Eine Straße als Museum? Nein, genau das soll „Das Chargesheimer Projekt“ nicht werden. Markus Schaden spricht von einem „mehrjährig angedachten partizipativen Projekt“. Das klingt eher kompliziert, in Wahrheit könnte sich das, was er und drei Mitstreiter während der letzten Monate im Kollektiv entwickelt haben, als faszinierende Aktion nicht nur für Köln entpuppen. Markus Schaden ist Verleger. Vor vier Jahren rief er das PhotoBookMuseum im Kölner Carlswerk ins Leben. In Massen strömten die Besucher nach Mülheim, um die fotografischen Landschaften zu sehen, mit denen sich das Fotobuch als Nukleus der fotografischen Kunst feiern ließ. Mit dem Ende des Projekts wurde die Ausstellung in Container gepackt und wanderte nach Oslo, Barcelona und Krakau. Die Schau stand in Zusammenhang mit Schadens Revival berühmter Fotobücher. So präsentierte er noch einmal Ed van der Elskens legendäre Bildgeschichte „Liebe in St. Germain de Prés“ und vor genau 20 Jahren Chargesheimers Buch „Unter Kranenbäumen“, die fotografische Studie einer Straße im Eigelsteinviertel des Jahres 1958.
Mit dem Blick auf dieses Buch, schauen wir in die Vergangenheit und zugleich in die Zukunft, denn „Das Chargesheimer Projekt“ wird nun in die Körnerstraße in Ehrenfeld getragen. Eine Straße von früher soll einer Straße von heute begegnen. Da sind zunächst die Fotografien, die in großen Formaten auf Fassaden und Straßenecken aufgezogen werden können. Zugleich sind Präsentationen in Kneipen, Läden, Cafés und Parterrewohnungen vorgesehen. Alles geschieht in Abstimmung mit den Bewohnern. Das ist das Kernelement der Aktion, die Street Photography dort hinzubringen wo sie herkommt. „Über einen fotografischen Impuls wollen wir uns mit den Fragen unserer Zeit beschäftigen, dazu gehört die Gentrifizierung, das Feiern im öffentlichen Raum, der Autoverkehr oder die Nachbarschaft“, erklärt Markus Schaden. Eingeladen, sich an der Aktion zu beteiligen, sind nicht alleine die Bewohner dieser vielleicht am stärksten gehypten Straße in Ehrenfeld, sondern auch alle Besucher. Was bedeutet uns heute die Stadt und wie wollen wir in ihr leben? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, wird man sich zusammensetzen. Schon jetzt ist ein Studio Chargesheimer geplant, dass sich als eine Mischung aus einer Werkstatt und einem Café darstellt.
Vom 13. September bis 14. Oktober wird das Projekt mit den Bildern von Chargesheimer, den Projektskizzen und architektonischen Modellen zunächst im Rahmen der Internationalen Photoszene Köln im Bunker k101 in der Körnerstraße vorgestellt. „Früher war alles schöner“, ein Satz, den man in Köln oftmals hört, Markus Schaden will ihn überprüfen. Chargesheimers Werk bestätigt und widerlegt ihn zugleich. Der 1972 verstorbene Fotograf liebte Köln, aber in seiner Leidenschaft für das urbane Leben war er auch angewidert und verzweifelt über die Entwicklungen der Stadt. Die Aktion wird Kritik, Reflexion und den Versuch, „das zu schätzen, was man hat“ dauerhaft anregen. Und das dürfte mächtig Spaß machen, denn die Körnerstraße gehört schon jetzt zu den interessantesten urbanen Biotopen Kölns.
„The Chargesheimer Project“ | bis 7.10. | Bunker k101, Köln-Ehrenfeld | festival2018.photoszene.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Funktion und Kultur
Die „Ladentische“ von Anja Schlamann in der Michael Horbach Stiftung
Lebende Pflanzen in Schwarz-Weiß
Karl Blossfeldt in der Photographischen Sammlung im Mediapark
Das eigene Land
„Revisions“ im Rautenstrauch-Joest-Museum Köln – Kunst in NRW 03/24
Ohne Filter
„Draussensicht“ in der Oase – Kunstwandel 01/24
Ereignisreiche Orte
Simone Nieweg in der Photographischen Sammlung der SK Stiftung im Mediapark – kunst & gut 11/23
Die Revolution des Friedens
„Héroïnes“ im Bunker K101 – Kunst 10/23
Sehen in Lichtgeschwindigkeit
Horst H. Baumann im Museum für Angewandte Kunst – kunst & gut 10/23
Lichterfüllte, funktionale Orte
Lucinda Devlin mit einer Werkschau in der Photographischen Sammlung – kunst & gut 04/23
Formen und Strukturen
Drei Alfred Ehrhardt-Programme im Filmhaus – Film 04/23
Ein Star unter den Fotografierten
Max Ernst auf Fotografien in seinem Museum in Brühl – kunst & gut 03/23
Rote Tropfen fluten den Verstand
„Brennen“ im Bunker K101 – Theater am Rhein 11/22
Wovor Diktatoren Angst haben
„Brennen“ im Bunker K101 – Prolog 11/22
Auch Frauen können Helden sein
„Die Frauen jenseits des Flusses“ von Kristin Hannah – Literatur 11/24
Comics über Comics
Originelle neue Graphic Novels – ComicKultur 11/24
Die zärtlichen Geister
„Wir Gespenster“ von Michael Kumpfmüller – Textwelten 11/24
Nachricht aus der Zukunft
„Deadline für den Journalismus?“ von Frank Überall – Literatur 10/24
Zurück zum Ursprung
„Indigene Menschen aus Nordamerika erzählen“ von Eldon Yellowhorn und Kathy Lowinger – Vorlesung 10/24
Eine Puppe auf Weltreise
„Post von Püppi – Eine Begegnung mit Franz Kafka“ von Bernadette Watts – Vorlesung 10/24
„Keine Angst vor einem Förderantrag!“
Gründungsmitglied André Patten über das zehnjährige Bestehen des Kölner Literaturvereins Land in Sicht – Interview 10/24
Risse in der Lüneburger Heide
„Von Norden rollt ein Donner“ von Markus Thielemann – Literatur 10/24
Krawall und Remmidemmi
Begehren und Aufbegehren im Comic – ComicKultur 10/24
Förderung von Sprechfreude
„Das kleine Häwas“ von Saskia Niechzial, Patricia Pomnitz und Marielle Rusche – Vorlesung 10/24
Frauen gegen Frauen
Maria Pourchets Roman „Alle außer dir“ – Textwelten 10/24
Eine neue Tierethik
Maxi Obexer liest im Literaturhaus – Lesung 09/24
Vom Wert der Arbeit
8. Auftakt Festival am FWT – Lesung 09/24