In das Freie Werkstatt Theater ist ein wissenschaftliches Forschungsinstitut eingezogen, das auf beiden Probebühnen intensiv an experimentellen Settings, an Tests und Methoden arbeitet, um ein hochaktuelles Phänomen zu erkunden: das Kleinkollektiv, genauer: die Gruppe, die gerade in der Jugend der meisten Menschen eine zentrale Rolle spielt. Das Ensemble Drama Köln um Philine Velhagen und Tina Kopp allerdings hat sich für einen besonderen Zugang entschieden: „Wir gründen eine Alters-WG als Beispiel für Gruppendynamiken“, erzählt Tina Klopp. Denn viele, ergänzt Philine Velhagen, bereiteten sich nur sehr schlecht auf das Alter vor.
Die Idee für diesen ungewöhnlichen Zugriff entstand beim Blick in den eigenen Bekanntenkreis, in dem einige bereits ihre kranken Eltern pflegen oder sich Gedanken über Wohnformen im Alter machen – auch wenn die Rente noch weit ist. Die beiden Regisseurinnen haben dieses Problem nun in ein theatrales Setting umgeformt: „Die Rahmengeschichte besteht darin, dass wir als wissenschaftliches Institut das Publikum dabei anleiten, einige exemplarische Situationen einer Alters-WG durchzuspielen, um daraus Erkenntnisse und Beobachtungen abzuleiten“, sagt Philine Velhagen. Alles auf freiwilliger Basis, versteht sich. Immersives Theater ja, aber niemand muss mitspielen.
Die politische Triftigkeit dieses Versuchs ist offensichtlich, selbst wenn es ums Alter geht: die Tendenzen zu übersteigerter Individualität und „Singularität“, die zunehmende Unduldsamkeit gegenüber anderen Meinungen, die sektenartigen Social Media-Bubbles, die politischen Abgrenzungen in Wir und Die usw. Zu Beginn des Abends wird das Publikum aufgeteilt, um wechselweise an gleich zwei Experimenten teilzunehmen. Philine Velhagen wird sich als „Wissenschaftlerin“ mit dem Erinnern und den daraus folgenden Gruppendynamiken beschäftigen: „Die Probanden aus dem Publikum werden eine Erfahrung machen und danach geht es um die Erinnerung daran“. Wie das Experiment genau aussieht, will sie noch nicht verraten. Bei „Wissenschaftlerin“ Tina Klopp wiederum geht es konkret um die Bildung einer Alten-WG, die sich eine Struktur geben soll.
Es geht um die Grundfrage vieler Gruppen: Wie hierarchisch kann, wie hierarchisch muss eine Gruppe sein, um zu funktionieren? „Es geht aber auch“, so Tina Klopp, „um die Frage, welche Gebrechen man möglicherweise später bekommt“. Das wird zum einen mit Requisiten erlebbar gemacht, aber auch in Szenen, in denen man gefüttert wird oder jemanden füttert. Fragen, die sich nicht nur in Alten-WGs stellen, sondern letztlich in allen Gruppen, die sich Inklusivität auf die Fahnen schreiben. Das Publikum soll unter Anleitung diese Fragestellungen durchspielen. „Fremde Menschen“, so Philine Velhagen, „werden sich kennenlernen und in Aushandlungsprozesse treten, ohne dass Wut, Angst oder Tränen mit im Spiel sind – wir geben dem Publikum die Möglichkeit zum Probehandeln“. Das Theater bietet somit den Zuschauenden die Gelegenheit, ein eigentlich ernstes Thema entspannt und spielerisch auszuprobieren – etwas, das man sich durchaus auch häufiger für die Gesellschaft wünschen würde.
Die Gruppe | R: Drama Köln | 9.9., 10.9., 3.10., 4.10. | Freies Werkstatt Theater | 0221 32 78 17
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