Das Gürzenich-Orchester widmet sich in dieser Spielzeit, der fünften unter Leitung von François-Xavier Roth, der Geschichte des Orchesters und hat als inhaltlichen Schwerpunkt das Oeuvre von Hector Berlioz ausgewählt. Was die wenigsten wissen: Berlioz war ein Freund des Gürzenich-Kapellmeisters Ferdinand Hiller und dirigierte als letztes Konzert in Deutschland 1867 in Köln das Gürzenich-Orchester, bevor er 1869 starb. Im 3. Abokonzert der Saison trug ihm das Orchester Rechnung mit der Konzertouvertüre zu „Le Corsair“. Berlioz war begeistert von den Schauergeschichten Lord Byrons – besonders angetan hatte es ihm die Geschichte um den Freibeuter, den eine unglückliche Liebe und sein Freiheitsdrang bis in den Orient führen. Passendes Sujet also für das Konzert unter dem schönen Motto „Seelenräuber“.
Gastdirigentin Elim Chan gestaltete am Sonntag den kurzweiligen Auftakt energiegeladen und in teils rasantem Tempo, das sich für die Holzbläser fast zum Stolperstein entwickelte. Sie dirigierte mit strengen Bewegungen und ganzem Körpereinsatz. Die in Hongkong geborene Dirigentin steht spätestens seit 2014 im Rampenlicht der internationalen Szene, als sie den Donatella-Flick-Dirigierwettbewerb des London Symphony Orchestra als erste Frau in der Geschichte des Wettbewerbs gewann. Die erfolgreiche Teilnahme an genau diesem Wettbewerb hat sie übrigens mit François-Xavier Roth gemeinsam. Eine schöne Verbindung also, um eine international gefragte Dirigentin an das Pult des Gürzenich-Orchesters zu holen!
Chan war es auch, die die Verbindung zum Solisten des Konzerts herstellte: Der junge amerikanische Violinist Benjamin Beilman brillierte in Mozarts Violinkonzert Nr. 5, das in seinem Finalsatz orientalische Klänge birgt und somit wunderbar in das Konzept des Programms passte. Beilman, der speziell dieses Werk Mozarts als „alten Freund“ bezeichnet und sich ihm seit 15 Jahren immer wieder mit großer Freude widmet, überzeugte bereits im ersten Satz mit absolut strahlenden Klängen.
Begleitet wurde er von einem sehr flexibel agierenden Orchester, das im Vergleich zu dem Einstieg mit Berlioz wesentlich dünner besetzt war. Hatte man sich vorher vielleicht nach dem „Seelenräuber“ bei Mozart gefragt, so stellte sich diese Frage spätestens nach dem Adagio nicht mehr: Beilman verzauberte sein Publikum hier mit zarten Klängen. Munter und zupackend folgte der letzte Satz mit häufig schwankenden Tempi, die gelegentlich zu ganz kleinen Ungenauigkeiten beim Zusammenspiel zwischen Solist und Orchester führten. Für den verdienten Beifall bedankte sich Beilman mit einem Virtuosenstück von Fritz Kreisler, bevor das Publikum in die Pause entlassen wurde.
Nach der Pause folgte Rimsky-Korsakows „Scheherazade“, die Sinfonische Suite um die zauberhafte Erzählerin von 1001 Nacht, die durch das allnächtliche Erzählen ihr Leben rettet. Dieses Werk wiederum hat eine besondere Bedeutung für Elim Chan: „Ich dirigiere dieses Meisterwerk oft, und jedes Mal erlebe ich es wieder anders. Diese Geschichte in ihrer Farbigkeit und Raffinesse inspiriert mich so sehr, dass ich es wagen möchte, sie beim Dirigieren auf meine Weise darzustellen und mit der Welt zu teilen.“
Unter ihrer Leitung zeigte sich auch hier das – nun wieder aufgestockte – Gürzenich-Orchester von seiner besten Seite: Facettenreich gestaltete sich das Werk, das klanglich immer wieder schwankt zwischen vollem Orchesterklang auf der einen und feinen Soli auf der anderen Seite. Besonders lobend zu erwähnen sind hier Konzertmeister Torsten Janicke und Stimmführerin der Celli Ulrike Schäfer, die durchgehend in ihren Soli brillierten. Auch der gesamte Bläserapparat überzeugte. Ein fulminanter Abschluss und zugleich zwei großartige Debüts – Elim Chan und Benjamin Beilman dürfen garantiert wiederkommen!
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