Geld regiert die Welt – dieses Sprichwort ist so alt wie die Währung, ja das aus Gold, Silber, Kupfer, Polymer oder Baumwollfasern bestehende Tauschmittel selbst. Sein Äquivalent lässt sich beliebig einsetzen, lagern, weitergeben, verschenken oder gar verbergen, wie immer es dem beliebt, der das Geld besitzt. Doch – und um dies zu verschleiern wird seit jeher viel Mühe betrieben und eben solches Geld aufgewandt – lässt sich seine Spur fast immer nachvollziehen, selbst wenn es Um- und Irrwege nimmt. Denn irgendwoher müssen sie schließlich stammen, die lieben Scheine, die teuren Münzen. Aus diesem Grund widmet sich diese neue Kolumne ‚Nachgefragt – der Weg des Geldes’ genau jener Spur, mit dem originärsten aller Mittel des kritischen Journalismus – der Frage. Denn obgleich Geld und die aktuell Mächtigen die Welt regieren, umgesetzt wird das Regieren vor Ort von jenen, die nicht über dieses oder (eigenes) Geld verfügen. Wie etwa im Hambacher Forst.
Gipfel der Proteste
Dort, zwischen Köln und Aachen gelegen, versammelt sich derzeit die gesamte deutsche Umweltbewegung im Gehölz – bei friedlichen Protesten auf dem Boden der Tatsachen, wie auch auf den in die Gipfel konstruierten Baumhäusern. Diese entsprechen, wie von den Behörden kundgetan, gleichwohl nicht dem nordrhein-westfälischen Brandschutz. Ein Schelm wer hier ökonomische statt ökologischer Interessen vermutet und nicht alleine an Recht, Gesetz und die gute alte deutsche Bauordnung glaubt. Der Kampf um den deutschen Wald – er hat die einstige Graswurzelbewegung der heutigen Bündnisgrünen in die Parlamente befördert – ist aktuell wie eh und je. Der Forst soll dem Moloch großkapitalistischer Energieplanung weichen. Nach den Studien etwa der Experten des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE aber nicht etwa aufgrund von Bedarf: Um Energiesicherheit in Deutschland (und Europa, wohin ein Großteil der deutschen Energie exportiert wird) zu gewährleisten, braucht es den fossilen Energieträger Braunkohle nicht. Gaskraftwerke und der konsequente regenerative Ausbau vermögen den Hambacher Wald zu retten.
Die Rodung ist dennoch beschlossen Sache. Denn im Vergleich zu anderen Energieformen ist die Braunkohle äußerst lukrativ, vor allem für jene 86 kommunalen Einzelaktionäre, die aus den Dividenden ihres Aktienportfolios am Energieriesen RWE öffentliche Ausgaben bestreiten. 25 Prozent der RWE-Anteile werden von den Städten und Gemeinden direkt oder indirekt gehalten, organisiert etwa über den Verband der kommunalen RWE-Aktionäre (VKA). Thomas Kufen, seines Zeichens Oberbürgermeister der Stadt Essen, gehört der Gesellschafterversammlung der VKA als Aktionärsvertreter an, wie auch dem Aufsichtsrat der RWE Power AG. Sie betreibt den Tagebau Hambach mit seinen sieben Schaufelradbaggern. Der CDU-Mann, der vergangenes Jahr noch den Titel „Grüne Hauptstadt Europas“ vor sich hertrug wie eine Monstranz, sucht die ökologische Verantwortung für die durch Rodung bedrohte Flora und Fauna heute nicht etwa in seinem Aufgabenspektrum, sondern in fernen Amtsstuben: „Die zuständige Bezirksregierung hat die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen.“ Doch warum wird geräumt? Es ist ein dezidiert politischer Akt der Aktionäre. Warum warten RWE, Aufsichtsrat Kufen, das Land, die Polizei nicht auf die Entscheidung der Kohlekommission? Abraumfläche für den Tagebau gibt es noch reichlich. Der Zeitdruck, den Forst zu roden, ist völlig unnötig, ja eine Farce. Denn ob dort jemals Braunkohle abgebaut wird, ist völlig unklar.
Fossile Gedankengänge
Nachgefragt, welche Position Kufen als Grüner Hauptstädter in der Debatte um den Hambacher Forst einnehme, betont er: „Essen verfolgt als Anteilseigner der RWE AG und als Standortkommune die aktuelle Debatte sehr genau. Die Entscheidung, ob oder wann die Rodungen beginnen, liegt bei der RWE AG.“ Schon jetzt sei klar, dass die RWE AG den schrittweisen Übergang von der Nutzung und Gewinnung fossiler Energieträger auf erneuerbare Energien eingeleitet habe. „Das begrüße ich ausdrücklich. Auch aus Sicht der Grünen Hauptstadt Europas 2017.“
Der begehrte Titel, folgt man seiner Logik, dürfte in den Folgejahren dann an die Region Hambach, an Garzweiler oder Inden gehen – für eine gelungene Gangart, Umweltschutz und wirtschaftliches Wachstum zu einer hervorragenden Lebensqualität zu verbinden. Denn das prämiert die EU mit diesem Titel. Und wer weiß: Vielleicht gibt es dann ja auch eine durch EU-Gelder geförderte Ausstellung – zu den einst 142 dort ansässigen geschützte Arten, deren Heimat vernichtet wurde. Denn so ein echter 12.000 Jahre alter Wald, der stört schließlich nur.
RÜCKBLICK: Nachgehakt – Kohleimport/Stromexport
Schicht im Schacht heißt es zum Jahresende 2018 für alle Bergleute unter Tage. Dann schließt mit dem Bottroper Bergwerk Prosper-Haniel die letzte Steinkohlezeche Deutschlands. Nicht, weil es keine Vorräte mehr in der Tiefe gibt (es wurde bisher nur ein Bruchteil gefördert), sondern weil der Import von Kohle günstiger ist. „Die höchste Förderung in der Geschichte des Ruhrgebiets gab es 1957. Damals wurden an der Ruhr 123 Mio. Tonnen Steinkohle gefördert (gesamt alte BRD 149 Mio. Tonnen)“, heißt es von der Ruhrkohle AG (RAG). Auf den Revierzechen waren damals 496.000 Menschen beschäftigt.
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