So sind Werke von Camille Claudel und Auguste Rodin, Gabriele Münter und Wassily Kandinsky, Niki de Saint Phalle und Jean Tinguely ausgestellt. Das 20. Jahrhundert in der Kunst wird exemplarisch umrissen, und es sind etwa Natalia Gontscharowa und Lee Krasner zu entdecken. Und natürlich sind die Bilder von Georgia O’Keefe und Frida Kahlo gar nicht kitschig. Bereits wegen dieser Künstlerinnen sollte man das Wallraf-Richartz-Museum besuchen. Und wegen dessen wunderbarer Sammlung, etwa im ersten Stock in der Gegenüberstellung der Madonna mit Kind von Simone Martini und Bartolomeo Bulgarini. Doch von wem stammt der respektlose Schwachsinn, diesen Meisterwerken neuerdings eine nachtblaue Sternchentapete zu unterlegen?! Alles könnte so wunderbar sein.
Von all dem ist die aktuelle Ausstellung im Düsseldorfer museum kunst palast Lichtjahre entfernt. Aber sie liefert einen guten Querschnitt durch die (überwiegende jüngere) Kunst zum „verbotenen Blick auf die Nacktheit“, wobei die Kriterien locker ausgelegt sind und die geballte Blöße mitunter schwer zu ertragen ist. Das ist schade, da der Ansatz gut gemeint war, ausgehend vom griechischen Mythos um Aktaion, der Diana beim Bade beobachtet und daraufhin in einen Hirsch verwandelt wird. „Vorlagengetreu“ schildern dies die Gemälde von Tizian und Rembrandt und Rubens; daneben bedenkt die Ausstellung die Spielarten von Voyeurismus und Exhibitionismus in der zeitgenössischen Kunst. Zwar sind auch da hervorragende Gemälde wie der „Bad Boy“ von Eric Fischl oder die (vergleichend gehängten) „Peepshows“ von Francis Bacon und Norbert Tadeusz vertreten, die die Ausstellung weiter sehenswert machen, aber es ist beliebig. Ohnehin, der Zeitpunkt zu Weihnachten ist wahrscheinlich nicht ideal. – Bei allen diesen Unterschieden, eines haben das Wallraf-Richartz-Museum und das museum kunst palast doch noch gemeinsam. Sie stammen beide von Oswald Mathias Ungers, dem Kölner Stararchitekten, der mit Museumsbauten indes nicht immer eine glückliche Hand hatte. Das Wallraf-Richartz-Museum aber ist gelungen.
Künstlerpaare - Liebe, Kunst & Leidenschaft, bis 8. Februar im Wallraf- Richartz-Museum & Fondation Corboud, Obenmarspforten in Köln, Tel. 0221 22 12 11 19, www.museenkoeln.de/wallraf
Diana und Actaeon - Der verbotene Blick auf die Nacktheit, bis 15. Februar im museum kunst palast, Ehrenhof 4-5 in Düsseldorf, Tel. 0211 899 24 60, www.museum-kunst-palast.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Nacktheit – Zumutung oder Kunst?
Der nackte Körper als tänzerische Aussage – Tanz in NRW 07/13
It’s a man’s world
Angelin Preljocajs „Les Nuits“ in der Oper am Dom – Tanz in Köln 06/13
Denken und Fühlen im Spiegel
Sachbücher, die einen nicht mehr loslassen – Textwelten 06/13
Die Nackten und die Blutigen
choices.de & kinoart.net präsentieren: Zensierte Kinoplakate aus sechs Jahrzehnten – Portrait 12/11
Die Macht der Nackten
Nackte auf der Tanzbühne - Tanz in NRW 04/09
Malerische Fotografie
„Foto – Kunst – Foto“ im Clemens Sels Museum Neuss – Kunst in NRW 12/24
Richter daheim
Gerhard Richter im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 11/24
Menschen allein
Lars Eidingers Ausstellung „O Mensch“ in Düsseldorf – Kunst in NRW 10/24
Noch gemalt
„Zwischen Pixel und Pigment“ in Herford und Bielefeld – Kunst in NRW 09/24
Farbe als Ereignis
Katharina Grosse im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 07/24
Farbe an Farbe
Otto Freundlich und Martin Noël in Bergisch Gladbach – Kunst in NRW 06/24
Am Anfang der Abstraktion
Hilma af Klint und Wassily Kandinsky in Düsseldorf – Kunst in NRW 05/24
Glaube und Wissenschaft
Louisa Clement im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 04/24
Das eigene Land
„Revisions“ im Rautenstrauch-Joest-Museum Köln – Kunst in NRW 03/24
Ritt durch die Jahrhunderte
Die Neupräsentation im Kunstpalast in Düsseldorf – Kunst in NRW 02/24
Ende eines Jahrhunderts
George Minne und Léon Spilliaert in Neuss – Kunst in NRW 01/24
Puls des Lebens
Chaïm Soutine im K20 in Düsseldorf – Kunst in NRW 12/23
Ganz leicht
Christiane Löhr im Bahnhof Rolandseck – Kunst in NRW 11/23
Die stille Anwesenheit der Dinge
Cornelius Völker im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 10/23
Aus anderer Perspektive
Szenenwechsel der Sammlung im K21 in Düsseldorf – Kunst in NRW 09/23
Kunst und Umgebung
„Produktive Räume“ in Haus Lange Haus Esters in Krefeld – Kunst in NRW 08/23
Dialog auf Gegenseitigkeit
„yours truly,“ im Museum Schloss Morsbroich – Kunst in NRW 07/23
Malerei im Fluss
Jan Kolata in Ratingen und in Düsseldorf – Kunst in NRW 06/23
Farben des Lichts
Etel Adnan im K20 in Düsseldorf – Kunst in NRW 05/23
Kunst aus Worten und Sätzen
Jenny Holzer im K21 in Düsseldorf – Kunst in NRW 04/23