Er ging durch die Hölle, er ging durch den Dschungel, er eroberte die Provinz, jetzt ist der große Werner Schlaffhorst tot. Er hätte es fast geschafft ein Held zu sein. Doch das wussten nur die Insider. Wer erinnert sich noch an die WM 1954, wo Schlaffhorst das entscheidende Tor schoss? Dummerweise in einem Spiel das nie stattgefunden hat, genauso wenig wie Werner Schlaffhorst, fast wäre er 90 geworden, der alte Haudegen, den die Beatles in zahlreichen Liedern für sein musikalisches Talent priesen, wie zahlreiche Superstars von Bowie bis Jagger auch. Der Recke, der unbemerkt Rekorde riss, wegweisende Erfindungen wie das Schlaffomobil erfand und nebenbei die Medizin revolutionierte, wenn ihn doch nur jemand entdeckt hätte im Meer der deutschen Bevölkerung, so blieb sein Leben zu schön um wahr zu sein. Aber es war wenigstens ereignisreich.
Der Hamburger Musiker Clemens Sienknecht hat die Gedenkveranstaltung für Werner Schlaffhorst inszeniert. Es ist bereits die dritte Produktion unter Karin Beiers Intendanz. Die Geschichte ist nicht neu, aber eine konsequente Weiterentwicklung der Uraufführung in Zürich vor drei Jahren. Und so beginnt auf der Bühne voller Devotionalien eine Schatzsuche, verschlungen, aber nicht weit, eine Revue mit Fender-Strat und Hammondorgel, mit Pas de Quatre oder Cinq, Slapstick und Diashow, ein köstlicher Reigen voller Absurditäten. Werner Schlaffhorst, früh hat er sein Talent erkannt, doch nie genutzt. Schon damals bei seiner Geburt am Mittwoch den 10. Januar 1898, als er seine Hebamme zum ersten Mal sah, war er sprachlos. Diese Dame hatte er noch nie in seinem ganzen Leben gesehen. Wie sehr ihn das beeinflusst hat, blieb eben unbekannt, wie auch seine Reisen in ferne Länder.
Sienknecht, der immer mitspielt, zaubert ein musikalisches Potpourri auf die Bühne in der Kölner Expo, dem schönen Übergangsspielort, der leider mit dem Intendantenwechsel wieder aufgegeben werden muss. Eine Choreografie mit fast britischem Humor, ein Text von fast epischer Schönheit, sollte Sienknecht ein Verwandter...? Nein. Das musikalische Multitalent zwischen Mimik, Gestik und sportlicher Eleganz steht einfach nur mit den großartigen Showtalenten Jennifer Frank, Yorck Dippe, Holger Bülow und Michael Wittenborn auf der Bühne und strukturiert die Aufarbeitung des großen Deutschen und da gelingen dann auch die mehrfach wiederholten verrenkten Tanzeinlagen. Warum Vicky Leandros ihn aus ihrer Band warf, bleibt letztlich ihr Geheimnis, wahrscheinlich wollte sie mit Werner Schlaffhorsts Cousin Theo wieder mal nach Lodz. Aber diese Geschichte wurde natürlich in Köln trotz der immensen Spieldauer von mindestens 90 Minuten aber nicht länger als 110 Minuten mal wieder nicht erzählt. So was erfährt man in der Regel in der Pause, aber die gibt es eben garantiert nicht. Was total unverständlich bleibt: Der Bürgermeister von Iserlohn ließ mitteilen, dass es keine Gedenktafel für Werner Schlaffhorst an seinem Geburtshaus in der damaligen Dittrichstraße 67a, heute Zachariasallee 97a geben wird.
„Werner Schlaffhorst“ | erst wieder 2013 | Schauspiel Köln | Tel. 0221 22 12 84 00 | schauspielkoeln.de
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