Mittwoch, 4. Januar: Senator Joe McCarthy ist eine schillernde, berühmt-berüchtigte Figur der amerikanischen Politik der 50er Jahre. Dokumentarfilmer Lutz Hachmeister („Schleyer – Eine deutsche Geschichte“) hat sich der Person und des Mythos’ McCarthy in seinem neuen Film angenommen und mit einigen Legenden aufgeräumt. So macht er in seiner Mischung aus Archivmaterialien, Interviewpassagen und nachgespielten Szenen deutlich, dass McCarthy entgegen weit verbreiteter Meinungen nichts mit den Prozessen gegen Alger Hiss oder die Hollywood Ten zu tun hatte. Hachmeister erläuterte, dass es sich bei dem Politiker um einen Karrieristen handelte, mit eisernem Willen und geschicktem Talent, die Presse für sich zu mobilisieren. Gemeinsam mit seiner Co-Autorin Simone Höller stellte er „The Real American – Joe McCarthy“ in der NRW-Premiere im Filmforum den interessierten Zuschauern vor.
Im anschließenden Gespräch zog der Regisseur Parallelen mit deutschen Politikern wie Karl-Theodor zu Guttenberg und Christian Wulff, die sich auf ihren Charme verlassen und sich deswegen länger der Sympathien der Massen sicher sein können. Der komplett in Englisch mit einigen renommierten britischen Charakterdarstellern in den Spielszenen gedrehte Film ist der erste seiner Art, der von der BBC eingekauft wurde, obwohl der Sender nicht auch schon in die Produktion involviert war. Auf den ironischen Titel, den das Werk hierzulande trägt, wollte man sich allerdings weder in Großbritannien noch in den USA einlassen, wo er als „The Enemy Within“ ausgewertet werden soll. In dem fünf Jahre währenden Produktionszeitraum hat sich für Hachmeister eine Erkenntnis mehr und mehr manifestiert, der auch Zuschauer im Filmforum zustimmen konnten: „McCarthy war ein Borderliner, der sich selbst zu Tode getrunken hat. Er war eine hochgradig neurotische Persönlichkeit.“ In diesem Zusammenhang wird dann auch nachvollziehbar, warum sich sogar ehemalige Opfer seiner Hetzkampagnen im Interview nicht ausschließlich negativ über ihn äußern wollten.
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