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Soziologe Dr. Steffen Lehndorff spricht über Versäumnisse der EU
Foto: Katja Sindemann

Für Europa

11. April 2017

Pulse of Europe demonstrierte auch in Köln für ein vereintes Europa – Thema 04/17 Zukunft jetzt

Überall blau, wohin das Auge blickt: blaue Luftballons, blaue Fähnchen, blaue Hüte und blaue Plakate… Es ist die Europaflagge mit dem goldenen Sternenkranz auf blauem Grund. Nach Angabe des Veranstalters rund 4000 Menschen hatten sich Sonntagnachmittag auf dem Roncalliplatz versammelt, um in Zeiten von Brexit und anderen drohenden Exits für ein vereintes, demokratisches Europa zu demonstrieren. Christophe Kühl, der in Köln zusammen mit Ehefrau Elisabeth die wöchentlichen Pulse of Europe-Treffen organisiert, erklärt: „Ziel ist, die Menschen wieder für Politik und die europäische Einheit zu interessieren. Die Mehrheit ist für Europa, das zeigt sich hier deutlich. Wir wollen die EU erhalten und reformieren, entgegen den Vorstellungen der Nationalisten. Indem wir die proeuropäischen Kräfte aktivieren, wollen wir auch Bewegung in der Politik bringen.“

Pulse of Europe wurde 2016 als überparteiliche, unabhängige Bürgerinitiative von den Frankfurter Rechtsanwälten Daniel und Sabine Röder ins Leben gerufen, mit dem Ziel, den europäischen Gedanken wieder sichtbar und hörbar zu machen. Zugleich soll damit rechtspopulistischen und nationalistischen Ideen entgegengetreten werden. Seit November letzten Jahres finden wöchentliche Kundgebungen in vielen großen deutschen sowie zahlreichen europäischen Städten statt, die von Ehrenamtlichen über Soziale Netzwerke organisiert werden. Die Teilnehmerzahlen sind derzeit steigend. Laut Medienberichten beteiligen sich inzwischen 92 Städte in zwölf europäischen Ländern an der Initiative.


Die Menschenmenge bildet eine Kette quer über den Platz, Foto: Katja Sindemann

Auf dem Roncalliplatz trat zuerst der Kölner Kabarettist Jürgen Becker auf und hielt unter dem Gelächter des Publikums eine launige Rede gegen Rechtspopulismus, Nationalismus und Ausländerfeindlichkeit. Marzanna Dyjak-Diederich, die sich in Polen für die regierungskritische, proeuropäische Initiative „Democracy is ok“ (DOK) engagiert hatte, drückte ihre Freude über die in Deutschland herrschende Meinungsfreiheit, Medienvielfalt und Rechtssicherheit aus. Für sie ist die Europäische Union nicht nur eine Wirtschafts-, sondern auch Wertegemeinschaft, die es zu bewahren gelte. Zum Schluss zitierte sie Antoine de Saint-Exupéry: „Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“ Anschließend erinnerte der Soziologe und Arbeitsmarktforscher Dr. Steffen Lehndorff daran, dass es von Anfang an große wirtschaftliche Unterschiede zwischen den einzelnen EU-Mitgliedern gegeben habe und daher ein Ausgleich erforderlich sei, also strukturschwache Länder besser unterstützt werden sollten. Weiterhin schlug er vor, gemeinsam in Foren über die künftige Richtung der EU nachzudenken und ihr somit zu neuem Schwung zu verhelfen. Hier gelte es, neue Werkzeuge und Ansätze zu erproben. Applaus signalisierte die Zustimmung der Zuhörer.

Schließlich erfolgte das gemeinsame Setzen von optischen und akustischen Zeichen. Nachdem alle Besucher farbige DIN-A4-Blätter erhalten hatten, hoben sie diese hoch, so dass sie die Farben der französischen Trikolore bildeten – im Gedenken an die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in Frankreich. Dazu wurde „Restons ensemble“ („Wir bleiben zusammen“) skandiert. Das eindrucksvolle Bild wurde von Elisabeth Kühl vom oberen Stockwerk eines Gebäudes dokumentiert und auf Facebook gepostet. Abschließend bildeten die Besucher eine Menschenkette, die sich mäandernd über den Roncalliplatz zog. Dazu ertönte Beethovens Neunte Symphonie, die Europahymne. Nach der Veranstaltung zeigte sich Christophe Kühl glücklich: „Es war wunderbar, mit guten Reden und einer hervorragenden Stimmung. Das Bild der Trikolore herzustellen war eine logistische Meisterleistung.“ Auf Facebook waren allerdings auch kritische Stimmen zu finden. So wurde das Nebulose der Aussagen beanstandet und an die mehrfache Nichteinhaltung des Maastricht-Vertrages erinnert. Auch wurde gefordert, politisch Andersdenkende einzuladen. Die Mehrheit zeigte sich jedoch mit der Veranstaltung zufrieden. Das nächste Kölner Pulse of Europe-Treffen findet nach Ostern am 23. April um 14 Uhr auf dem Roncalliplatz statt.


Lesen Sie weitere Artikel
zum Thema auch unter: trailer-ruhr.de/thema und engels-kultur.de/thema

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KATJA SINDEMANN

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