Ivo
Deutschland 2024, Laufzeit: 109 Min., FSK 12
Regie: Eva Trobisch
Darsteller: Minna Wündrich, Pia Hierzegger, Lukas Turtur
>> ivo.pifflmedien.de/
Souveränes Porträt über eine Palliativpflegerin
Ambulante Seelenretterin
„Ivo“ von Eva Trobisch
Sie ist immer on the road, quer durch NRW, unterwegs zu ihren Patienten und Patientinnen, die am Ende ihres Lebens stehen. Als Palliativpflegerin sorgt Ivo noch einmal für eine letzte Erleichterung, überwacht die Schmerzmedikation, streichelt die Stirn der Sterbenskranken, hört ihnen zu. Es ist verständlich, wenn sie nicht immer freudig begrüßt wird: Sie ist der Todesengel, die Botschafterin der schlechten Nachricht, bricht in das bisschen Leben, das den Kranken noch bleibt, hinein und konfrontiert sie mit der Wahrheit. Minna Wündrich spielt diese Ivo mit bewundernswerter Ruhe und Gefasstheit. Es ist ihre erste Kinohauptrolle, nach langjährigen Engagements am Schauspielhaus Bochum und Düsseldorf und ein paar Nebenrollen in deutschen Komödien. Und sie trägt den Film bravourös, die Rolle ist wie für sie geschrieben.
Die Regisseurin und Drehbuchautorin Eva Trobisch gilt seit ihrem Debüt „Alles ist gut“ (2018) als eine der besten und wichtigsten neuen Stimmen des deutschen Films gilt, die sehr glaubhaft schwere Themen mit großer Leichtigkeit zu inszenieren weiß. Ohne Befürchtung vor allzu viel Dramatisierung oder Emotionalität kann man sich also mit Eva Trobisch dem schweren Thema anvertrauen. „Ivo“ ist ein zutiefst humanistisches Porträt über eine Palliativpflegerin und ihren Patientinnen und Patienten, die ihre je eigene Biografie, ihren je eigenen Charakter – die einen sind humorvoll, andere stur, manche herzlich, andere abweisend – mitbringen. Der Gang durch die Wohnungen und Häuser durch die ambulante Pflegerin (genial, wie Trobisch ihre Figur als Vehikel für ihr Thema einsetzt) ist auch ein Gang durch das Leben in Deutschland. Unterschiedliche Lebenstile, die sich in der Einrichtung vom Gelsenkirchner Barock bis zur coolen Designerwohnung mitteilen, fächern auch soziale Klassen auf. Dass Ivo aber nicht über allem steht, wirft die enge Beziehung zu einer ihrer Patientinnen auf. Solveigh, gespielt von Pia Hierzegger (bekannt auch als Frau von Josef Hader), ist noch jung, der Krebs hat sie fest im Griff. Ivo gibt ihr freundschaftliche Nähe, verbringt viel Zeit mit ihr, schon fast ein wenig Alltag. Aber da ist noch etwas anderes, vielleicht Unerhörtes, was sie mit der Patientin so stark verbindet. Minna Wündrichs Figur verlässt an diesem Punkt in jeder Hinsicht den „Code of Conduct“ der Palliativpflegerin, die auch in gefährliche zwischenmenschliche Dimensionen hineinmanövriert.
Zwischen ihren Krankenbesuchen fährt Ivo mit ihrem kleinen Pflegerinnen-Auto, wie man es von Deutschlands Straßenbild nur allzu gut kennt, über die Landstraßen. Lehnt sich zurück in ihren Autositz, atmet drei Mal tief durch, während die Sonne durch das Blattwerk der Bäume glitzert – Kameramann Adrian Campean findet selbst im Unspektakulären bilderstarke Momente. Und selbst bei dramatischen oder moralischen Zuspitzungen bleibt das Drehbuch von Eva Trobisch immer der Realität verbunden, findet glaubhafte Erklärungen und unspektakuläre Lösungen. „Ivo“ ist ein großer Glücksfall für das deutsche Kino.
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