Da bahnt sich was an. Über Facebook wandte sich Jack in the Box e.V. am 31. Juli an die Öffentlichkeit und forderte: „Kampf für Kultur – Ehrenfeld retten.“ Diese Nachricht traf auf enormes Interesse.
Was ist geschehen?
Die soziokulturelle Einrichtung Jack in the Box e.V. hatte viele Jahre ihren Standort auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs Ehrenfeld. Ende 2016 zog die Einrichtung, als vorübergehende Lösung, in die Koblenzer Straße 11, nach Bayenthal. Eine Rückkehr zum Standort Ehrenfeld sei immer vorgesehen gewesen.
Bereits vor einem Jahr habe Jack in the Box laut Pressemitteilung vom 2. August gemeinsam mit Experten – einem Ehrenfelder Investor, einem Immobilienfinanzierungsprofi und einem renommierten Kölner Architekten – ein Nutzungskonzept für die Ostspitze des ehemaligen Güterbahnhofs Ehrenfeld entwickelt und der Aurelis Real Estate GmbH, den Eigentümern des Geländes vorgestellt, inklusive eines Zahlenwerks, eines Angebots und der Prüfung auf Wirtschaftlichkeit. Das Ostspitzen-Konzept für eine 12.000m² große Fläche habe verschiedene kulturelle Begegnungsstätten, Ateliers, Werkstätten, Aktionsflächen, Proberäume, ein Hotel/Hostel sowie Büros für die Kultur- und Kreativwirtschaft vorgesehen. Bei der Präsentation am 9. Januar 2017 im Bürgerzentrum Ehrenfeld habe es großen Zuspruch bei den politischen Vertretern und den BürgerInnen geerntet.
Zwischen Jack in the Box und Aurelis sei ein monatelanger Austausch entstanden, der erahnen ließ, dass die Kulturwirtschaft auf dem Gelände des Güterbahnhofs fortgesetzt würde bzw. neu entstehen könne. Im einstimmigen Ratsbeschluss vom 11. Juli heißt es unter Punkt 4.: „Es wird bekräftigt, dass im Bereich der Ostspitze des Güterbahnhofgeländes im Rahmen der Umsetzung möglichst kulturwirtschaftliche und soziokulturelle Nutzungen zu berücksichtigen sind.“ Die Ostspitze kommt für Wohnungen aufgrund des Lärms von einem Schrotthändler nicht direkt in Frage.
Das Versprechen einer ordentlichen Verhandlung, nachdem Planungsrecht geschaffen wurde, sei laut Jack in the Box jedoch nicht eingehalten, das Konzept am 21. Juli von Projektentwickler Aurelis abgelehnt worden, wie auch im Kölner Stadt-Anzeiger am 28. Juli zu lesen war. Aurelis habe sich dahingehend geäußert, die Gestaltung der Ostspitze selbst übernehmen zu wollen. In der Pressemitteilung heißt es weiter, dass Aurelis bei diesem Gespräch eine Beteiligung von Jack in the Box nur für zwei Räume des Geländes vorsehe, die gemeinsam 1000m² ausmachen. Für diese Räume habe Aurelis angeboten, dass Jack in the Box ihnen im Rahmen einer Bewerbung ein Nutzungskonzept vorlegen könne.
Erhaltenswerte Mischung
Als Reaktion rief Jack in the Box zum „Kampf für Kultur“ auf. Amon Nanz, ein vielseitiger Veranstalter aus Ehrenfeld und Freund des Vereins erklärt: „Wir möchten nicht gegen etwas kämpfen, sondern für etwas.“ Die vielzitierte Ehrenfelder Mischung solle erhalten bleiben. Ziel sei es, Orte der Begegnung zu erhalten bzw. zu erschaffen, an denen BürgerInnen jeden Alters sich wohlfühlen. Dabei gehe es immer um die Menschen und um das soziale Miteinander im Quartier.
Zur Ablehnung des innovativen Konzeptes von Jack in the Box sagte Ralf Klemm, der erste stellvertretende Bezirksbürgermeister Ehrenfelds, im Kölner Stadt-Anzeiger vom 28. Juli: „Das ist ein Tritt in die Kniekehle. Die Aussage der Aurelis war immer, dass Jack in the Box wieder auf das Gelände zurück kann. Das war das Signal bis vor kurzem.“ Aurelis nannte das Konzept „nicht diskussionsfähig“, weil es die Vorgaben des Bebauungsplans nicht einhalte.
Gegenüber choices erklärte Presseprecher Dirk Dratsdrummer, dass Großveranstaltungen wie in der Vergangenheit nicht mehr möglich sein würden. Die Gründe reichen unter Berücksichtigung des künftigen Umfelds von wegfallenden Parkmöglichkeiten über Feuerwehrzufahrten hin zu Lärmschutzvorschriften.
Am 8. August zitierte die Kölner Rundschau Martin Schmittseifer, den Vorstand von Jack in the Box: „Wir fordern Politik und Verwaltung auf, jetzt Farbe zu bekennen und sich für unser Konzept einzusetzen.“ Der Vorsitzende des Stadtentwicklungsausschusses Niklas Kienitz (CDU) teilte mit, dass er bereits versuche, ein gemeinsames Gespräch mit den Politikern, der Aurelis und Vertretern des Vereins zu organisieren. „Der Verein gehört unbedingt auf das Gelände.“
Aurelis betonte am 8. August auf einem eigens eingerichteten Blog, dass der Prozess sowieso noch im Gange sei: „Die Gespräche mit Politik und Verwaltung sowie mit Jack in the Box werden Ende August nach der Sommerpause weitergehen.“ Von Jack in the Box werde nach wie vor ein „konkretes Konzept“ mit „einer tragfähigen Basis“ erwartet. „Konzepte mit hohem Verkehrsaufkommen und Lärmerzeugung sind – auch nach Einschätzung der Stadt Köln – nicht vereinbar mit der Wohnnutzung“, so Aurelis.
Während Amon Nanz darauf hinweist, dass ein Verkehrsgutachten erstellt worden sei und auch eine „Ostspitzenausfahrt“ realisierbar wäre, erklärt Dirk Dratsdrummer von Aurelis, dass so eine Zufahrt vom Bebauungsplan nicht abgedeckt sei und somit erst einmal ein Thema für die Politik wäre. Ein Großteil der Planungen für das gesamte Gelände sei im Übrigen noch offen: „Wir haben da nichts in der Tasche.“ Im September beginne erst einmal die Erschließung des Grundstücks, und dann sei es „ein Prozess über Jahre, bis wir da alles bebaut haben“.
Auch der Verein will sein Ostspitzen-Konzept gar nicht als „in Stein gemeißelt“ verstanden sehen. Man wolle damit aber weiter arbeiten. Die Ablehnung durch Aurelis entbehre in jedem Punkt einer Grundlage, so Nanz, und zeige eher, dass Aurelis das Konzept gar nicht genau kenne, sondern einfach Angst habe um hochpreisige Mietwohnungen. Dies habe auch die Politik erkannt. „Nur ist leider gerade Sommerpause. Aber wir nutzen das, um gut vorbereitet in die nächsten Gespräche zu gehen.“
An guten Lösungen für die Kultur dürfte neben dem Bezirk auch die Stadt zunehmend interessiert sein. Im August letzten Jahres ging aus der Studie „Kölner Club- und Veranstalterszene“ hervor, dass Live-Musik-Veranstaltungen im Jahr 55 Millionen Euro Umsatz bringen. Hinzu kommen erhebliche Folgeumsätze der Gastronomie, Hotellerie und des Einzelhandels. Die Kultur hilft Köln über viele Schwächen hinweg – Ehrenfeld als Kulturstandort und als Brutstätte neuer Künstler und Projekte trägt einen entscheidenden Teil dazu bei. Und mit dem Herausstellungsmerkmal des Kulturstandorts Ehrenfeld hatte, so Nanz, die Aurelis eben auch das Gelände beworben.
Was kann für den Kulturstandort Ehrenfeld und somit für die Stadt Köln getan werden? Jack in the Box jedenfalls fordert die BürgerInnen zu Engagement und Mitgestaltung auf. Am 9. September ist eine Kundgebung im Rahmen des Heliosfestes geplant.
Amon Nanz: „Wir sind für das Veedel, für Lebensqualität, für Begegnungsstätten, für Kultur und für Gentrifizierungs-Maßregelung. Wir sind weder gegen Gentrifizierung an sich, gegen den Wohnungsbau, noch gegen Aurelis. Und die Lösung dafür“, sagt er und lächelt, „haben wir in der Tasche. Was wir möchten, ist: zurück an den Verhandlungstisch!“
Aufruf von Jack in the Box vom 31.7.: Facebook | Aurelis-Blog zur Gestaltung des Güterbahnhof Ehrenfeld: blog.gueterbahnhof-ehrenfeld.de | Planungs-Webseite bei der Stadt Köln: www.stadt-koeln.de/.../gueterbahnhof-ehrenfeld
Nachtrag 14.8.: Jörg Frank, Fraktionsgeschäftsführer der Grünen, mahnt am 11.8. in einer Pressemitteilung an: „Investoren und Projektentwickler (...) haben im Wettbewerb um interessante Areale nur dann gute Chancen, wenn sie sich als verlässlich gegenüber städtebaulichen Vorgaben erweisen. Insofern erwarten wir auch bei der weiteren Entwicklung des Güterbahnhofs Ehrenfeld, dass Aurelis Zusagen auch gegenüber der Kulturszene einhält.“
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