Da ist doch der Ausbeuter in Düsseldorf tatsächlich auf die schiefe Bahn geraten. Der übermäßige mäßigende Genuss von Alkohol lässt ihn selbst dort nur bedingt menschlich erscheinen. Jan Gehler inszeniert auf der kleinen Bühne im Central Bertolt Brechts „Herr Puntila und sein Knecht Matti“. Es wurde eine zwar nicht überraschend (wenn man über den großen Teich oder den schmalen Kanal blickt) absurde, sondern eher eine doch unheimlich zeitgemäße Geschichte, die, wenn man mal das immanent Klassenkämpferische beiseitelässt, auch zeigt, dass Herrschende, selbst wenn sie scheinbar ihre soziale Ader zur Blutabnahme heraushängen lassen, gefährlich bleiben, nein, immer noch brandgefährlich sind. Dass man unter diese erst einmal nur gedachte Menschenmenge auch die heutige europäische Politikerklasse sehr gut hineinmischen kann, erklärt viele Abstellgleise auf denen die Demokratie steht, und es beschreibt zumindest auch einen Großteil der Probleme der Gesellschaft. Insofern ist das Stück eine gute Wahl, denn eine Komödie braucht es dafür nicht, eine Genrebezeichnung Volksstück auch nicht mehr, hat dieses Wort in der ersten Hälfte doch wieder einen merkwürdigen Beigeschmack bekommen.
Zwischen Ökonomie und Delirium. Let‘s play master and servant. Und das im kalten Finnland, wo die Sauna dauerqualmt und die Geister allgegenwärtig sind im pfeifenden Dauersturm. Hier herrscht Puntila gnadenlos auf seinem Gut. Hier macht er sich die Welt, wie sie ihm gefällt. Und die Welt anerkennt seinen Status. Arbeit wird als Markt gehandelt, Menschen als Ware, selbst die eigene Tochter ist nur Mittel zum Zweck im politischen Ränkespiel. Diese Kluft muss sein, das weiß auch sein Knecht Matti, der seinen Klassenstandpunkt verteidigt, als sei Armut eine Auszeichnung. Nur einmal, am Schluss, wenn sich Puntila von ihm besoffen auf den imaginären Berg tragen lässt, gab es eine Ahnung, dass er ihn auch in den Abgrund hätte werfen können, doch wo hätte Andreas Grothgar landen sollen? Aber wie immer geht er am Schluss vom Hof und überlässt den Herrn seinem Schicksal. Denn ihm geht das Herz nicht auf, wenn er Puntilas Wälder sieht.
Jan Gehler hat das Stück vom Brechtschen Oberlehrerhaften weitgehend befreit, Konstantin Lindhorst lässt den Matti schon ziemlich überlegen erscheinen, gutmütig ist der jedenfalls nicht, nützen tut ihm das in allen Konstellationen auch nichts. Die finnische Dunkelheit greift nach allen Spielfiguren, glücklich ist da niemand, und das ist die eigentliche Basis, auf dem bei dieser Inszenierung die Welt in Schräglage (Bühne: Sabrina Rox) ruht. Alle rutschen mehr oder weniger durch den unsichtbaren Schnee. Zwei Türen trennen die Wildnis von den Stuben oder der Sauna, in der Matti und Puntila-Tochter Eva (Cennet Rüya Voß) ihre Spiele ins Nichts treiben, eine Basis werden sie nicht finden. Der Rest bleibt dann doch Klassenkampf und Gesellschaftskritik. Puntila wäre „fast ein Mensch, wenn er gesoffen“. Dies hat die Regie der Figur ausgetrieben. Glücklicherweise, der Rausch verfliegt eigentlich immer.
„Herr Puntila und sein Knecht Matti“ | Mi 30.11., Fr 16.12. 20 Uhr, Mo 26.12. 18.30 Uhr | Central Kleine Bühne, Düsseldorf | 0211 36 99 11
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