Mit der Retrospektive „Cinema“ wird dem im Sommer gestorbenen Kölner Musiker Holger Czukay gedacht: Czukay ist vor allem bekannt als Bassist von Can. Nachdem er dort 1977 ausstieg, hat er zahlreiche Soloalben und Kollaborationen veröffentlicht. Sein Interesse für Tonbandcollagen hatte er bereits mit seinem prä-Can Album „Canaxis 5“ von 1969 demonstriert. Zehn Jahre später machte er mit „Movies“ weiter. Kollaborationen mit den Kraut-Punks von S.Y.P.H., als Les Vampyrettes mit Conny Plank oder mit Jah Wobble und Jaki Liebezeit (großartig: „Full Cycle“) und weitere Soloarbeiten begleiteten die 80er Jahre. Die Box versammelt insgesamt 33 Stücke – darunter sechs über zehn Minuten – von den frühen 60er Jahren bis 2008 aus allen Schaffensphasen, dazu den Film „Krieg der Töne“ von 1987 (Grönland).
Zurzeit wird auch der Backkatalog von Czukays Zeitgenossen Klaus Schulze in remasterter Version als CD und schweres Vinyl wiederveröffentlicht. Vor allem die Veröffentlichungen bis Mitte der 80er Jahre stehen im Zentrum der über zwanzig Alben zählenden Reissue-Reihe: Kombinierten die ersten Alben noch Elektronik mit herkömmlichen Sounds, wurde seine als kosmisch bezeichnete Musik bald komplett elektronisch, nur hier und da war sein Schlagzeug zu hören. Mal frei von Beat huldigte er wie bei „Timewind“ den sphärischen Klängen, mal groovte er sehr rhythmusbetont, wie bei „Moondawn“ oder „Mirage“, bevor er um die Jahrzehntwende den digitalen Turn wagte. Da war er mit seiner Musik, die sowohl Ambient als auch Clubmusik beeinflusst hat, längst Legende. Die CDs enthalten Bonustracks, die 180 Gramm Vinylausgaben einen Downloadcode (Universal). In Frankreich gab es entsprechend nicht nur den massenkompatiblen Jean-Michel Jarre, sondern auch die Musik von Richard Pinhas. Der hat zwischen 1974 und 1979 mit seinem Projekt Heldon sieben Alben eingespielt, die zwischen Akustik, Elektronik und Prog-Rock changierten, ab 1977 hat er auch unter seinem bürgerlichen Namen veröffentlicht. Die ersten beiden Heldon-Alben „Electronique Guerilla“ und „Allez-Téia“ sowie Pinhas‘ erstes Soloalbum „Rizosphere“ mit ambienten, mitunter dystopisch klingenen Soundscapes werden nun wiederveröffentlicht (bureau b).
Anderswo: Dem Akkordeon-Spieler Camarão ist die Compilation „The imaginary Soundtrack to a Brazilian Western Movie 1964-1974“ gewidmet. Die Tanzmusik Forró ist ursprünglich eine Tanzmusik aus dem Norden Brasiliens, der man die osteuropäischen Wurzeln zum Polka noch anhört. Sechszehn uplifting Stücke aus den 60er und 70er Jahren versammelt die Compilation. Vielleicht auch ein guter Tipp für nächstes Karneval (Analog Africa). Gegenwart: Die niederländische Punk-Institution The Ex feiert fast schon 40-jähriges Jubiläum. Über 20 Alben haben sie seit 1979 veröffentlicht, darunter viele Kollaborationen mit anderen Musikern – auch aus dem Jazz und der Folklore. Gerade in den letzten Jahren haben sie sich für afrikanische Musik interessiert. Das hört man „27 Passports“, ihrem ersten Album seit 2010 in klassischer The Ex-Besetzung ohne Gäste, ein wenig an, aber das neue Album ist vor allem eine extrem coole Präsentation ihrer spröden Noise-Energie aus drei Gitarristen und einer Schlagzeugerin, die am ehesten an Wire erinnert. Tolles Album (Ex Records). Jetzt ist Karneval gerade vorbei – aber das wäre der richtige Soundtrack gewesen!
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Lieber Herr Meyer-Pröbstl ...
... hören Sie die Platten eigentlich mal, bevor Sie darüber "schreiben", oder plappern Sie einfach nur die Pressetexte nach? Klaus Schules MIRAGE "groovt" natürlich überhaupt nicht "sehr rhythmus-betont", aber das können Sie natürlich nicht wissen, weil Sie die Platte nie gehört haben. Schade, weil es vielleicht ja Leser gibt, die den Unsinn glauben, der hier veröffentlcht wird.
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