Es war eine vollmundige Ankündigung des nö theaters im Dezember vergangenen Jahres. Da hatte der erste Teil „Gipfelstürmer – history is a world in progress“ Premiere. Eine Art Protest-Propädeutikum für den G7-Gipfel, der im Juni in Elmau stattfand: Welche Klamotten, welche Debatten, welche Widerstandsformen braucht‘s, um effektiv stören zu können? Das Versprechen von Felix Höfer, Asta Nechajute und Janosch Roloff lautete: Wir fahren hin und bringen Berichte mit. Aber dann hatten alle drei was Besseres zu tun, wie Tierbabys retten oder mit Strippen Geld verdienen. Dennoch sah sich das Ensemble in der Pflicht ein gutes Programm abzuliefern: „Was hätte passiert sein können, wenn es interessant gewesen wäre“, lautet die Prämisse eines Abends, der stark zwischen Ernst und Klamauk ausschlägt und in der Beerdigung der G7-Protestbewegung mündet, die in Elmau gerade mal 4000 auf die Straße brachten.
Im Alptraum (sic!) eines bajuvarischen Bierzelts entlarvt das nö theater die sich ranwanzende Hofberichterstattung der öffentlich rechtlichen Sendeanstalten: Zum peinlichen Original-Kommentar über den Weißwurst essenden US-Präsidenten, zuzelt Felix Höfner mit Obama-Maske. Janosch Roloff kümmert sich um die harten Fakten und rechnet vor, dass die 26 Stunden von Elmau 380 Millionen Euro gekostet haben. Bei einer effektiven Besprechungsdauer von 600 Minuten, hieß das für 21 zu besprechende Probleme 28,5 Minuten pro Thema. Macht vier Redeminuten pro Politiker – vorausgesetzt, EU-Vertreter Jean-Claude Juncker musste schweigen. Und auch die Strategie des Staates ging laut Asta Nechajute vollkommen auf: 20000 Polizisten, 30 Hubschrauber, 230 Hunde kamen auf 4000 Demonstranten: „Das ergibt einen Betreuungsschlüssel von fünf zu eins.“ In den Kindergärten sei‘s dagegen anders herum.
Eine theatrale Einmischung in das Großereignis G7-Gipfel, die irgendwo zwischen Agitprop-Revue, pointenreichem Polit-Klamauk und kabarettistischer Tragödie zu verorten ist. Wer den ersten Teil nicht gesehen hat, hat es schwer.
„Gipfelstürmer 2.0 – Welcome dahoam“ | R: nö theater | Freies Werkstatt Theater | Mi 7.10., Do 8.10. 20 Uhr | 0221 32 78 17
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