Das Denken gegen den Strich gehört für Angie Hiesl und Roland Kaiser zum Standard. Wenn die beiden Gewissheiten in Frage stellen können, beschleicht sie diebische Freude. Ihre Premieren gehören stets zu den Highlights der Festivals, da sie mit eigenwilligen Aktionen direkt zum Publikum vordringen. In der Kölner Innenstadt wird das Künstlerpaar mit seiner Aktion „Fat Facts“, das Festival tanz nrw 17 am 4. Mai starten (4.5. & 6.5., 18 Uhr). Die „Ästhetik der Üppigkeit“ soll gefeiert werden. Hiesl und Kaiser stellen die ewig Gedemütigten aufs Schild, indem sie die Körperfülle als Qualität entdecken. Wer ihre Arbeiten kennt, weiß, dass den Produktionen des Paars – das seine Projekte im Rheinauhafen entwickelt – stets eine umfangreiche Recherche vorausgeht.
Eine andere künstlerische Herausforderung verspricht Renegade mit der Produktion „Basmala – Freund oder Feind“ das Festival in Köln (4.5., 18.30 Uhr, Alte Feuerwache) für. Fünf Tänzer aus Ägypten, dem Iran, der Türkei, Frankreich und Deutschland fragen nach der Rolle islamischer Männer. Wie fühlt es sich als junger Moslem an, zum Feindbild No. 1 erkoren zu sein. Wie finden junge Männer angesichts des Drucks von Tradition und Projektion zu ihrer Identität? Fragen, die offenbaren, welche politische Ambitionen im zeitgenössischen Tanz virulent sind.
Eine ganz andere Vorstellung von tänzerischem Ausdruck vertritt Ursula Nill, die exzellente Stilistin unter Kölns jungen Choreografinnen. In „Schichten“ (5.5., 21 Uhr) fragt sie nach dem Körper als Raum. Nill ist nicht für esoterische Spekulation zu haben, stattdessen darf man beobachten, wie der Körper hörbar und erfahrbar gemacht wird.
Dass Kölner nicht nur zur Karnevalszeit gerne unter blauem Himmel feiern, ist ein Klischee mit Realitätsgehalt. Stefanie Thiersch bewies im letzten Jahr mit dem „City Dance“, dass man neue Volksfeste mit Sinn und Verstand in der Stadt verankern kann. 5000 Menschen tanzten im September auf jenem Bahnhofsvorplatz, der acht Monate zuvor so sehr in Verruf geraten war. Zu tanz nrw 17 wird sie ausgehend vom Oberlandesgericht noch einmal einige Aktionen des damaligen Riesenprojekts wiederbeleben (7.5., 15 Uhr).
Mit 13 Events insgesamt macht das Festival in Köln Station. Daneben ist das große Mysterium der Bewegung aber auch Thema der Jahresausstellung des Deutschen Tanzarchivs in den Räumen des Tanzmuseums. Hier kann man in der Ausstellung „Berliner Secession und Russisches Ballett: Ernst Oppler“ anhand von Filmaufnahmen, Fotografien und über 100 Zeichnungen und Gemälden einen großen, aber vergessenen Maler des frühen 20. Jahrhunderts kennenlernen. Ernst Oppler verguckte sich 1909 bei einem Gastspiel des Kaiserlich Russischen Balletts in die Pawlowa. Von da an war es um ihn geschehen, so dass er den Rest seines Lebens als Tanzmaler keine Produktion der Primaballerina verpasste und zu einem ihrer Vertrauten wurde. Die Ausstellung zeigt sie als Gast in seinem Atelier mit Teetasse in der Hand. Eine Ausstellung, die eine exzellente Einführung in das Denken und Arbeiten von Choreografen bietet.
tanz nrw 17 in Köln | 4.-7.5. | www.tanz-nrw-17.de/de/koeln.html
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