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Das Colabor-Team: Katharina Schwartz, Martin Herrndorf, Svenja Stingl und Miriam Pflüger
Foto: Seyda Kurt

Von Anfängen und Erfolgen

26. Januar 2017

Im Colabor stellten Kölner Initiativen ihre Neujahrspläne vor – Spezial 01/17

Eine Initiatorin wird an diesem Abend mit besonders kräftigem Applaus vom Podest verabschiedet: Linda Rennings, auch bekannt als die „Kölsche Linda“. Ihr Hilfsverein „Heimatlos in Köln“ unterstützt obdachlose Frauen und besorgt ihnen Wohnraum, der gerade in Wintermonaten lebenswichtig ist. Und er vermittelt den Frauen Arbeit – das ist Renning ein besonders wichtiges Anliegen – die sie in Gesellschaft ihres Hundes ausüben können. Sie selbst war lange Zeit obdachlos und ihr eigener Gefährte auf vier Beinen sitzt vorbildlich und manierlich auf dem Podest zu ihren Füßen. Bei den ZuhörerInnen stößt das unweigerlich auf großes Entzücken.

Das Colabor, der Ehrenfelder Raum für Nachhaltigkeit, droht an diesem Abend gleichsam aus allen Nähten zu platzen. Denn die GastgeberInnen haben zum Neujahrsplausch geladen. Projekte und Initiativen können und sollen den Anlass nutzen, um auf ihre Arbeit aufmerksam zu machen. Mit einem Namensschild auf der Brust und einer Angabe des Lieblingsthemas wird man auf die Menge losgelassen. Dann heißt es: netzwerken! Ein junger Mann in rosa Konditoren-Arbeitskleidung heißt Matthias. Worüber man laut Zettel mit ihm plaudern kann? Über das Backen.

Matthias will an diesem Abend jedoch nicht nur über die Backkunst sprechen, sondern die Initiative „Cup der guten Hoffnung“ vorstellen, die sich für ökologisch produzierte Mehrwegbecher für den Kaffee to Go einsetzt – eine von mehr als 26 vorgestellten Ideen dieses Abends. Zwei Minuten darf jeder Pitch auf der kleinen Bühne in der Mitte des Raumes dauern. Das Konzept erinnert an das Fernsehformat „Die Höhle des Löwen“, nur dass es hier nicht darum geht, Kohle zu machen, sondern um Nachhaltigkeit, Sozialunternehmertum, Mobilität und Kultur, sprich – um gesellschaftlichen Wandel zum Vorteil aller. Es ist also eine Art „Höhle des Löwen“ für Gutmenschen.

Doch, halt! Bevor diese Wortwahl zu Missmut führt: „Gutmenschenrudel“ ist eine Bezeichnung, die sich das Colabor-Team selbst für seine Community ausgedacht hat. Allein für diese positive Wiederaneignung eines zu Unrecht in Verruf geratenen Begriffs ist ein Lob für den Neujahrsplausch angebracht, der nach dem Startschuss im letzten Jahr an diesem Abend zum zweiten Mal stattfand. „Das hat damals besser funktioniert, als wir es gedacht hätten“, erzählt Colabor-Mitgründer und Moderator des Abends Martin Herrndorf und witzelt: Initiativen „für Köln, für die Welt, für Amerika" könne man hier kennenlernen. Für den Rest des Abends bleibt man glücklicherweise von dem Gedanken an den Präsidenten der Vereinigten Staaten verschont und kann sich stattdessen begeistern lassen.

Einer, der begeistert, ist Jabbar Abdullah. „Literatur aus Syrien“ heißt das Projekt, das der aus Syrien geflüchtete Autor und Archäologe vorstellt. Das dreitägige Festival soll nicht nur in Deutschland lebenden syrischen SchriftstellerInnen eine gebührende Bühne bieten, sondern auch mit der Teilnahme deutscher AutorInnen den Zusammenhalt stärken und Begegnungen auf Augenhöhe ermöglichen. Das Literaturfestival wird vom 8. bis 12.4. in der Alten Feuerwache und in der Kulturkirche Ost stattfinden. 

Faire und ökologisch nachhaltige Ernährung ist ein Thema, das hier viele der PräsentatorInnen beschäftigt. Die Initiative „The Good Food“ vertreibt etwa Lebensmittel, die in Supermärkten im Müll landen würden. „Es ist unglaublich, was so aussortiert wird“, sagt die Gründerin Nicole. Bezahlen für das hübsch-hässliche Gemüse kann jeder nach Belieben. Um Essen geht es ebenso bei „Über den Tellerrand kochen“, wenn auch mit anderen Absichten: An verschiedenen Orten der Stadt wird gemeinsam mit Beheimateten und Geflüchteten gekocht – eine großartige Gelegenheit, sich auch ohne viele Worte näher zu kommen. Das nächste Ziel sei eine eigene Küche, so Organisatorin Miriam. Man wolle das Angebot auf interkulturelle Workshops und weitere Veranstaltungen zu Küche und Kultur erweitern. Was noch fehlt: der nötige Raum für die Umsetzung. Davon können hier einige ein Liedchen singen.

Der Abend handelt nicht nur von Anfängen, sondern auch von Erfolgen: Die Initiative „RingFrei“, die sich für einen sicheren Radverkehr auf den Kölner Ringen einsetzt, berichtet etwa von der Aufhebung der Pflicht der Radwegbenutzung und der Einführung von Zonen in der Innenstadt, in denen Autos lediglich mit Tempo 30 fahren dürfen. Martin Schmittseifer vom Jack in the Box e.V. gab währenddessen bekannt, dass für das Gelände um den Ehrenfelder Güterbahnhof ein Investor gefunden wurde, der wie die InitiatorInnen Interesse an einer soziokulturellen Nutzung der Fläche habe.

Auch die choices, an diesem Abend eigentlich nur zur Berichterstattung anwesend, lässt sich von dem kreativen Geist im Raum kurzerhand mitreißen. Das Magazin, erklärt Herausgeber Joachim Berndt auf dem Podest, beschäftige sich seit jeher mit genau diesen Themen. Doch aus einer Haltung folgt an diesem Abend natürlich eine Idee und die lässt nicht lange auf sich warten: Eine neue Seite könnte es geben, so Berndt, und den Arbeitstitel habe er gerade auch schon entworfen: „Zukunft jetzt – zeigen, was geht!“

Zum Wandel gehört auch der Protest, und der kann aus einer ganz einfachen Idee entstehen: So wird etwa dazu aufgerufen, mit T-Shirts, die mit dem Hashtag #runforhambi bedruckt sind, auf verschiedenen Sport- und Marathonevents für die Erhaltung des Hambacher Forsts zu werben. So erobert man sich als Bewegung nicht nur die Straßen, sondern auch den virtuellen Raum. Hinter dem liebenswerten Hashtag #immovielien steckt hingegen eine knallharte Forderung: Immobilien von vielen für viele! Dazu begleitet die Montag Stiftung unter dem Stichwort „Urbane Räume“ verschiedene Nachbarschaftsinitiativen bei ihrem mühsamen Weg von der Gründung bis hin zur Finanzverwaltung. „Unter dem Hashtag #koelnhbf tobt seit letztem Jahr der Mob“, beginnt eine andere Ideengeberin ihre Präsentation. Gegen den dadurch entstandenen Frust solle man zusammen in Fußballstadien und auf Festivals ansingen. Wie und was genau, das weiß man am Ende nicht so recht. Doch dieser Abend im Colabor macht deutlich: Für ein gutes Leben braucht man erst mal nur eine Idee, dann ein paar nette Mitstreiter, gelegentlich ein Bierchen und einen langen Atem.

Seyda Kurt

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