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„Lehman Brothers.“
Foto: Tommy Hetzel

Imperium aus dem Koffer

31. März 2016

„Lehman Brothers.“ im Depot 1 – Theater am Rhein 04/16

Für die 164 Jahre, über die sich die Geschichte der „Lehman Brothers“ erstreckt, braucht der Kölner Intendant Stefan Bachmann drei Stunden und 15 Minuten – reine Spielzeit wohlgemerkt. Hinzu kommen zwei Pausen. Aus kapitalistischer Perspektive – und um den Kapitalismus geht‘s, wenn die Geschichte der jüdischen Gebrüder Lehman aus dem bayrischen Ripach erzählt wird – gibt‘s richtig was fürs Geld. Neben dem Familienepos, an dessen Ende die größte Investmentbank der Welt steht, erzählt das Stück von Stefano Massini die Entwicklungen des Kapitalismus.

Jenes Wirtschaftssystems, das jede Krise als Chance begreift, das nicht kleinzukriegen ist, weder durch Kriege noch durch Börsencrashs. Als Lehman Brothers 2008 im Zuge der Bankenkrise über den finanziellen Jordan ging, war der letzte echte Lehman – Robert, genannt Bobbie – schon lange nicht mehr am Ruder. Er ist der Schlusspunkt einer Familiendynastie, die mit Henry Lehman beginnt, der mit nichts weiter als einem Koffer in die neue Welt kommt, weil es für ihn, den Juden, in der alten nichts zu gewinnen gibt. In Montgomery im Staat Alabama startet er als Stoff- und Tuchhändler. Wenig später folgen ihm seine Brüder Emanuel und Mayer nach. Durch unglaubliche Arbeitsmoral und den Verzicht auf jeglichen Luxus wächst ihr Geschäft vom Tuchwarenladen zur Weltbank – in weniger als 150 Jahren.

Das siebenköpfige Männerensemble spielt in wechselnden Rollen, berichtet in erzählerischen Passagen, schlüpfen – Bart ab, Bart dran! – in verschiedene Rollen, kommentiert sich selbst oder duelliert sich in schmissigen Dialogen. Die karge aber voller Symbolik steckende Bühne (Olaf Altmann) bietet einen schier unendlichen Raum und wird dominiert von einer gigantischen Mechanik: Die „Spieluhr des Lebens“ beginnt sich bei ihrer leitmotivischen Nennung zu drehen. Zur epischen Größe des Abends – eine Koproduktion von Dresdener Staatsschauspiel und Kölner Bühnen – trägt auch die hollywoodartige Musik (Sven Kaiser) bei. Ein langer, dennoch kurzweiliger Abend, der mit Humor, ein bisschen Sitzfleisch und Konzentration zum Hochgenuss wird.

„Lehman Brothers. Aufstieg und Fall einer Dynastie“ | R: Stefan Bachmann | So 10.4. 16 Uhr, Di 19.4. 19 Uhr | Schauspiel Köln | 0221 22 12 84 00

Bernhard Krebs

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