Eine Kiesgrube, ein Wohnzimmer, ein Tiefbunker, ein Büro, gemeinsam ist ihnen allen die Tatsache, dass es sich um gestaltete Räume handelt. Also sind Architekten zuständig, sie sollen Räume den Bedürfnissen und Lebensentwürfen der Menschen anpassen, aber zugleich entziehen sich Räume den Plänen ihrer Nutzung und geben uns dadurch eine Vorstellung davon, dass alles auch ganz anders sein könnte. Margherita Spiluttini ist eine Architektur-Fotografin, die sich für die Spuren interessiert, die wir in Räumen hinterlassen. So fotografiert sie sich zum Beispiel selbst während des Kochens in ihrer Küche. Über der Benutzung definieren sich Räume, und das zu beobachten, ist eine spannende Angelegenheit.
Als Tochter eines Bauunternehmers hat sich die 1947 in Salzburg geborene Fotografin schon immer für das Material, mit dem gebaut wird, interessiert. Von den Konzepten bis zu den Archiven dokumentiert sie uns den ganzen Kosmos der Architektur. Die Photographische Sammlung der SK Stiftung Kultur präsentiert jetzt unter dem Titel „Archiv der Räume“ das Werk dieser großartigen Fotografin. Räume entstehen erst durch Bewegung und in den Bildern der Österreicherin spielt neben der physischen Bewegung auch die psychische Bewegung des Denkens eine konstitutive Rolle. So zeigt die Ausstellung etwa jene berühmt gewordene Aufnahme des Arbeitszimmers von Margarete Schütte-Lihotzky, der ersten österreichischen Architektin. Eine Fotografie, die sofort Fragen nach der Bewohnerin dieses Raums und der Epoche aufwirft, die ihn geprägt hat.
Margherita Spiluttini spezialisiert sich nicht wie etwa Candida Höfer auf ein bestimmtes Sujet. Ihre Bilder des Berg Isel, der Großglockner Hochalpenstraße, des verschneiten Salzburg mit dem Blick auf seine Sozialbauwohnungen setzen gleichfalls unsere Vorstellungskraft in Gang, indem man beobachtet, wie sich Naturlandschaft und Zivilisationsränder miteinander verschränken. Für die Wiener Stadtverwaltung fotografierte Spiluttini Hunderte von Gebäuden, deren Geschichte vom Mittelalter bis in die Gegenwart reicht. Hinter jeder Fassade öffnet sich ein Lebensraum, der von den beherrschenden Vorstellungen seiner Epoche erzählt. Selbst die 106 Porträts der Mitarbeiter eines Bauunternehmens hat die Österreicherin erfasst. Gesichter verweisen auf Personen und deren Biographien.
Handelt es sich hier um innere Räume, so demonstriert die Ausstellung auf inspirierende Weise, wie sehr die Dokumentarische Fotografie unsere Neugierde durch die sinnliche Präsenz des Realen entfacht. Der Blick auf einen Hotelflur erzählt ebenso von seinen Architekten wie von den Gästen des Hauses. Geradezu ein Panorama des Bewusstseinszustands unserer Tage bietet Spiluttini mit einer Bildserie von Einfamilienhäusern. Während wir auf das Heim der anderen – wohlwollend oder spöttisch – schauen, geraten wir freilich selbst ins Bild, denn alle Bilder schauen auf den zurück, der sie betrachtet. Um diesen Zusammenhang bewusst zu machen, kleidete die Fotografin einen Ausstellungsraum mit Spiegeln aus. Es gibt viel zu entdecken in dieser Präsentation, die man am besten in Begleitung besucht, denn erst im Gespräch lässt sich der Zustand unserer Welt so richtig verhandeln.
„Margherita Spiluttini – Archiv der Räume“ | bis 24.1.16, tägl. 14-19 Uhr, mi geschl., montags Eintritt frei | Photographische Sammlung der SK Stiftung Kultur | 0221 88 89 53 11
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