Eine einzelne Frau betritt die Bühne. Musik setzt ein und sie beginnt sich zu bewegen. Sie geht durch den Raum, passt ihre Schritte der Musik an. „I try not to be afraid of the dark“ sind die Worte, die wohl am besten beschreiben, worum es in der Performance der indischen Künstlerin Maya Krishna Rao geht. „The Walk“ ist ein Plädoyer für die Freiheit, aber gleichzeitig auch eine Bitte um Verständnis.
Ist es normal, dass sich Frauen in der Dunkelheit fürchten müssen? Ist es normal, dass sich eine Frau nicht traut, bei Dunkelheit alleine mit dem Bus zu fahren? Sollte nicht ein jeder den Unterschied zwischen Liebe und Aggression begreifen?
Rao reagiert mit ihrer Arbeit oft auf gesellschaftspolitische Probleme ihres Landes, kommentiert diese, sie versteht es aber auch zu provozieren. Als es 2012 zu einer Gruppenvergewaltigung der jungen Inderin Jyoti Singh Pandey in ihrer Heimatstadt Delhi kommt, ist Rao fassungslos. Sie schließt sich einer Gruppe junger Demonstranten an, die in den Tagen nach dem schrecklichen Ereignis für mehr Sicherheit für Frauen und eine schärfere Strafverfolgung von Vergewaltigern auf die Straße gehen. Dabei versteht sie, wie wichtig es ist, immer weiterzugehen und sich nicht verunsichern zu lassen.
Die Demonstrationen kommen nach dem Tod der Studentin zum Erliegen. Maya K. Rao jedoch beginnt zu improvisieren. Mit den Demonstrationen der vergangenen Tage im Hinterkopf entsteht eine Performance, in der die Künstlerin die stetige Bewegung des Ganges zu Musik und gesprochenem Wort auf die Bühne bringt. Sie möchte die schrecklichen Ereignisse verarbeiten und darauf aufmerksam machen, wie wichtig es ist, eine Wiederholung des Geschehenen zu vermeiden.
„The Walk“ wird durch den simplen Akt des Ganges so ausdrucksstark – die Bewegung zum Rhythmus der Musik unterstreicht Raos Worte. Dabei passen sich die Bewegungen und Worte immer wieder der Musik an. So werden bei Wiederholungen einzelner Musikpassagen auch Schrittabfolgen und Worte wiederholt – genauso wie sich auch die realen Probleme vieler Frauen immer wieder wiederholen.
Obwohl die Performance als Antwort auf ein Schreckensereignis in Indien entstand, ist sie zurzeit gerade in Köln besser zu verstehen als anderswo. Nach der vergangenen Silvesternacht fühlen sich viele Frauen in ihrer eigenen Stadt nicht sicher. Mit ihrer Performance macht Rao Mut, umzudenken. Sie ermuntert Frauen für ihre persönliche Freiheit zu kämpfen und sich nicht einschüchtern zu lassen.
Die Performance fand im Rahmen einer Eröffnungsfeier der Sondersammlung „Female Voices“ der Theaterwissenschaftlichen Sammlung Köln statt, gewidmet der Theaterarbeit von Frauen. In den kommenden Jahren soll die Sammlung stetig vergrößert und die Arbeiten der Künstlerinnen aktiv in die Lehre und Forschung an der Universität eingebunden werden.
„The Walk“ | R: Maya K. Rao | Fr 20.10. 20 Uhr | Theater Bonn | 0221 22 12 84 00
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