Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 1

12.585 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

Farben gegen den grauen Politalltag
Foto: WHART

Ein grüner Masterplan für Köln

27. April 2011

Svend Ulmer über Atomstrom, urbane Nachhaltigkeit und den „Dialog Kölner Klimawandel“ – Thema 05/11 Energiewende

choices: Herr Ulmer, wie „billig“ kommt uns der Atomstrom wirklich?
Sven Ulmer:
Auf den ersten Blick erscheint die in Rechnung gestellte Atom-Kilowattstunde recht günstig. Das teure sogenannte Restrisiko – siehe Fukuschima – fließt allerdings nicht in den Preis ein. Die volkswirtschaftlichen Risikokosten sind also hoch – Atomkraftwerke zudem nur begrenzt versicherbar. Auch die Forschungs- und Entwicklungskosten der Atomkraft werden nicht berücksichtigt. Eine aktuelle Studie nennt rund 304 Mrd. Euro, die hier seit 1950 geflossen sind. Das alles macht den Atomstrom schon rund 4 Cent pro Kilowattstunde teurer – von den neu zu bewertenden Risikokosten ganz zu schweigen.

Diese Kosten erscheinen nicht auf der Stromrechnung. Wer zahlt hier?
Die Allgemeinheit, sprich die Steuern zahlenden Bürger – natürlich unabhängig davon, ob sie „Ökostrom“ oder „Atomstrom“ beziehen.

Zu den von Ihnen genannten 304 Mrd. kommen noch die Kosten für den Atommüll.
Richtig, und diese Kosten sind kaum bezifferbar – die Frage der Entsorgung ist bekanntermaßen überhaupt nicht geklärt. Beim strahlenden Müll müssen wir mit einer Halbwertzeit von bis zu 24.000 Jahren kalkulieren. Das kann keiner seriös berechnen.

Mittlerweile bestreitet niemand mehr den notwendigen Umstieg auf regenerative Energien. Retten uns jetzt Desertec und das Netzausbau-Beschleunigungsgesetz?
Man muss Großprojekte nicht immer negativ sehen. Desertec ist aus meiner Sicht ein sinnvolles aber langfristiges Projekt zur Erzeugung von Sonnenenergie. Doch abgesehen davon, dass wir nicht wissen, wann diese Zukunftsvision Wirklichkeit wird: zunächst sollte man immer danach schauen, wo der Ausbau der regionalen Energieversorgung schon jetzt möglich und sinnvoll ist.

Wie dezentral muss eine moderne Energieversorgung sein?
Das Wichtigste zuerst: den Energieverbrauch allgemein zu senken. Energieeffizienz und Verbraucherverhalten sind Möglichkeiten für jeden von uns, die Energiewende wirklich zu schaffen. Dazu muss man auch die vielen kaum ausgeschöpften Potentiale zur Energiegewinnung vor Ort nutzen, etwa die Abwärme der Abwässer oder die Langzeitspeicherung von Sonnenwärme. In den Kölner Stadtteilen bestehen viele Möglichkeiten, regenerative Energie zu erzeugen.

Da wäre die Kommune gefragt. Angesichts der Krise der Kommunalfinanzen – wer soll die regenerativen Investitionen bezahlen?
Langfristig gesehen rechnen sie sich natürlich, weil sie die laufenden Energiekosten senken. Um zukunftsfähig zu sein, muss Köln sich sowieso rechtzeitig von den teurer werdenden nichtregenerativen und fossilen Energien verabschieden. Auch der Atomstrom wird auf Dauer nicht mehr so günstig zu haben sein. Am wichtigsten aber: die Stadt ist am Versorgungsunternehmen RheinEnergie beteiligt, einer Aktiengesellschaft, die nicht am kommunalen Spartropf hängt.

Die Rheinenergie muss in einen „grünen Masterplan“ für Köln eingebunden werden?
Die Rheinenergie AG hat bereits Mittel frei stellen lassen, um Klimaschutzziele umsetzen zu können. Der Klimakreis Köln zum Beispiel fördert viele einschlägige Initiativen, unter anderem auch unseren „Dialog Kölner Klimawandel“. Beim Themenbereich „Energie & Klima“ werden wir mit der RheinEnergie und anderen Fachkundigen in Workshops an Lösungen für die Kölner Region arbeiten.

Wird der „Grüne Masterplan“ als Teil des Dialogs nur über energiepolitische Argumente begründet?
Nein, und dass wäre ein großer Fehler! Unser größtes Problem ist, dass in Diskussionen die sperrige Frage nach „Nachhaltigkeit“ allzu schnell auf Fragen der Ökologie, von CO2 und der Energieeffizienz verkürzt wird. Das Leitbild „Nachhaltigkeit“ setzt sich aber gleichberechtigt aus den Komponenten Ökologie, Ökonomie und Soziales zusammen. Unsere praktischen Vorschläge sollen den Bürgern und der Stadt ökologisch wie ökonomisch und sozial gut tun.

Wo bleiben da Bildung und Kultur?
Soziale Nachhaltigkeit umfasst nach der maßgebenden UN-Konvention das Recht auf Bildung und Kultur ebenso wie Einkommensgerechtigkeit und Gesundheit. Deshalb arbeiten wir auch mit der Initiative zur Schaffung eines Klimaschutzbildungs-Konzeptes, einem Projekt von Natur und Kultur e.V., oder den Städtischen Bühnen zusammen.

Ein altes Vorurteil setzt Nachhaltigkeit mit dem Verzicht auf Komfort und Bequemlichkeit gleich.

Svend Ulmer
Svend Ulmer ist Mitarbeiter des gemeinnützigen Kölner KATALYSE-Instituts für angewandte Umweltforschung und leitet das Projekt „Dialog Kölner Klimawandel“ (DKK) – ein grüner Masterplan für die Stadt.

Ich glaube, diese Zeit ist vorbei. Mittlerweile ist sogar nachhaltige Unternehmenskultur nicht nur chic, sondern zeigt auch Wirkung. Im Rahmen der E-Mobilität darf es auch Sportwagen und Lifestyle geben. Es geht heute nicht mehr um Verzicht, sondern um intelligente Lösungen. Die meisten Menschen haben das verstanden.

Trägt das Konzept einer „Green City“, ohne dass wir mehr Demokratie wagen?
Naja, natürlich kann man Einiges von oben herab per Dekret verwirklichen. Auf Dauer wird sich das Konzept der Nachhaltigkeit und von Green City aber nur durchsetzen, wenn die Bürger mitbestimmen und mit entwickeln können. Unser „Dialog Kölner Klimawandel“ setzt auf gestufte Bürgerbeteiligung – erst kleinere Workshops zur Ausarbeitung von Ideen, dann öffentliche Debatten. Dazu laden wir alle herzlich ein.

Am Ideenwettbewerb „Kölns Klima wandeln“ können sich alle Bürger beteiligen.

Interview: Wolfgang Hippe

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Konklave

Lesen Sie dazu auch:

Die Kunst der Nachhaltigkeit
„100 Eichen für Köln“ – Aufforsten für die Zukunft – Kunst 06/21

Wende sofort
Students for Future radeln „Ohne Kerosin nach Berlin“ – Spezial 09/20

„Kreative Reduktion als Gestaltungsprinzip“
Ökonom Niko Paech über die Abkehr vom Wachstumsgedanken – Teil 1: Interview

„Austausch ist total wichtig“
Tobi Leifeld ruft ein Klimacafé ins Leben – Spezial 02/20

Die unangenehme Wahrheit
#NeustartKlima-Proteste in Köln – Spezial 12/19

„Die Krisen sind verbunden“
Martin Herrndorf über den Tag des guten Lebens in Ehrenfeld – Interview 09/19

Leute machen Kleider
„Fast Fashion“ im RSJ: Studierende der ecosign präsentieren Projekte – Spezial 01/19

Wendemode
Die janusköpfige Textilbranche: „Fast Fashion" im Rautenstrauch-Joest-Museum – Spezial 10/18

Es geht auch anders
Die Fair Trade Night im Forum VHS – Spezial 10/18

Zwischen Eheringen und Zigarettenstummeln
500 Kilo Müll: die Kölner Rhein-Aufräum-Kommando-Einheit (K.R.A.K.E.) im Einsatz – Spezial 09/18

Nicht meckern, anpacken!
„Rhine CleanUp“ mit der Kölner Rhein-Aufräum-Kommando-Einheit (K.R.A.K.E.) am Samstag

Fairness jenseits von Ökolatschen und McKinsey
„Ökorausch“ und „Social Value“ in Köln

Interview

Hier erscheint die Aufforderung!